Energiewende So ist der Stand beim Kohleausstieg in Sachsen-Anhalt
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29. August 2021, 19:14 Uhr
In rund drei Monaten geht im Burgenlandkreis eines der letzten Braunkohlekraftwerke Sachsen-Anhalts vom Netz: das Industriekraftwerk Deuben. Die Abschaltung ist ein weiterer Schritt hin zum kompletten Kohleausstieg, der bis 2038 vollzogen sein soll. Welche Rolle spielt der fossile Energieträger derzeit noch für Wirtschaft und Stromerzeugung in Sachsen-Anhalt? Antworten gibt es im ersten Teil eines Themenschwerpunktes von MDR SACHSEN-ANHALT.
Inhalt des Artikels:
- Wie viele Menschen durch die Schließung des Kraftwerkes in Deuben ihre Jobs verlieren
- Wann Sachsen-Anhalts verbliebene Kohlekraftwerke vom Netz gehen
- Wie viel Strom in Sachsen-Anhalt aus Braunkohle erzeugt wird
- Wo in Sachsen-Anhalt noch Braunkohle abgebaut wird
- Wie die künftige Landesregierung den Strukturwandel in Sachsen-Anhalt vorantreiben will
Knapp drei Monate noch, dann werden die Rauchwolken, die seit Jahrzehnten beinahe ununterbrochen über Deuben im Burgenlandkreis schweben, endgültig verschwinden. Am 8. Dezember wird das Braunkohlekraftwerk im Ort stillgelegt – nach mehr als 80 Jahren Betriebszeit. Die Anlage, die seit 1936 in Betrieb ist, gilt als ältestes aktives Braunkohlekraftwerk Deutschlands. Mit Braunkohle aus dem nahegelegenen Tagebau Profen wird in Deuben Strom erzeugt, der überwiegend zurück in den Tagebau fließt und dort die Maschinen und Bänder laufen lässt. Außerdem versorgt das Kraftwerk Gemeinden in der Umgebung mit Fernwärme.
Spätestens im Jahr 2038 soll die Kohleverstromung in Deutschland komplett enden. Das hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr mit dem sogenannten Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG) beschlossen. Umweltschützerinnen und Umweltschützer fordern zwar einen früheren Kohleausstieg, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, doch CDU, SPD und FDP in Sachsen-Anhalt bekennen sich im Entwurf des Koalitionsvertrages für die mögliche neue Landesregierung zum Ausstiegsdatum 2038.
Deuben ist das erste Kraftwerk in Sachsen-Anhalt, das seit dem Beschluss des KVBG abgeschaltet wird. Die MIBRAG (Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft), die das Kraftwerk Deuben betreibt, hatte sich auf Grundlage des KVBG an einem Auktionsverfahren zur vorzeitigen Stilllegung von Kraftwerkskapazitäten beteiligt und von der Bundesnetzagentur einen Zuschlag erhalten.
Wie viele Menschen durch die Schließung des Kraftwerkes in Deuben ihre Jobs verlieren
Das Deubener Kraftwerk hat derzeit noch rund 200 Mitarbeitende. Diejenigen von ihnen, die zum Zeitpunkt der Stilllegung zwischen 58 und 63 Jahre alt sind, haben dann Anspruch auf eine finanzielle Unterstützung des Staates, das sogenannte Anpassungsgeld. Wie viele Menschen von dieser Regelung betroffen sind, teilt die MIBRAG auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT nicht mit.
Jüngeren Mitarbeitenden des Kraftwerkes in Deuben hat die MIBRAG zugesichert, für sie andere Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen zu finden. Insgesamt will die MIBRAG bis Anfang 2022 allerdings rund 400 ihrer derzeit rund 1.700 Arbeitsplätze abbauen. Das Unternehmen verspricht dabei einen "sozialverträglichen Personalabbau für ältere Mitarbeiter."
Wann Sachsen-Anhalts verbliebene Kohlekraftwerke vom Netz gehen
Außer in Deuben sind in Sachsen-Anhalt noch vier weitere Anlagen in Betrieb, in denen Braunkohle zur Energiegewinnung verfeuert wird. Das Industriekraftwerk Deuben ist das älteste und nach dem Kraftwerk Schkopau gemessen an der Leistung das zweitgrößte Kraftwerk des Landes. Das Kraftwerk in Schkopau ist die einzige Anlage, die in großem Stil Strom ins öffentliche Netz einspeist. Es soll bis Ende 2034 vom Netz gehen. Bei den restlichen Kraftwerken handelt es sich um Industriekraftwerke, die lediglich Überschüsse ins öffentliche Netz einspeisen, oder kleine Anlagen, mit denen Unternehmen für ihre Produktion Strom gewinnen. Für sie steht noch kein genaues Abschaltungsdatum fest.
Wie viel Strom in Sachsen-Anhalt aus Braunkohle erzeugt wird
Im Jahr 2019 wurden hierzulande knapp fünf Milliarden Kilowattstunden Strom aus Braunkohle gewonnen. Das entspricht einem Anteil von 19,3 Prozent des in Sachsen-Anhalt erzeugten Stroms. Ein Jahr zuvor waren es noch 27,8 Prozent. Zum Vergleich: Bundesweit wurden im Jahr 2019 19,7 Prozent des Stromes mithilfe von Braunkohle erzeugt. Sachsen-Anhalt liegt hier also beinahe exakt im deutschen Durchschnitt.
Wo in Sachsen-Anhalt noch Braunkohle abgebaut wird
In Sachsen-Anhalt gibt es zwei aktive Tagebaue, in denen sich riesige Baggerschaufeln in den Boden fressen, um Braunkohle zu Tage zu fördern. Im Tagebau Profen im Zeitz-Weißenfelser Braunkohlerevier baut die MIBRAG bis zu 5,5 Millionen Tonnen Braunkohle im Jahr ab. Dazu müssen jährlich mehr als 20 Millionen Kubikmeter Abraum bewegt werden. Voraussichtlich bis zum Jahr 2035 soll hier noch Braunkohle gefördert werden. Die Kohle aus dem Profener Tagebau wird unter anderem im Kraftwerk Schkopau und in den Industriekraftwerken Deuben und Wählitz verfeuert.
In den vergangenen Jahrzehnten mussten in ganz Sachsen-Anhalt rund 40 Siedlungen und mehr als 25.000 Menschen den Kohlebaggern weichen. Allein im Zeitz-Weißenfelser Revier waren mehr als 20 Ortschaften und etwa 6000 Menschen betroffen.
Der zweite aktive Tagebau des Landes befindet sich in der Gemeinde Seegebiet Mansfelder Land. Das Unternehmen Romonta fördert im Tagebau Amsdorf rund eine halbe Million Tonnen Braunkohle im Jahr. Aufgrund ihrer besonderen Zusammensetzung und Qualität wird die Kohle aus dem Tagebau Amsdorf vor allem zur Herstellung von Rohmontanwachs verwendet, einem Rohstoff für die Chemieindustrie.
Wie die künftige Landesregierung den Strukturwandel in Sachsen-Anhalt vorantreiben will
Bis zu 40 Milliarden Euro stellt der Bund bis 2038 für die Regionen in Deutschland bereit, die vom Kohleausstieg betroffen sind. Im Entwurf ihres Koalitionsvertrages beschreiben Sachsen-Anhalts mögliche neue Regierungsparteien CDU, SPD und FDP auf sechs dicht bedruckten Seiten, wie sie das Geld einsetzen und den Strukturwandel in den hiesigen Braunkohlerevieren gestalten wollen.
Unter anderem kündigen sie darin den Ausbau der digitalen Infrastruktur, den Aufbau von Innovationsorten wie etwa Technologieparks sowie die Erschließung neuer Gewerbe- und Industrieflächen an. Zudem wolle man den Tourismus in den Bergbauregionen fördern, sich für die Ansiedlung eines energiewissenschaftlichen Forschungs- und Innovationszentrums der Helmholtz-Gesellschaft im Süden Sachsen-Anhalts einsetzen und die bereits bestehende Stabsstelle Strukturwandel personell und finanziell verstärken.
Der Süden des Landes soll demnach als "Referenzregion für Innovationen sowie für Forschung und Entwicklung" gestärkt werden. Bei der Energieerzeugung will man auf grünen Wasserstoff setzen, um den nicht immer verfügbaren Strom aus Wind und Sonne durch chemische Umwandlung speicher- und transportierbar zu machen.
Über den Autor
Lucas Riemer arbeitet seit Juni 2021 bei MDR SACHSEN-ANHALT. Der gebürtige Wittenberger hat Medien- und Kommunikationswissenschaft in Ilmenau sowie Journalismus in Mainz studiert und anschließend mehrere Jahre als Redakteur in Hamburg gearbeitet, unter anderem für das Magazin GEOlino.
Bei MDR SACHSEN-ANHALT berichtet er vor allem über kleine und große Geschichten aus den Regionen des Landes.
MDR/Lucas Riemer
Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | 29. August 2021 | 19:00 Uhr
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