Städte- und Gemeindebund "Die Infrastruktur ist so geschädigt – da reichen 15 Millionen Euro nicht"
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23. Oktober 2022, 20:25 Uhr
2020 wurden die sogenannten Straßenausbaubeiträge in Sachsen-Anhalt abgeschafft. Hausbesitzer müssen seitdem nicht mehr für die Straße vor ihrem Grundstück mitbezahlen. Ohne die Beiträge wird aber nicht jede Straße auch tatsächlich saniert. Denn mit der Pauschale, die das Land Sachsen-Anhalt stattdessen jährlich an die Kommunen zahlt, lässt sich längst nicht alles sanieren, was nötig wäre. Das Geld wird nicht fair und sinnvoll verteilt, kritisieren die Kommunen. Bernward Küper, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes in Sachsen-Anhalt, erklärt, was passieren müsste.
MDR SACHSEN-ANHALT: Herr Küper, Anlieger müssen in Sachsen-Anhalt nicht mehr zahlen, wenn es um die Sanierung einer Straße geht. Welche Konsequenzen hat die Abschaffung der Straßenausbaugebühren für die Kommunen?
Bernward Küper: Wir sehen die Abschaffung mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Es gibt die Situation nicht mehr, dass Anlieger einer Straße Ausbaubeiträge zahlen müssen, die astronomisch hoch sind.
Aber: Wir als Verband haben die völlige Abschaffung der Beiträge nicht befürwortet. Wir hatten Sorge, dass dann die Finanzierung von öffentlicher Infrastruktur – also Straßen und Wege – schwierig wird. Denn jetzt hat die öffentliche Hand alle Lasten zu tragen. Das halten wir nach wie vor für nicht richtig, aber das müssen wir jetzt akzeptieren.
Und da der Gesetzgeber das gewollt hat, dass diese Regelung außer Kraft gesetzt wird, muss er auch für eine alternative Finanzierung sorgen. Das sind nach bestimmten Berechnungen 15 Millionen Euro pro Jahr.
Die 15 Millionen Euro pro Jahr werden pauschal auf alle Kommunen Sachsen-Anhalts aufgeteilt. Reicht das Geld denn, um Straßen sanieren zu können?
Das Geld reicht vorne und hinten nicht und entspricht nicht dem Bedarf. Warum sagen wir, es reicht nicht aus? Wir haben ein Gutachten durch das Deutsche Institut für Urbanistik erstellen lassen und man hat einen Sanierungsstau festgestellt. Um Ausbaubeiträge zu vermeiden, wurde häufig mehr geflickt, als grundlegend instandgesetzt.
Die Infrastruktur ist mittlerweile derart geschädigt, dass wir in den grundhaften Straßenausbau gehen müssen und nicht mehr einfach nur reparieren können.
Die Infrastruktur ist mittlerweile derart geschädigt, dass wir in den grundhaften Straßenausbau gehen müssen und nicht mehr einfach nur reparieren können. Da sind 15 Millionen Euro nicht ausreichend.
Auf welcher Berechnungsgrundlage basiert denn diese Straßenausbaupauschale – wird diese auch den steigenden Baukosten angepasst?
Nein. Man hat von 2019 bis 2021 geschaut, was die Städte an Ausbaubeiträgen eingenommen haben. Das ist dann die Grundlage für die Summe. Was aber nicht passiert ist, ist, dass man die steigenden Baukosten angeschaut hat. Das ist noch nicht berücksichtigt wurden, weil die Steigerungen erst 2021 und 2022 massiv hinzugekommen sind.
Des Weiteren sind Baukosten für Nebenanlagen wie Gehwege und für Straßenbeleuchtung nicht mit berücksichtigt worden, sondern nur die reine Straße.
Inwieweit wirken sich die gestiegenen Preise und das wenige Geld, das die Kommunen bekommen, auf die Bauwirtschaft aus?
Wir hatten Termine mit der Bauwirtschaft – die haben natürlich wieder ganz andere Interessen und wollen natürlich bauen. Die wollen ihre Leute in Lohn und Brot behalten und wollen Gewinne machen. Das ist natürlich mit der Aussicht, gerade im Tiefbau, nicht so schön.
Es geht nicht nur um die Firmen, die Gewinne machen wollen, es geht hier um Arbeitsplätze. Da müssen wir jetzt schauen, wie wir das die nächsten zwei, drei Jahre hinkriegen. Man kann ja auch die hohen Energiekosten nicht ständig kofinanzieren. Das heißt, irgendwann muss wieder etwas erwirtschaftet werden. Das geht nur, wenn gearbeitet wird und ein Mehrwert geschaffen wird.
Wie viel Geld müssten denn Kommunen bekommen, damit eine angemessene Sanierung stattfinden kann?
Wir haben große, kleine und mittlere Kommunen – das kann man so genau nicht sagen. Die einzelne Kommune muss aber in die Lage versetzt werden, nach ihren Bedürfnissen investieren zu können. Es gibt Kommunen, die müssen jetzt vier Jahre ansparen und kommen dann vielleicht auf eine Summe von 100.000 Euro, mit denen sie dann etwas machen können.
Nehmen wir zum Beispiel die Ortsverbindungsstraßen in Gardelegen. Als einer der größten Städte in Deutschland – zumindest von der Fläche her – müssen um die 50 Orte miteinander verbunden werden. Trotzdem ist es ein bevölkerungsschwaches Gebiet. Die Leute müssen es ja irgendwie zur Arbeit schaffen und sind häufig auf Autos angewiesen. Da muss die Infrastruktur in Ordnung gebracht werden. Von daher gibt es da keine pauschale Lösung.
Haben Kommunen denn anderweitig die Möglichkeit, Gelder aufzutreiben?
Es gibt auf Landesebene kein Förderprogramm für den Straßenausbau. Früher gab es zum Beispiel ein Gemeindeverkehrsinfrastruktur-Gesetz. Da waren bestimmte Summen drin und standen zur Verfügung, um in diese Verkehrsinfrastruktur zu investieren. Das gibt es zurzeit nicht, sodass also eigentlich die Kommunen außerhalb dieser 15 Millionen Euro für ganz Sachsen-Anhalt auf ihre eigenen Mittel angewiesen sind.
Wie sollten dann die Beiträge ihrer Meinung nach verteilt werden, um das Ganze gerechter zu machen?
Wir fordern, dass der horizontale Finanzausgleich neu definiert wird. Horizontal bedeutet, die Verteilung unter den Kommunen an sich. Wir verlangen eine vertikale Betrachtung. Sprich: Es muss geschaut werden, wie die Bedarfe denn tatsächlich sind.
Wir hätten gern noch einmal eine Bedarfsermittlung – wohlwissend, dass das auch so aussehen kann, dass den Kommunen möglicherweise gesagt wird: 'Einen Bedarf an bestimmten Stellen gibt es nicht.' Aber das sollten wir uns noch mal gönnen, weil die letzte Bedarfsermittlung vor zirka zwölf Jahren stattgefunden hat. Seitdem ist einiges passiert.
Die Fragen stellte Maximilian Fürstenberg.
MDR (Maximilian Fürstenberg)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 23. Oktober 2022 | 19:00 Uhr
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