Überblick Demo, Protest und Blockade: Was in Sachsen-Anhalt erlaubt ist
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15. Februar 2024, 14:56 Uhr
Allein im Januar haben Zehntausende Menschen in Sachsen-Anhalt an mindestens einer Demo teilgenommen – ob für die Interessen der Landwirte, mehr Klimaschutz oder gegen Rechtsextremismus. Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht. Das heißt aber nicht, dass auf einer Demo alles erlaubt ist: Ein Überblick der Gesetze in Sachsen-Anhalt – die ähnlich auch in Sachsen und Thüringen gelten.
Demonstrationen gegen Rechtsextremismus, protestierende Landwirte und voraussichtlich letzte Blockaden der "Letzten Generation": Das Jahr 2024 hat mit zahlreichen Demos und Protest-Aktionen begonnen. Insgesamt 499 Versammlungen registrierte das Innenministerium in Sachsen-Anhalt im Januar 2024. Im gesamten Jahr 2023 waren es landesweit 2.676 Versammlungen.
Das öffentliche und gemeinschaftliche Äußern von Meinungen sei ein wichtiger Teil der demokratischen Gesellschaft, erklärt Winfried Kluth, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Halle und ehemaliger Landesverfassungsrichter. Das Recht, sich öffentlich zu versammeln, sei eng mit der Meinungsfreiheit verbunden. Menschen könnten sich so unmittelbar Gehör verschaffen – insbesondere, wenn es sich dabei um Kritik an Regierenden oder den herrschenden Verhältnissen handle.
Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht – aber es gibt Einschränkungen
Deshalb sei die Versammlungsfreiheit als Grundrecht stark geschützt. Das Grundgesetz sehe aber auch vor, dass Versammlungen beschränkt werden können, um Gefahren zu vermeiden, erklärt Kluth. Das sei insbesondere dann wichtig, wenn es sich um öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel handelt.
Den rechtlichen Rahmen dafür geben die Versammlungsgesetze. Sachsen-Anhalt und Sachsen haben eigene Landesversammlungsgesetze, in Thüringen gilt das Versammlungsgesetz des Bundes. Kluth zufolge weichen die Gesetze aber nur wenig voneinander ab.
Was eine Versammlung ist – und was nicht
Versammlungen sind Veranstaltungen, bei denen Menschen gemeinsam ihre Meinung kundtun. Das unterscheidet sie von Veranstaltungen wie Stadtfesten oder Ansammlungen, wie beispielsweise vor einer Konzerthalle.
Das Versammlungsgesetz bezieht sich laut dem Rechtswissenschaftler Winfried Kluth auf öffentliche Versammlungen, nicht auf geschlossene Veranstaltungen wie Vereinssitzungen. Meist geht es dabei um Versammlungen unter freiem Himmel, also Kundgebungen, die auf einem Platz stattfinden, oder Aufzüge, bei denen die Versammlung sich bewegt.
Wer kann an einer Demo teilnehmen?
Laut Grundgesetz haben alle Deutschen das Recht auf Versammlungsfreiheit. Sachsen-Anhalt weitet das Recht aus: "Jeder hat das Recht, öffentliche Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten und an solchen Veranstaltungen teilzunehmen", heißt es im Versammlungsgesetz, unabhängig vom Pass. Davon ausgeschlossen sind nur wenige Ausnahmen, unter anderem verfassungswidrige Parteien.
Transparente, Tröten, Traktoren: Was ist auf einer Demo erlaubt?
Kundgebungsmittel wie Schilder, Transparente, Tröten oder Trommeln können eine Demo begleiten, sofern die Behörden sie nicht verbieten oder sie die Versammlung stören. In jedem Fall verboten ist dagegen, Waffen mitzubringen oder sich zu vermummen. Ebenfalls verboten ist eine gemeinsame Uniformierung, die einschüchternd wirken kann.
Manche Demonstrationen ziehen per Fahrrad über die Straßen – oder eben mit Traktoren. Ist das nicht der Fall, versammeln sich die Teilnehmenden in der Regel ohne Fahrzeuge. Fahrräder können zwar meist problemlos geschoben werden, mit einem Traktor sollte man aber nicht unabgesprochen vorfahren.
Wie wird eine Demonstration angemeldet?
Eine Versammlung muss 48 Stunden vor ihrer Bekanntgabe bei der Versammlungsbehörde angemeldet werden. Diese liegt in Magdeburg und Halle bei den Polizeiinspektionen, in den Städten und Regionen Sachsen-Anhalts bei den Landkreisen und Landratsämtern. Die Anmeldepflicht ist laut dem Rechtswissenschaftler Winfried Kluth eine Informationspflicht: Eine zusätzliche Genehmigung sei nicht notwendig, damit die Versammlung stattfinden kann.
Ausnahmen von der 48 Stunden-Frist: Eil- und Spontanversammlungen
Nicht immer ist es möglich, eine Versammlung 48 Stunden vorab bei den Behörden anzumelden. Das kann der Fall sein, wenn es sich um ein kurzfristiges, dringendes Ereignis handelt, für das man eine Versammlung anmeldet. In diesem Fall spricht man von einer Eilversammlung. Wenn Menschen sich ohne Veranstalter und entsprechenden Aufruf versammeln, ist von einer Spontanversammlung die Rede. Auch hier berücksichtigt das Versammlungsgesetz, dass die Frist nicht eingehalten werden kann.
Bei der Anmeldung muss laut Gesetz der Gegenstand der Versammlung angegeben werden, also das Thema, um das es den Demonstrierenden geht. Zudem muss ein Versammlungsleiter oder eine Versammlungsleiterin ernannt werden. Diese Person ist demnach vor Ort für die Versammlung verantwortlich, eröffnet und beendet diese und sorgt dafür, dass sie ordnungsgemäß abläuft. Ehrenamtliche Ordner können sie dabei unterstützen.
Mehr zu Ordnerinnen und Ordnern auf Versammlungen
Ordnerinnen und Ordner können die Versammlungsleitung ehrenamtlich dabei unterstützen, eine Kundgebung oder einen Aufzug durchzuführen. Dem Gesetz zufolge müssen sie bei Versammlungen unter freiem Himmel in Sachsen-Anhalt von der Behörde genehmigt werden. Diese stimmt zudem mit dem Versammlungsleiter ab, wie viele Ordner es geben soll.
Veranstalter und Behörde stimmen sich über Details ab
Die Anmeldefrist von 48 Stunden gibt den Behörden laut Kluth die Möglichkeit, sich auf die Versammlung vorzubereiten und gegebenenfalls vorab den Verkehr zu regeln. Zudem könnten sie in dieser Zeit prüfen, ob es Gründe gibt, die Versammlung zu verbieten oder zu beschränken.
Darüber hinaus bestehe eine Kooperationspflicht: Die Behörden sollen laut Gesetz mit dem Veranstalter abstimmen, wie genau die Versammlung abläuft. Dabei geht es Kluth zufolge um Einzelheiten wie Rettungswege, mögliche Konflikte mit anderen Versammlungen oder die Anzahl der Ordner.
Wann kann eine Demo verboten werden?
Eine Versammlung kann laut Gesetz verboten werden, wenn sie in den Augen der Behörde die öffentliche Sicherheit gefährdet. Auch Versammlungen, die an besonderen Gedenkorten oder -Tagen stattfinden, können unter Umständen verboten werden. Das betrifft insbesondere die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus und des zweiten Weltkriegs, aber auch der Menschenrechtsverletzungen während der sowjetischen Besatzung und der SED-Diktatur.
Zur Teilnahme an einer verbotenen oder aufgelösten Versammlung aufzurufen, ist strafbar, daran teilzunehmen gilt als Ordnungswidrigkeit.
Gegenprotest, Blockaden, Störungen: Was ist erlaubt – und was nicht?
Grundsätzlich ist es zulässig, sich zu versammeln, um gegen eine andere Versammlung zu protestieren. In diesem Fall ist es laut Rechtswissenschaftler Winfried Kluth Aufgabe der Sicherheitsbehörden, mit beiden Veranstaltern Ort und Zeitpunkte der Versammlungen so abzusprechen, dass es nicht zu Gewalt komme. Die Behörde könne hier Vorgaben machen, wo die jeweiligen Versammlungen stattfinden.
Für Autofahrer, die durch Hupen protestieren wollen, gilt Kluth zufolge die Straßenverkehrs-Ordnung. Demnach ist es nicht erlaubt, innerorts zu hupen, wenn man damit nicht auf eine Gefahr hinweisen will.
Kommt es innerhalb einer Versammlung zu Widerspruch, zum Beispiel mit Plakaten oder Buhrufen, sei das erst einmal zulässig. "Aber es darf nicht so weit gehen, dass der Ablauf der Versammlung gestört wird", erklärt Kluth. In diesem Fall könne die Polizei die störenden Teilnehmer ausschließen.
Ein rechtlicher Grenzfall sei es, wenn eine Versammlung blockiert wird: Zunächst sei die Frage, ob es sich bei der Blockade um eine gemeinsame Meinungsäußerung und damit ebenfalls eine Versammlung handelt. Aus juristischer Perspektive ist es Kluth zufolge zudem problematisch, eine unliebsame Versammlung zu blockieren, sofern diese nicht verboten ist: "Das ist eine Grauzone, da kann man trefflich drüber streiten, wo die Grenzen verlaufen."
MDR (Maren Wilczek)
MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir
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