Anbau in Leuna Cannabisgesetz: Hersteller kritisiert Diskussion um spätere Freigabe
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19. März 2024, 07:45 Uhr
Der legale Besitz von Cannabis soll mit dem neuen Gesetz ab April zum Teil möglich sein. Eine Entscheidung im Bundesrat steht noch aus und es bildet sich Widerstand gegen das Gesetz. Politiker, Unternehmen und Experten in Sachsen-Anhalt sind sich über den Zeitpunkt der Freigabe uneins. Ein Unternehmen aus Leuna drängt allerdings auf Investitions- und Planungssicherheit.
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- Hersteller von medizinischem Cannabis fordern zeitnah Klarheit beim Gesetz zur Legalisierung.
- Sachsen-Anhalts SPD sieht noch Beratungsbedarf und plädiert für eine Verschiebung des Cannabisgesetzes.
- Die FDP-Fraktion im Landtag weist Bedenken von Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) gegen die Cannabis-Legalisierung zurück.
- Drogen- und Sucht-Experten haben sich in einem offenen Brief dafür ausgesprochen, das Inkrafttreten des Gesetzes nicht zu verzögern.
Der Hersteller von medizinischem Cannabis in Leuna, Aurora, fordert Klarheit zur Cannabis-Legalisierung. Unternehmenssprecher Dirk Heitepriem sagte MDR SACHSEN-ANHALT, wichtig sei, dass das Gesetz nicht irgendwann umgesetzt werde, sondern dass es zeitnah geschehe, am besten zum 1. April: "Einfach vor dem Hintergrund, dass wir auch für den Standort Leuna eine Investitions- und Planungssicherheit haben müssen. Es ist immer schwierig, wenn sich Gesetze verzögern und Prozesse nicht klar sind. Für uns ist es wichtig, dass jetzt Rechtsklarheit geschaffen wird."
Aurora ist nach eigenen Angaben eines von drei Unternehmen, das in Deutschland für den Anbau von medizinischem Cannabis zugelassen ist. Dabei handelt es sich demnach um jährlich 1.000 Kilogramm, die im Auftrag des Bundesinstituts für Arzneimittel produziert werden. Die Anlage der Firma befinde sich im Chemiepark Leuna und sei rund 3.600 Quadratmeter groß.
Kritik aus den eigenen SPD-Reihen
Aus Sachsen-Anhalt waren zuletzt Forderungen gekommen, die Cannabis-Legalisierung in Deutschland zu verschieben. Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) sagte der Mitteldeutschen Zeitung, grundsätzlich stehe man zwar hinter dem Gesetzesvorhaben. Allerdings sehe man noch Beratungsbedarf. Dabei gehe es um die erlaubten Höchstmengen von Cannabis und um die Mindestabstände zu Kinder- und Jugendeinrichtungen.
Das bestätigte das Gesundheitsministerium auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT. Man habe im Gesundheitsausschuss des Bundesrates dafür gestimmt, den Vermittungsausschuss einzubeziehen. Ein neuer Vorschlag sei das aber nicht. Der Ausschuss vermittelt bei unterschiedlichen Auffassungen zu einem Gesetz zwischen Bundestag und Bundesrat.
Die Landesregierung wolle sich vor dem Bundesratsplenum am 22. März noch abstimmen, erklärte das Gesundheitsministerium. Erst dann könne man weitere Auskunft geben.
SPD-Politiker Erben nennt Gesetz "kriminalpolitischen Irrsinn"
Auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Rüdiger Erben, hatte kürzlich Kritik geäußert. Erben sagte Spiegel Online Ende Februar, das Gesetz sei "kriminalpolitischer Irrsinn" und "ein Fest für die Organisierte Kriminalität". Der Innenexperte nannte die erlaubte Menge von 25 Gramm Cannabis pro Person "viel zu viel" und verwies auf ungeklärte Fragen etwa zum Umgang mit Autofahrern, die "bekifft am Steuer sitzen dürfen".
Erben kritisierte außerdem das Timing dieser Reform kurz vor den Kommunal- und Europawahlen und Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern. Der Bund geht derzeit davon aus, dass Cannabis zum 1. April legalisiert wird.
Bedenken in Teilen nachvollziehbar
Aurora-Sprecher Heitepriem, der auch Vizepräsident des Branchenverbandes Cannabis-Wirtschaft ist, räumte im MDR ein, er könne einige Bedenken in Teilen nachvollziehen. So habe eine Amnestie-Regelung natürlich immer etwas mit Aufwand zu tun. Aber: "Wenn man Cannabis-Konsum entkriminalisiert, ist es natürlich auch ein ganz wichtiger Schritt, dass dort überprüft wird, welche Verurteilungen in der Vergangenheit dann nicht mehr dem Gesetz nach heutigem Duktus entsprechen."
Nach bisherigen Plänen soll der Besitz von Cannabis für Erwachsene ab April legalisiert werden. Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin hält diesen geplanten Zeitpunkt für das Inkrafttreten der neuen Regelungen aufgrund der unklaren Punkte für ungünstig. Die Umsetzung des Gesetzes bedeute einen hohen bürokratischen Aufwand, der Zeit benötige. Eine Verschiebung sei daher sinnvoll.
Das Gesundheitsministerium teilte MDR SACHSEN-ANHALT hierzu mit, man habe im Gesundheitsausschuss des Bundesrates für die Anrufung des Vermittlungsausschusses aus Einzelgründen gestimmt. Vor der Bundesratssitzung am 22. März werde es in der Landesregierung noch Abstimmungen geben. Genauer wollte sich das Ministerium dazu nicht äußern.
Jeder Monat Verzögerung der Cannabis-Legalisierung bedeutet tausende Strafverfahren gegen Kleinkonsumenten und damit unnötige Bürokratie. Anpassungen bezüglich der Besitzmengen und Mindestabstände könnten nach gesammelten Erfahrungen immer noch vorgenommen werden.
Schwarz-Rot-Gelb in Sachsen-Anhalt uneins
Die FDP-Fraktion im Landtag wies Bedenken von Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) gegen die Cannabis-Legalisierung am Montag zurück. Der gesundheitspolitische Sprecher Konstantin Pott forderte bei MDR SACHSEN-ANHALT, am Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. April festzuhalten: "Jeder Monat Verzögerung der Cannabis-Legalisierung bedeutet tausende Strafverfahren gegen Kleinkonsumenten und damit unnötige Bürokratie. Anpassungen bezüglich der Besitzmengen und Mindestabstände könnten nach gesammelten Erfahrungen immer noch vorgenommen werden." Pott betonte, es gebe keinen Grund, die Legalisierung zu verschieben: "Mit der FDP in der Landesregierung steht fest: Sachsen-Anhalt wird das Gesetz im Bundesrat nicht blockieren."
Innenministerin spricht von falschem Schritt
Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang hatte die geplante Legalisierung von Cannabis bereits im Februar vor der Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag als "falschen Schritt" bezeichnet. Die CDU-Politikerin glaubt, der illegale Drogenmarkt werde dadurch nicht verschwinden. Das zeigten die Erfahrungen aus anderen Ländern. Die Beschaffungskriminalität werde eher zunehmen. Auch auf die Verkehrssicherheit werde sich die Legalisierung negativ auswirken.
Nach Angaben des Landesinnenministeriums hatten sich die Innenminister des Bundes während einer gemeinsamen Konferenz nun jedoch einstimmig gegen die Pläne der Bundesregierung ausgesprochen. Besonders gravierende negative Auswirkungen erwarten die Minister demnach auf die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, auf den Kinder- und Jugendschutz sowie die Verkehrssicherheit.
Zustimmung vom Bundestag, Votum des Bundesrats steht noch aus
Der Bundestag hat eine entsprechende Gesetzesvorlage bereits im Februar beschlossen. Am 22. März muss der Bundesrat noch zustimmen. Auch aus anderen Bundesländern gab es bereits Stimmen, die für eine Verschiebung des Gesetzes plädierten. Mehrere Bundesländer behalten sich unter anderem wegen der Justizbelastung vor, im Bundesrat Änderungen zum Cannabisgesetz anzubringen und den Vermittlungsausschuss anzurufen. Das könnte die teilweise Legalisierung der Droge verzögern.
Gegen Aufschub: Drogen- und Suchtexperten appellieren an Bundesrat
In einem offenen Brief haben zuletzt bundesweit mehr als 40 Sucht- und Drogenexperten an den Bundesrat appelliert, das Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes nicht zu verzögern. Die Juristen, Psychologen und Sozialwissenschaftler sprechen darin von einem wichtigen Vorhaben für die öffentliche Gesundheit, den Jugendschutz und die soziale Gerechtigkeit. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zeigte sich zuletzt weiter zuversichtlich, dass das Gesetz zum 1. April greift.
Wenn der Bundesrat am 1. April zustimmt
Das Cannabisgesetz der Koalition aus SPD, Grünen und FDP soll Erwachsenen ab 1. April den Konsum von Cannabis erlauben. Zukünftig soll Volljährigen beispielsweise erlaubt sein, bis zu 50 Gramm Cannabis aus Eigenanbau zu besitzen. In der Nähe von Schulen und Spielplätzen sollen Schutzzonen gelten. Vereine – sogenannte Cannabis Social Clubs (CSC) – dürfen künftig Hanf anbauen und an erwachsene Mitglieder bis zu 50 Gramm im Monat abgeben. So soll der Schwarzmarkt eingedämmt werden. Die CSC unterliegen strengen Auflagen. Auch Privatpersonen dürfen wenige Pflanzen für den Eigenbedarf haben. Für Kinder und Jugendliche bleibt Cannabis verboten. Daneben soll eine Präventionskampagne zu Risiken durch Cannabis informieren. In Absprache mit der EU sind dann später in einem zweiten Schritt staatlich kontrollierte kommerzielle Cannabisshops in Deutschland geplant.
dpa, MDR (Susanne Ahrens, Christoph Dziedo, Daniel George), zuerst veröffentlicht am 11.03.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 11. März 2024 | 07:00 Uhr
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