Zugverspätungen Verlässlichkeit der Bahn: Das angespannte System
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12. November 2023, 05:00 Uhr
Zugausfälle und vor allem Verspätungen gehören für Pendler in Sachsen-Anhalt zum Alltag. Im Nahverkehr waren Züge zuletzt häufiger verspätet. Die Situation ist angespannt. Baustellen, Personalengpässe und dazu mehr Passagiere wegen des Deutschlandtickets: Bahnfahren war schon mal einfacher. Ein Bericht aus dem Pendlerzug.
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- Bahnpendler sind auf dem Weg zur Arbeit auf den Nahverkehr angewiesen. Doch sie kritisieren unpünktliche oder gar ausfallende Züge.
- Auch die Statistik bestätigt es: Die Züge in Sachsen-Anhalt waren schon mal zuverlässiger.
- Vertreter des Bahnunternehmens Abellio und des Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt nennen fehlendes Personal im Zug und an Stellwerken und fehlende Züge als Gründe für die Probleme.
6:15 Uhr. Am Morgen herrscht geschäftige Betriebsamkeit am Bahnhof in Aschersleben. In wenigen Minuten fährt der Zug nach Magdeburg, eine typische Pendlerstrecke. Adrian Einecke nimmt häufig diesen frühen Zug – für ihn geht es mit Fahrrad und Bahn zur Arbeit. "Man fährt ja noch eine Stunde bis Magdeburg", sagt er. Um 7:30 Uhr will er gern im Büro sein.
Einecke fährt Bahn aus Überzeugung. "Mit der Bahn habe ich nach wie vor doch mehr Zeit für mich, kann was lesen." Außerdem könne er morgens im Zug schon die ersten Mails abarbeiten. "Und ich kann auch die Augen nochmal zu machen, frühmorgens 6:23 Uhr."
Verspätungen ab Aschersleben an der Tagesordnung
6:23 Uhr. Um diese Zeit fährt der Zug in Ascherleben los. Laut Plan zumindest, denn Verspätungen seien momentan an der Tagesordung. "Im Moment fährt gar keiner pünktlich." Das sei zumindest sein Eindruck, sagt Adrian Einecke. In letzter Zeit habe es eigentlich jeden Tag vier, fünf bis zehn Minuten Verspätung gegeben.
Eine Erfahrung, die auch andere Pendler machen. Maike Paulus fährt häufig mit der Bahn. "Manchmal funktioniert's", sagt sie. Aber wenn sie in Güsten umsteigen müsse, werde es kritisch. Wenn Paulus ihren Anschlusszug nicht bekommt, steht sie am Bahnhof. "Dann muss ich auf den nächsten warten oder den Mann anrufen, dass er mich abholt."
Nicht zur Arbeit gekommen wegen Bahnstreik
Jan Hagel will mit der Bahn pünktlich zu seiner Schicht kommen. Morgens würde das meistens gut funktionieren, sagt der Auszubildende zum Pflegefachmann. Richtung Nachmittag aber häuften sich die Gleiswechsel, Verspätungen und auch Zugausfälle. Was er dann macht? "Warten. Was anderes bleibt mir ja nicht."
Als die Bahn gestreikt habe, sei er gar nicht zum Dienst gekommen. "Wichtige Tage muss ich natürlich nachholen, damit ich auf meine Praxisstunden komme", sagt Hagel. Auch Unterrichtsstoff in der Pflegeschule habe er durch die Bahn schon verpasst. Probleme gebe es auch im Schienenersatzverkehr. In diesem Jahr habe er nach einem Dienst spätabends in Bernburg festgesessen. Ein Kollege habe ihn dann in Aschersleben abgesetzt.
Statistik: Öfter Verspätungen bei der Bahn
Ein Blick in die Statistik bestätigt die Beobachtungen der Fahrgäste: Der Schienenpersonennahverkehr in Sachsen-Anhalt war schon mal pünktlicher.
Die Lage sei sehr angespannt, bestätigt der Geschäftsführer der Landesgesellschaft Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt (NASA), Peter Panitz. Die Ursachen dafür seien vielfältig. "Das geht schon mal damit los, dass es sehr, sehr viele Baustellen der DB Netz AG an der Infrastruktur gibt. Und daneben haben wir aber auch ein Personalthema."
Das betreffe den Netzbetreiber, die DB-Netz-AG. Es gebe Probleme bei der Besetzung von Stellwerken. Außerdem würden bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen Triebfahrzeugführer fehlen. In den vergangenen Wochen habe es eine erhöhte Ausfallquote gegeben, die zu einer erheblichen Zahl von Zugausfällen geführt habe.
Mit Abellio von Halle nach Eisleben
Ortswechsel. Am Vormittag ist der große Pendlerandrang am Hauptbahnhof in Halle schon durch. Der Zug Richtung Eisleben fährt heute nach Plan ab: um 9:02 Uhr.
Die Verbindung hat Abellio-Sprecher Stefan Dietrich vorgeschlagen. "Diese Strecke ist diejenige, die tatsächlich am meisten betroffen ist von Stellwerksnichtbesetzungen", sagt er. Wenn ein Stellwerk nicht besetzt werden kann, fahren auch keine Züge.
Zur Zeit gebe es eine Betriebsruhe in den Nächten von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag. Das sorgt zwar für Einschränkungen, aber auch für Planbarkeit. Und die ist wichtig, denn wegen des Stellwerkproblems seien Züge auch schon ganz kurzfristig ausgefallen, sagt Dietrich.
Zugbegleiter bekommen Fahrgast-Frust ab
Den Frust der Fahrgäste über Verspätungen oder Ausfälle bekommen dann häufig die Zugbegleiter zu spüren, obwohl sie an der Situation meist nichts ändern können. Axel Schröter und seinen Kollegen bleibt dann nur, die Fahrgäste zu beschwichtigen, sich zu entschuldigen. "Es ist eine schwierige Situation zur Zeit", sagt Schröter. Er habe auch schon von Pendlern gehört, die Fahrgemeinschaften gebildet haben.
Bahnpendler setzen auf Direktverbindungen und Pufferzeit
Wer häufig mit der Bahn unterwegs ist, hat seine Kniffe, mit der Situation umzugehen. Direktverbindungen zu wählen schützt zwar nicht vor Verspätungen, aber davor irgendwo auf einem zugigen Umsteigebahnhof zu bleiben.
Pendler Adrian Einecke plant Pufferzeit ein, für besonders wichtige Termine nimmt er einen Zug früher, als laut Plan eigentlich notwendig wäre. Doch das sei eine zusätzliche Stunde, die er unterwegs sei.
Mehr Fahrgäste durch Deutschlandticket
Trotz der angespannten Situation ist die Bahn als Verkehrsmittel gefragter geworden. Das liegt auch am Deutschlandticket. Der Schienenverkehr braucht mehr Kapazität. Ein Eisenbahnsystem zu ändern, dauere Jahre, meist mehr als zehn Jahre, stellt Peter Panitz von der NASA fest. "Jetzt brauchen wir kurzfristig erst einmal deutlich mehr Kapazitäten."
Das wäre vor allem über längere Züge lösbar. Momentan würden aber fast alle Verkehrsunternehmen zusätzliche Fahrzeuge suchen. "Die Zahl der Fahrzeuge ist begrenzt. Das heißt, es ist einfach nur eine begrenzte Handlungsfähigkeit da."
Entlastungen mit dem Fahrplanwechsel im Dezember
Aber auch kurzfristig wird es vereinzelt Entlastungen geben. Peter Panitz verweist auf Neuerungen zum Fahrplanwechsel im Dezember, etwa auf der Strecke zwischen Magdeburg und Uelzen über Stendal. Geplant sei, dass man von Magdeburg Richtung Stendal halbstündlich fahren könne und Richtung Uelzen im Stundentakt.
Auch im Landessüden soll es Anpassungen geben, aber eher in die andere Richtung. Zugausfälle sollen laut Panitz möglichst frühzeitig bekannt sein. "Und im Zweifelsfall muss man auch sehen, dass man Angebote planmäßig reduziert." Das solle für mehr Verlässlichkeit sorgen.
Fahrgastverband fordert Verlässlichkeit der Bahn
Verlässlichkeit fordert auch der Fahrgastverband Pro Bahn. Tom Bruchholz von Pro Bahn sagt: "Wir erwarten auch, dass der Verkehr insgesamt stabil läuft."
Der Frühzug, in dem Adrian Einecke sitzt, ist an diesem Tag pünktlich. Doch ist die Bahn aus Sicht des Pendlers ein zuverlässiges Verkehrsmittel? Einecke sagt, dass das Angebot zuverlässig, aber wahnsinnig verbesserungswürdig sei. Dann setzt er sich aufs Fahrrad und fährt vom Bahnhof weiter ins Büro. Am Nachmittag wird er wieder mit dem Zug zurückpendeln.
MDR (Tom Gräbe)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. November 2023 | 07:40 Uhr
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