An einem Arbeitsplatz für Motorklemmen ist 2017 ein Mitarbeiter im Rollstuhl mit Montagearbeiten beschäftigt.
Mitarbeiter im Rollstuhl: Nur rund jeder dritte Arbeitgeber in Sachsen-Anhalt erfüllt die gesetzlichen Vorgaben zur Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen. Bildrechte: picture alliance / Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/ZB | Hendrik Schmidt

Inklusion am Arbeitsplatz Sachsen-Anhalt ist bundesweites Schlusslicht bei der Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen

18. April 2023, 19:17 Uhr

Durch sogenannte Pflichtarbeitsplätze ab einer bestimmten Firmengröße soll gewährleistet sein, dass Arbeitgeber bei der Besetzung freier Stellen auch schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Menschen zu beschäftigen. Bei dieser Beschäftigungsquote ist Sachsen-Anhalt seit Jahren bundesweites Schlusslicht.

In keinem anderen Bundesland ist die Quote der schwerbehinderten Menschen im Berufsleben niedriger als in Sachsen-Anhalt. Das geht aus neuen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit hervor. Demnach lag im Jahr 2021 der Anteil der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen an allen Arbeitsplätzen – die sogenannte "Ist-Quote" – in Sachsen-Anhalt bei lediglich 3,3 Prozent. Damit ist Sachsen-Anhalt wie schon in den vergangenen zehn Jahren erneutes Schlusslicht aller Bundesländer.

Was schwerbehindert bedeutet ↓

Laut Sozialgesetzbuch sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Menschen sind schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt. Behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30 sollen nach § 2 Abs. 3 SGB IX schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können.

Quelle: "Arbeitsmarktsituation schwerbehinderter Menschen 2021" (Bundesagentur für Arbeit)

Private und öffentliche Arbeitgeber sind ab einer Mindestanzahl an Arbeitsplätzen gesetzlich dazu verpflichtet, auf einem Teil dieser Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Dabei gelten folgende Regelungen:

  • 20 bis 39 Arbeitsplätze: eine Stelle für schwerbehinderte Menschen,
  • 40 bis 59 Arbeitsplätze: zwei Stellen für schwerbehinderte Menschen,
  • ab 60 Arbeitsplätze: mindestens fünf Prozent der Stellen für schwerbehinderte Menschen.


In Sachsen-Anhalt erfüllten im Jahr 2021 lediglich 31,1 Prozent aller privaten Arbeitgeber diese Beschäftigungspflicht, bei den öffentlichen Arbeitgebern waren es 41,8 Prozent. Die Arbeitgeber, die die Quoten nicht einhalten, müssen eine "Ausgleichsabgabe" an das Integrationsamt zahlen. Diese beträgt abhängig von der tatsächlich erreichten Quote schwerbehinderter Mitarbeitender zwischen 140 und 360 Euro pro Monat.

Je kleiner die Unternehmen, umso niedriger die Beschäftigungsquoten

Für Jan Pasemann, Sprecher der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt e. V. (AWSA), ist der niedrige Anteil der Menschen mit Behinderung in Beschäftigung auf die Wirtschaftsstruktur in Sachsen-Anhalt zurückzuführen. Diese sei geprägt von überwiegend kleinen und mittleren Unternehmen. Er sagt: "Unternehmen dieser Größe fällt es schwerer, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen als großen Betrieben. Diese verfügen häufig über eine bessere Infrastruktur, wie zum Beispiel barrierefreie Arbeitsplätze."

Diese Einschätzung spiegelt sich auch in den Zahlen der Arbeitsagentur wider. Je kleiner die Unternehmen, umso niedriger ist die Beschäftigungsquote von schwerbehinderten Menschen. Zudem fallen die Quoten bei privaten Arbeitgebern – unabhängig von der Betriebsgröße – niedriger aus als bei öffentlichen Arbeitgebern.

Unternehmen dieser Größe fällt es schwerer, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen als großen Betrieben. Diese verfügen häufig über eine bessere Infrastruktur, wie zum Beispiel barrierefreie Arbeitsplätze.

Jan Pasemann, Sprecher der AWSA

Laut Pasemann ist eines der größten Probleme von Unternehmen zur Besetzung von Stellen für Menschen mit Behinderung die Gewinnung von geeigneten Beschäftigten. So ergab eine Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) im Jahr 2022, dass fast 80 Prozent der Betriebe dies als größte Herausforderung sehen.

Landesbehindertenbeauftragter: "Die Zahlen sind ernüchternd"

Der Landesbehindertenbeauftragte Christian Walbrach zeigte sich im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT angesichts der geringen Quote der Schwerbehinderten in Beschäftigung unzufrieden: "Die Zahlen sind ernüchternd. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Beschäftigungsquote sogar um 0,1 Prozent gesunken. Diese Entwicklung kann uns auf keinen Fall zufriedenstellen. Wir sind seit rund zehn Jahren bundesweit das Schlusslicht. Damit kann man natürlich in keiner Weise zufrieden sein."

Die Zahlen sind ernüchternd. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Beschäftigungsquote sogar um 0,1 Prozent gesunken.

Christian Walbrach, Behindertenbeauftragten des Landes Sachsen-Anhalt

Walbrach zufolge ist diese Entwicklung nicht zu rechtfertigen, da auch andere Bundesländer mit demografischen Verwerfungen zu kämpfen hätten. Man müsse sich fragen, warum Sachsen-Anhalt von dieser Quote nicht wegkommt. Neben der kleinteiligen Betriebsstruktur sieht Walbrach auch Ängste, Vorurteile und auch Ignoranz bei Arbeitgebern als Problem. Es gebe viele Unternehmen, die lieber die Ausgleichsabgabe bezahlen, als tatsächlich schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen.

Das ganze Interview können Sie hier nachlesen:

MDR (Manuel Mohr, Lucas Riemer)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 19. April 2023 | 05:00 Uhr

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