Gesundheit Jurist empfiehlt Widerspruch gegen die elektronische Patientenakte
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10. Oktober 2024, 14:21 Uhr
Ab 2025 soll in Deutschland jeder eine elektronische Patientenakte bekommen. Unser Hörer Roland Lehmann hat uns dazu gleich mehrere Fragen geschickt: Ihn interessiert vor allem, ob ein Arzt ihn zur Nutzung der ePA zwingen kann und wer für den Datenschutz zuständig ist. Tatsächlich haben Patienten die Möglichkeit, der Anlage dieser Akte zu widersprechen. Gründe zum Widerspruch sehen Kritiker auch im Datenschutz.
Diesen Artikel hatten wir bereits im Januar veröffentlicht. Aufgrund der aktuellen Relevanz des Themas möchten wir Ihnen den Beitrag noch einmal empfehlen. (Anmerkung der Redaktion)
- Patienten können weder zu einer elektronischen Akte gezwungen werden, noch kann ihre Krankenkasse hineinsehen.
- Professor für Informationssicherheit findet: Es ist schwer einzusehen, wer welche Daten bekommt.
- Jurist empfiehlt Widerspruch wegen vieler ungeklärter Fragen.
Die Idee der Patientenakte: Alle Daten, die bisher in der Praxis oder im Krankenhaus einzeln abgelegt wurden, sollen jetzt digital gebündelt werden - und Einrichtungen sich schneller vernetzen. Ein Beispiel: Jemand ist nicht mehr ansprechbar und soll ein Medikament bekommen. Es könnte aber sein, dass die Person allergisch ist oder Vorerkrankungen hat. Mit der elektronischen Akte wäre das in der Notaufnahme sofort einsehbar. Aber kann mich ein Arzt oder eine Ärztin zwingen, die Akte zu nutzen?
Patienten bestimmen selbst über ihre Akte
Marie-Claire Koch ist Redakteurin für digitale Gesundheitsthemen beim IT-Internetportal Heise Online und sagt Nein: "Das geht auf jeden Fall nicht, niemand wird zu einer elektronischen Patientenakte gezwungen. Ab 2025 ist es so, dass jeder gesetzlich Versicherte automatisch eine elektronische Patientenakte erhält. Und wer sie nicht möchte, der muss erstmal widersprechen."
Genauso könne auch die Versicherung nicht verlangen, Zugriff auf die Akte zu bekommen, fügt Koch hinzu: "Es ist auch so vorgesehen, dass die Schlüssel für die elektronische Patientenakte nicht die Krankenkassen haben, sondern dass die bei zwei verschiedenen Schlüsseldienstleistern in der Telematik-Infrastruktur liegen. Das ist das besonders gesicherte Gesundheitsnetz. Und da darf eben die Krankenkasse keinen Zugriff haben."
Verunsicherung führt Ablehnung
Die größte Kritik dreht sich aber um den Datenschutz. Unser Hörer möchte wissen, wer dafür verantwortlich ist. Infos dazu gibt es auf der Seite der "Gematik – die Nationale Agentur für Digitale Medizin". Gesellschafter der Gematik sind unter anderem das Bundesgesundheitsministerium und die Bundesärztekammer. Online heißt es: "Der Anbieter der Akte ist für die Datenverarbeitung verantwortlich. In der Regel ist das Ihre Krankenkasse. Wenn weitere Unternehmen für den Betrieb mit eingebunden sind, so handeln sie im Auftrag des Anbieters, der die Verantwortung trägt. Weder der Anbieter, noch der Betreiber können die Inhalte der Akte lesen."
Hartmut Pohl ist sich da nicht so sicher. Er ist Professor für Informationssicherheit und findet noch sehr kompliziert einzusehen, wer jetzt genau welche Daten bekommt. Er sieht die Bundesregierung in der Bringschuld: "Mir ist das völlig unklar und das zeigen auch die Fragen, die Ihnen gestellt werden. Der Versicherte ist völlig unsicher, weiß nicht, was er machen soll und im Zweifel übt er Opt-Out aus. Das ist die einfachste Lösung für einen Versicherten."
Der Versicherte ist völlig unsicher, weiß nicht, was er machen soll und im Zweifel übt er Opt-Out aus. Das ist die einfachste Lösung für einen Versicherten.
Opt-Out bedeutet, der Akte zu widersprechen. Pohl fordert deshalb, die Menschen viel einfacher und transparenter aufzuklären. Und er kritisiert, dass es auch um sensible Daten geht: "Wenn man zum Zahnarzt geht, ist das lapidar. Da kann das in die Akte eingehen. Aber wie sieht es mit psychischen Erkrankungen aus? Geschlechtskrankheiten, nennen wir das doch mal. Oder Schwangerschaftsabbrüche, Fehlgeburten, will das die Patientin?"
Zugriffe erst ab 2030 protokolliert
Eine weitere Kritik nennt der Informatiker und Jurist Martin Weigele. Er hat sich für unsere Hörerfrage nochmal den Gesetzesbeschluss genauer angesehen: "Da ist geregelt, dass erst ab dem 1. Januar 2030 die Zugriffe und die versuchten Zugriffe auf personenbezogene Daten der versicherten Personen beziehbar protokolliert werden. Dass man sowas machen kann, ist absoluter Standard." Der Jurist sagt, aus seiner Sicht bedeute das, "dass anonym irgendwelche Dinge jetzt abgefragt werden können, die in dieser Patientenakte gespeichert werden und niemand nachvollziehen kann, wer auf diese Daten zugreifen kann bis zum Jahr 2030. Das finde ich schon einen ziemlichen Hammer".
Anmerkung des Gesundheitsministeriums Das Bundesgesundheitsministerium widerspricht der Darstellung des zitierten Juristen. In einer Zuschrift an MDR AKTUELL schreibt ein Sprecher, dass die Protokollierung der Zugriffe bereits heute ein Pflicht-Bestandteil der ePA sei: "Jeder ePA-Nutzer sieht, wer was wann in seiner ePA gemacht hat. Die Regelung für 2030 ergänzt dies lediglich darum, dass ab dann bei Zugriffen durch Institutionen (insbesondere Krankenhäuser) erkennbar sein muss, welche Person konkret auf die ePA zugegriffen hat. Heute müsste der Versicherte dies in der jeweiligen Institution erfragen."
Auch Weigele geht davon aus, dass wegen der vielen offenen Fragen nicht wenige Menschen der Akte widersprechen werden – persönlich empfehle er es.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 01. Oktober 2024 | 21:45 Uhr
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