Brunnenkresse aus Thüringen Anbau in Erfurt: "Einfach mal die Kresse halten...."
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03. Dezember 2021, 09:23 Uhr
In Erfurt baut Ralf Fischer als letzter Erwerbsgärtner noch traditionell Brunnenkresse an. Im Februar hat die Erntesaison des würzigen und vitaminreichen Blattgemüses begonnen, das vielen Menschen heute nicht mehr bekannt ist. Dabei hatte sie früher viele Fans: Napoleon Bonaparte nahm gleich zwei Kresse-Gärtner mit nach Frankreich.
"Einfach mal die Kresse halten.. " mit diesem Slogan wirbt der Erfurter Gärtner Ralf Fischer für sein Lieblingsgemüse. Als Einziger baut er im Erfurter Dreienbrunnen-Gebiet noch Brunnenkresse auf ganz traditionelle Weise an. In einer sogenannten Klinge, einem Wasserbecken, wächst das Wintergemüse in glasklarem, fließendem Wasser. Das Becken ist derzeit mit einem saftig-grünem Teppich aus Kresse bedeckt. "Das macht mich glücklich", sagt Ralf Fischer und schnappt sich ein scharfes Messer und sein Weidenkörbchen. Über Holzbohlen balanciert er geschickt am Rand des Wasserbeckens entlang, bis zur Mitte. Dort liegt quer über dem Wasser die Schneidebohle. Geerntet wird auf Knien und gebückt überm Wasser. "Das haben meine Eltern noch mit 85 gemacht. Und ganz früher die Frauen mit ihren langen Röcken", sagt der 67-Jährige.
Brunnenkresse in Erfurt auch Braunkärsch genannt
Brunnenkresse ist ein Blattgemüse und trägt den botanischen Namen 'Nasturtium officinale R. Brown'. Sie gehört zu den Kreuzblütengewächsen (Brassicaceae) und ist verwandt mit Gemüsesorten wie Rettich oder Radieschen. In Erfurter Mundart wird die Brunnenkresse Braunkärsch genannt. Sie ist, sagte Ralf Fischer nicht zu verwechseln mit der Kresse, die es im Supermarkt gibt. "Das ist Gartenkresse. Die wächst auf einem Vlies. Brunnenkresse wächst im Wasser, dafür haben wir unsere Quelle und ein eigenes Wasserrecht.“
In Erfurt wird das Wassergemüse seit 1630 angebaut und seit Mitte des 18. Jahrhunderts kultiviert. Das Wintergemüse hat einen sehr hohen Vitamin C-Gehalt. Außerdem ist sie reich an Eisen, Phosphor, Jod und sogar Kalzium. Ihr Anteil an Senfölen hemmt Bakterien und Viren. Sie ist eine wahre Power-Pflanze und wurde zum gesündesten Gemüse der Welt gekürt. Schon Kaiser Napoleon wusste sie zu schätzen und nahm bei seinem Besuch in Erfurt beide Kresse-Gärtner kurzerhand mit nach Frankreich. Dort hat die Brunnenkresse bis heute Kult-Status.
Anbau in der Klinge
Mit Ralf Fischer, dem einzigen noch verbliebenem Brunnenkresse-Gärtner in Erfurt, hat die Delikatesse ihren Meister gefunden. "Wenn ich an meiner Klinge bin, bin ich glücklich", sagt er. Schon seine Eltern haben Klingen in Erfurt Hochheim bewirtschaftet, schon als Kind hat er Kresse geschnitten, Unkraut aus dem stets elf Grad kalten Wasser gefischt und Körbchen für Körbchen ans "Ufer" getragen. Er will den Brunnenkresse-Anbau erhalten. Seit 2012 ist der traditionelle Klingen-Anbau ins Erfurter Denkmalbuch eingetragen. 2018 hat die Slowfood-Bewegung das Wildkraut in die Arche Noah der bedrohten Pflanzen aufgenommen. Damit gilt sie als besonders schützenswert.
Doch die historische Klinge der Fischers stand in den letzten Jahren immer wieder kurz vor dem Aus. Es gab Jahre fast ohne Ernte. Grund war eindringendes Schmutzwasser. Nach mehreren Vor-Ort-Terminen, Proben der Wasserbehörde und Gesprächen mit dem Nachbarn, dessen nicht bewirtschaftete Klinge mit ihrem Schmutzwasser als einer der Ursachen angenommen wird, sei das Problem jetzt, so hofft Fischer, weitgehend aus der Welt geschaffen. Die Nachbarn haben inzwischen aufgeräumt und sauber gemacht. "Das hat sehr geholfen. Es grünt, es sieht gut aus, die Kresse hat sich erholt", freut sich Fischer. In diesen Tagen hat die Ernte begonnen. Er rechne mit einem guten Ertrag. Zwischen sechs bis acht Kilo schneidet Fischer pro Woche ab. Das reicht für Stammkunden und Restaurants in der Region.
Frau Carola zaubert aus der Brunnenkresse gern einen herzhaften Wintersalat mit Zucker, Zitrone, einer Prise Salz und Öl. Aber auch Brunnenkresse-Butter oder Suppe seien "oberlecker". Die Fischers haben schon vor Jahren ein Brunnenkresse-Buch mit einer ganzen Liste von Rezepten herausgebracht.
Museum zur Brunnenkresse anlässlich der Buga 2021
Auch zur Bundesgartenschau 2021 in Erfurt soll das leicht scharfe Gemüse mit den kleinen grünen Blättchen seinen Auftritt haben. Dafür richtet Ralf Fischer auf seinem Hof gerade ein kleines Museum ein. Dort soll es Bild- und Tonvorträge geben. In Abstimmung mit dem Deutschen Gartenbaumuseum in Erfurt sollen Führungen angeboten werden. Dann will er die Kresse über den Sommer auch mal nicht ganz zurückschneiden. "Die Leute sollen an der Klinge auch was sehen". Deshalb steht Ralf Fischer in diesen Tagen nicht nur an seiner Klinge sondern auch auf der Leiter, malert und baut seinen kleinen Verkaufsraum um. Die Brunnenkresse soll, sagt er, nicht nur eine Vergangenheit, sondern auch eine Zukunft haben.
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | MDR Garten | 05. Dezember 2021 | 08:30 Uhr