Erfurter Gemüserarität Brunnenkresse - Unbekanntes Blattgemüse
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Nasturtium officinale
31. August 2022, 10:13 Uhr
Früher kannte jedes Kind in Erfurt die Brunnenkresse. Erfurt war die Kressehauptstadt Deutschlands. Heute gibt es noch einen einzigen professionellen Kresseanbauer in der Domstadt. Dabei ist das vitaminreiche Gemüse in der kalten Jahreszeit eine willkommene Abwechslung auf dem Speiseteller.
Brunnenkresse (Nasturtium officinale), wächst zwar nicht im Brunnen, wie der Name suggeriert, sondern in klarem, fließendem Wasser. In früheren Zeiten nannte man allerdings Quellen auch "Brünnlein" oder "Brunnen". Ebenso wie die Gartenkresse (Lepidium sativum) gehört sie zur großen Familie der Kreuzblütengewächse. Jedoch schmeckt Brunnenkresse sehr viel schärfer als Gartenkresse und wird auch anders kultiviert.
Das Wasser muss extrem rein und nährstoffreich sein, um Brunnenkresse anzubauen. Seine Temperatur sollte um die zehn bis zwölf Grad Celsius betragen, außerdem muss es ständig fließen. Unkraut und zu viel Sonne stören die Pflanzen ebenfalls. Erst dann entwickelt sie große, fleischige Blätter mit einer angenehmen Schärfe. Es braucht also viele Voraussetzungen, um das Blattgemüse zu kultivieren.
Kurze Geschichte des Brunnenkresseanbaus
Solch günstige Bedingungen gab es im 17. Jahrhundert um Erfurt herum. Das Gebiet zwischen Erfurt und Hochheim war damals eine Auenlandschaft die im Frühjahr regelmäßig überschwemmt wurde. Übers Jahr versorgten drei Quellen die Gegend mit Wasser. Die Brunnenkresse wucherte wild und üppig.
Rund 100 Jahre später, ließ Christian Reichert (1685-1775), der Begründer des modernen Gartenbaus, diese Wildnis bändigen. Künstliche Wassergräben, sogenannte Klingen wurden eingezogen, in denen man die Kresse kultivierte. Da sie in allen Monaten mit "r" im Namen geerntet wird, war sie damals eine geschätzte Ergänzung auf dem winterlichen Speiseteller.
Im 18. Jahrhundert war die Brunnenkresse dann als eine echte Erfurter Spezialität bekannt und berühmt. Besonders gern wird sich die Anekdote erzählt, dass Napoleon I. auf einer Geschäftsreise in Erfurt das Wintergemüse wird. Er war so begeistert, dass er sofort zwei Gärtner nach Frankreich kommen ließ. Diese bauten dann ab 1813 in der Nähe von Versailles, in St. Leonhard, Brunnenkresse an. Bis heute wächst und gedeiht sie dort.
Anbau von Brunnenkresse
Heute wird Brunnenkresse in Frankreich sehr viel stärker angebaut als in Deutschland. Méréville (Île-de-France) gilt als Hauptstadt des Brunnenkresseanbaus. Auch in Großbritannien oder Spanien wird sie kultiviert.
Anders als dort wird Brunnenkresse in Deutschland nur noch sehr vereinzelt angebaut. Von der einstigen Hochburg des Kresseanbaus ist in Erfurt nicht mehr viel geblieben. Ralf Fischer ist derzeit der letzte professionelle Brunnenkressebauer der Gegend. Er wirbt leidenschaftlich für eine Wiederbelebung seines Berufes.
Brunnenkresse selbst anbauen Interessierte Gärtner können sich auch selbst an der Kultivierung dieser speziellen Kresseart probieren. Im Handel sind entsprechende Samen erhältlich. Ausgesät wird in Erde, wichtig ist, dass die Kresse permanent feucht gehalten wird. Am besten sollte man sie natürlich in einem Gewässer kultivieren, wenn die Pflänzchen etwas größer sind. Man kann es jedoch auch in einem Topf mit Erde versuchen, der dann aber in einem Übertopf Wasser stehen muss. Das Wasser sollte täglich gewechselt werden und darf nicht zu warm sein.
Naturvorkommen von Brunnenkresse
Wild kommt Brunnenkresse an sauberen Bachläufen und Quellen vor. Da das Bachwasser meist kälter und weniger nährstoffreich ist als beim Brunnenkressebauer, wächst die Kresse langsamer und lagert mehr scharfes Senföl ein.
Übrigens kann die wilde Brunnenkresse leicht mit dem bitteren Schaumkraut (Cardamine amara), verwechselt werden, das auch den Beinamen Falsche Brunnenkresse trägt. Da beide Pflanzenarten bekömmlich sind, ist eine Verwechslung unproblematisch.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Garten | 04. September 2022 | 08:30 Uhr