Altes Handwerk Vergessene Faserpflanze: Die Brennnessel
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20. November 2023, 13:02 Uhr
Die Brennnessel war neben Flachs und Hanf einst eine wichtige Faserpflanze in Europa. Diese Nutzungsmöglichkeit ist jedoch komplett in Vergessenheit geraten. Brennnessel-Expertin Mechthilde Frintrup erklärt, wie die Fasern gewonnen werden.
Der richtige Sammelzeitpunkt
Den Brennnesseln die Faser zu entlocken, ist gar nicht so schwer. Die beste Sammelzeit ist der Spätherbst und Winter, wenn die Pflanze in die Ruhephase tritt, das Wachstum einstellt, die letzten Blätter verliert, aber noch nicht beginnt zu verrotten. Die Brennhaare sind dann nicht mehr zu fürchten. Die alten Stängel sollten noch aufrecht stehen. Je nährstoffreicher und ungestörter sie wachsen durften, umso höher und dicker sind sie.
Wenn die Stängel das grüne Chlorophyll verloren haben und hellbraun leuchten, verspricht das eine Ernte mit besonders guter Faser-Qualität. Aber auch aus noch grünen Stängeln lassen sich haltbare Fasern gewinnen.
Gesammelt wird am besten an einem trockenen Tag. Die langen Stängel werden dafür bodentief abgeschnitten.
Die Faser ernten - Schritt für Schritt
1. Zuerst alle Austriebe an den Knoten entfernen. Das geht am besten mit der Hand oder mit einer Gartenschere.
2. Am dicksten Ende beginnend am besten mit dem Fingernagel den Stängel aufritzen. An den Knotenstellen ist das gar nicht so einfach. Diese können vor dem Aufritzen mit einem Stein weichgeklopft werden. Der Stängel darf dabei jedoch nicht durchbrechen, damit die Fasern möglichst lang bleiben. Die Fasern sitzen in der Rinde des Stängels, während das Innere des Stängels verholzt ist.
3. Jetzt etwa sechs bis sieben Zentimeter links und rechts von einem Knoten das holzige Innere durchbrechen und abheben. Die Fasern zeigen sich unter dem Holz.
4. Dann vorsichtig den Faserstrang an der Knotenstelle vom Holz trennen. Auf diese Art und Weise auch die darauffolgenden Knotenstellen bearbeiten. Die Faser sollte dabei nicht reißen, sondern so lang wie möglich bleiben.
Im Winter, wenn kein Chlorophyll mehr im Stängel ist, sind die Fasern heller und weicher. Die Qualität ist dann besser.
Kordel aus Brennnesseln drehen
Die langen Fasern in der Mitte fassen und in einer Richtung fest verdrehen, bis von selbst eine Schlaufe entsteht. Dann beide Teile miteinander zu einer festen Kordel verdrehen.
Die Kordel ist fest und stabil und kann zum Anbinden im Garten genutzt werden. Draußen verrottet sie nach einer Saison. Drinnen hält sie als Bindematerial ewig.
Allerdings lockern sich noch grüne Kordeln, wenn sie ihre Feuchtigkeit verlieren. Sie blieben trotzdem reißfest und stabil.
Im Winter geerntetes Material ist trockener als im Herbst geerntetes, daraus lassen sich weiche und feine Fasern gewinnen, die sich auch zum Verspinnen eigenen.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Garten | 19. November 2023 | 08:30 Uhr