Kulturgeschichte Der Mond in Kunst und Kultur

29. April 2024, 13:14 Uhr

Der Mond war ein beliebtes Motiv in der Romantik und Schwarzen Romantik, wie sie beim Wave-Gotik-Treffen in Leipzig gelebt wird. Doch er scheint auch allgegenwärtig in der Literatur, Kunst, Musik und im Alltag. Ob in Gemälden wie Caspar David Friedrichs "Zwei Männer in Betrachtung des Mondes" oder in Filmen wie "Man in the Moon" – er steht für das Unheimliche und Märchenhafte. Aber warum fasziniert er die Menschheit so? Ein Streifzug durch die Kulturgeschichte des Mondes.

Die Faszination des Mondes ist Jahrtausende alt und heute so lebendig wie einst. Alle Menschen kennen ihn und fast alle sind an ihm interessiert. Das liegt vor allem an seinen sonderbaren Eigenschaften: Er spendet Licht in der Nacht, das nicht sein eigenes ist. Er verändert fortlaufend Größe, Farbe und Form, er kann Ozeane schrumpfen lassen und Fluten herbeiführen.

Die Flecke des Erdtrabanten entfachen die Fantasie der Menschen und seine abgeschiedene Rückseite bietet viel Raum für Spekulationen. Dabei ist er – bei allem Respekt – nichts weiter als eine kugelförmige Steinwüste ohne Atmosphäre, ohne Leben. Und doch scheint der Mond dem menschlichen Maß eher zu entsprechen als die Sonne mit ihrer enormen Strahlkraft.

Der Mond in der Religion

Sonne und Mond waren Kernelemente früher Religionen. Sie sah man, blickte man zum Himmel. Sie waren Bruder und Schwester oder ein ständig miteinander streitendes Paar: Bei den alten Griechen hieß die Mondgöttin Selen, bei den Römern Luna. Der römische Tag der Mondgöttin "lunae dies" wurde als Montag (Mond-Tag) ins Deutsche übernommen.

Im Rigveda, einem 4.000 Jahre alten Hindu-Text, gibt es ein Loblied auf die Hochzeit des Mondgottes mit der Sonnengöttin. Bei den Juden in der Provence des Mittelalters galt der Mond als beschmutzte oder böse Sonne. In Kulturen mit wärmeren Klima – wie in Indien, Mesopotamien oder Ägypten kam der Mond mit seiner kühlen Zurückhaltung in Anbetung und Bewunderung der Sonne gleich.

So verwundert es nicht, dass sich Monde in Zeugnissen früher Kulturen finden, wie bei der 5.000 Jahre alten Venus von Laussel, eine in Kalkstein geritzte Frauenfigur oder in den Felszeichnungen der Höhle von La Mouthe.

Auch die goldenen Ornamente der schönen Himmelsscheibe von Nebra (ca. 1.600 Jahre v. Chr.) lassen sich als Mondsichel oder verfinsterte Sonne interpretieren. Einige Wissenschaftler sehen darin einen Beweis, dass schon Bronzezeit-Menschen eine Kombination aus Sonnen - und Mondkalender benutzten.

Himmelsscheibe von Nebra
Die Himmelsscheibe von Nebra Bildrechte: IMAGO / Köhn

Der Mond in der Sagenwelt

Als der amerikanische Astronaut Neil Armstrong seinen Fuß in den Mondstaub setzte (1969), hatten dort längst fantastische Wesen ihre Spuren hinterlassen. Feen und Kröten waren da, entführte Kinder, grausige Teufel und Menschenfresser eilten dem Mondflieger voraus. Denn die Flecke des Erdtrabanten entfachten mannigfach die Fantasie der Menschen.

Da gibt es die Mondfee in der chinesischen Sagensammlung und den Mann im Mond der deutschen Sagenwelt: Ein Holzsammler, der an einem Sonntag Holz gestohlen haben soll und dafür auf den Mond verbannt wurde. Aufgegriffen in der wunderbar-schaurigen Geschichte "Peterchens Mondfahrt" von Gerdt von Bassewitz.

Zeichnung mit zwei weiß gekleideten Kindern, die einem Insekt hinterher in den Himmel fliegen. Über der Landschaft thront ein gelber Mond.
Illustrationen von Hans Baluschek aus dem Buch "Peterchens Mondfahrt" Bildrechte: Hans Baluschek

Weiblich, männlich oder?

Doch wie verhält es sich mit dem Geschlecht des Mondes? Ist sie weiblich, wie in fast allen romanischen Ländern, wo sie die lockende Frau Luna gibt? Oder doch eher männlich, wie bei den Deutschen, den Basken, den Finnen, Japanern oder Polen? Die ausgewogenste Lösung scheinen die Chinesen gefunden zu haben. Dort sind Mond und Sonne geschlechtslos und verschmelzen im Yin (schattig, kühl) und Yang (hell und warm) zu einer untrennbaren Einheit.

Der Mond in der Kunst

… schrieb Arthur Schopenhauer im Jahr 1819. Er wirke "so wohltätig, beruhigend und erhebend", weil er ein "Gegenstand der Anschauung, aber nie des Wollens" sei.

Etwa zur selben Zeit (1819/20) malte Caspar David Friedrich sein Bild "Zwei Männer in Betrachtung des Mondes" – die Ikone der romantischen Malerei. Aufklärer und Romantiker machten sich aus der Enge der Städte hinaus in die Natur und richteten ihren Blick zum Nachthimmel. Der Mond wurde dabei zur Projektionsfläche für alle denkbaren Träumereien.

Gemälde, zwei Männer stehen neben einem Baum und blicken über eine Landschaft über der eine Mondsichel hängt.
Caspar David Friedrichs Gemälde "Zwei Männer in Betrachtung des Mondes". Bildrechte: imago images/Everett Collection

Von Jakob Philipp Hackert über Johan Clausen-Dahl, von Ernst Ferdinand Oehme bis Caspar David Friedrich malten Klassizisten und Romantiker immer wieder mondbeschienene Landschaften. Friedrich ragte freilich unter den Mond-Malern heraus: Er entwickelte eine eigene Symbolik, die den aufgehenden Mond als Zeichen des auferstehenden Christus sah.

Der Mond ist gar nicht rein!

Schon in der Malerei der Renaissance wurde es lunar, stand doch der Mond für das Reine, das Unbefleckte. Gern versah man Maria mit dem Attribut der Mondsichel. Der Blick durch Galileis Fernrohr (1609) offenbarte jedoch das Unerhörte: Der Mond ist gar nicht rein! Er ist überzogen mit Kratern und Pusteln.

Dem gern verwendeten Motiv tat dies keinen Abbruch: Und so findet man den Mond bei Dürer bis Rauschenberg, bei Böcklin bis Vallotton, in den kühl-besinnlichen Nachtlandschaften eines Wolfgang Mattheuer oder ganz aktuell in einigen Bildern des Leipziger Malers Christian Brandl.

Der Mond in der Literatur

Der Mond ist in der Literatur das Zentralgestirn, wenn es um die Beleuchtung von Liebesszenen oder Schauplätzen des Verbrechens geht. Da stellt er sogar die Sonne in den Schatten.

Vom "verruchten deutschen Mond" fühlt sich ein preußischer Jurist in Wilhelm Raabes Erzählung "Deutscher Mondschein" verfolgt. Baron Münchhausen klettert an einer Bohnenranke zu ihm hinauf, um seine silberne Axt zurückzuholen. Der Geheimrat Goethe ruft ihn in einem Gedicht an und lässt Faust beim beschwerlichen Aufstieg auf den Blocksberg sinnieren:

Wie traurig steigt die unvollkommene Scheibe / des roten Monds mit spätem Glück herauf.

Aus "Faust" von Johann Wolfgang von Goethe

Worauf Mephisto – ganz seiner Art entsprechend relativiert: "Und leuchtet schlecht."

Die Comic-Helden Tim und Struppi erkunden den Mond auf einer wahrhaft abenteuerlichen Reise in den 50er-Jahren, während Vladimir Nabokov in seinem Meisterwerk "Fahle Feuer" (1962) vor dem trügerischen Spiel des Trabanten warnt. Dass auch heute noch der Mond Autoren fasziniert, beweist der populäre Thriller von Frank Schätzing, "Limit" (2009): Eine Zukunftsvision mit geopolitischem Plot.

Autor Frank Schätzing mit grauen Haaren  und Bart in einer braunen Lederjacke
Auch bei Bestseller-Autor Frank Schätzing wird es in "Limit" lunar. Bildrechte: IMAGO / Future Image

Vom Engländer Alexander Pope gibt es ein entzückendes Poem: "Die geraubte Locke" (1712-1714). Dieses Gedicht beschreibt, wofür der Mond zu dieser Zeit stand: Der Ort für verschwundene oder verlorene Dinge. Doch nicht nur Dinge, auch den Verstand konnte man bei seinem Anblick verlieren: Die Mondsüchtigen folgen ihm willenlos und der Wahnsinnige heißt noch heute bei den Angelsachsen: lunatic.

So spiegelt der Mond die vielfältigen Seiten unserer Seele. Der argentinische Dichter Jorge Luis Borges fasste es so in Worte:

Der Mond der Nächte ist nicht jener Mond, / den Adam sah. Lange Jahrhunderte /menschlichen Wachens habe ihn erfüllt / mit alter Klage. Schau. Er ist dein Spiegel.

Jorge Luis Borges, Dichter

Der Mond im Film

Nicht allein Menschen zieht der Mond in seinen Bann, auch Katzen, Hunde, Wölfe, Fledermäuse sind ihm verfallen – sie fauchen und jaulen ihn an. Und mischen sich mit Menschlichem:

Der Werwolf, dass vom Mond erschaffene Monster. Stopp! – stimmt nicht; nicht der Mond hat ihn erschaffen: Universal Pictures hatte die Idee. Nach Erfolgen mit Dracula- und Vampirfilmen brauchte man einen Nachfolger und so kam 1941 "Wolf Man" – nach eher unbekannter literarischer Vorlage in die Kinos. Viele Filme folgten und schufen ein eigenes Genre aus dem "An American Werewolf" (1981) von John Landis herausragt.

Ein Wolf heult nachts den Mond an
Der Mond zieht auch Tiere magisch in seinen Bann, wie hier den Wolf. Bildrechte: Colourbox.de

Noch heute liefert der Erd-Trabant immer neuen Stoff für Filme. Ob im "Man in the Moon" (1999) mit Jim Carrey (R.E.M. steuerte dafür die wunderbare Film-Musik bei) oder die Science-Fiction-Komödie "Iron Sky" (2012), in der Nazis auf der verborgenen Mondseite wertvolle Rohstoffe abbauen.

Der Mond in der Musik

Dieser verborgenen Seite des Mondes widmete die britische Rockband Pink Floyd ein ganzes Album ("The Dark Side of the Moon", 1973) und meinte damit eigentlich unser unergründlich-dunkles Ich. Überhaupt der musikalische Mond: "Mondscheinsonate" (Beethoven), "Claire de la lune" (Debussy), "Abendlied" (Matthias Claudius) oder "Siehst du den über Mond über Soho" (Brecht/Weill) sind allbekannt.

Frank Sinatra forderte seine Liebste auf "Fly Me To The Moon" und der Creedence-Clearwater-Revival-Song "Bad Moon Rising" dämpfte die Mondlandungseuphorie der 60er-Jahre. Im Turandot von Puccini erwartet ein Delinquent mit Aufgang des Mondes seine Hinrichtung. Doch für einen außergewöhnlichen Aspekte der Mondbetrachtung sorgte die BBC: Sie unterlegte die Mondlandung Armstrongs mit David Bowies "Space Oddity" (1969).

Auch die "Schwarze Szene" huldigte dem Mond musikalisch. So fragt Bauhaus "Who Killed Mr. Moonlight" (1983) oder "Siouxsie and the Banshees" folgt dem "Lunar Camel" (1980) auf eine erotische Reise.

Ian McCulloch von "Echo and the Bunnymen" ist schon als Kind vom Weltall fasziniert. Bowies "Space Oddity" ist einer seiner Lieblingssongs, den er mit seiner Band für "The Killing Moon" (1984) adaptiert. Ian ist so stolz auf sein Werk, dass er selbstbewusst verkündete, "The Killing Moon" sei der beste Song, der jemals geschrieben wurde. Ein Fall von Mond-Einfluss auf die Hybris des Künstlers?

Einfluss auf Körper und Geist?

Der Mond bewirkt mit seiner Anziehungskraft Ebbe und Flut, bringt also ganze Ozeane in Bewegung. Viele Menschen trauen ihm deshalb auch Einfluss auf ihren Körper und ihr Befinden zu. Sie suchen und finden in sogenannten Mondkalendern Rat. Fensterputzen, Holzhacken oder Leibesübungen, Operationstermine oder Medikamenteneinnahme: Hält man sich an den Rhythmus des Mondes, gelinge alles besser und müheloser.

Die meisten Behauptungen erweisen sich jedoch bei wissenschaftlicher Betrachtung als nicht haltbar: er beeinflusst weder den Haarwuchs, noch die Wundheilung oder die Geburtenrate. Nicht einmal Schlafstörungen sind wirklich in einen Zusammenhang mit den Mondphasen zu bringen.

junge Frau liegt im Bett und schaut auf einen Wecker
Manche Menschen haben das Gefühl, bei Vollmond schlechter zu schlafen – wissenschaftlich bewiesen ist ein Zusammenhang jedoch nicht. Bildrechte: imago images/blickwinkel

Mond-Wasser und Mond-App

Mittlerweile bieten Internet und manchmal auch der Supermarkt Mond-Lebensmittel an. Da gab es schon den Mond-Käse, die Mond-Salami und das Vollmondbier. Vor allem aber das Mond-Wasser – bei Vollmond abgefüllt – scheint es den Leuten angetan zu haben: Energieblockaden sollen sich lösen, Migräne und Verdauungsbeschwerden verschwinden.

Doch damit nicht genug: Mond-Kosmetika sind in den letzten Jahren auf dem Vormarsch. Hersteller versprechen strahlende Haut, glänzendes Haar und leuchtende Augen. Und wem das noch nicht reicht, der lade sich eine Mond-App (z.B. Deluxe Moon) auf sein Smartphone und lasse sich vom digitalen Mond leiten.

Mondschau

Es gäbe noch viele lunare Geschichten zu erzählen, z.B. dass einer der ersten Filme überhaupt Georges Méliès’ "Reise zum Mond" von 1902 war oder dass die Gemeinschaft der Weltverschwörer noch immer an die von Regisseur Stanley Kubrick ("2001: Odyssee im Weltraum") in Szene gesetzte, falsche Mondlandung glaubt. Doch halten wir es eher mit dem koreanischen Videokünstler Nam June Paik, der seine 1967 geschaffenen Videoinstallation "Moon is the Oldest Television" nannte. Also: Computer aus und Mond gucken!

Mond und Sterne am Nachthimmel
Unser ältester Fernseher: der Mond Bildrechte: Colourbox.de

Buchtipps Bernd Brunner: "Der Mond"
Taschenbuch, 280 Seiten
Kunstmann, 2011
ISBN: 978-3-8889-7732-9

Joachim Kalka: "Der Mond"
Gebundene Ausgabe, 160 Seiten
Berenberg Verlag, 2016
ISBN: 978-3-9463-3403-3

Dieses Thema im Programm: MDR JUMP | 19. Februar 2019 | 09:50 Uhr

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