Kulturhauptstadt 2025 Chemnitz: So viel Theater bietet die Stadt in Sachsen
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25. Oktober 2024, 04:00 Uhr
Nach Dresden und Leipzig ist Chemnitz die drittgrößte Metropole in Sachsen, die vor allem mit technischen Innovationen verbunden wird. Doch die vermeintlich "graue" Stadt konnte sich mit der Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt 2025 durchsetzen. Zum einen, weil die ganze Stadtgemeinschaft darum zu kämpfen schien, zum anderen hat Chemnitz kulturell mehr zu bieten, als es auf den ersten Blick scheint. Darauf spielt auch das Motto an: "C the Unseen". Ein Überblick über die Bühnen von Oper, Ballett und Figurentheater bis zur freien Szene.
Die Theaterszene in Chemnitz – eigentlich die gesamte Kunst- und Kulturszene der Stadt – ist relativ klein und gut überschaubar. Doch genau darin liegt ihr Wert: Wer in der "grauen" Stadt etwas auf die Bühne bringen will, versucht nicht einfach auf ein Karriere-Sprungbrett zu hüpfen, sondern will wirklich etwas für die Stadt schaffen. Alle Akteur*innen werden als Bereicherung für die Stadt wahrgenommen. Und wer noch Unterstützung beispielsweise in Form von Probenräumen oder musikalischer Untermalung sucht, wird in Chemnitz schnell fündig. Man kennt und hilft sich.
Ballett und Oper: Romantisch, klassisch und modern
In Chemnitz ist das Theater zentral: Drei breite Straßen laufen vor dem Theaterplatz zusammen, wo das Opernhaus gemeinsam mit den Kunstsammlungen und der Petrikirche ein architektonisch beeindruckendes Ensemble bildet. 1909 wurde das Theaterhaus mit Wagners "Parsifal" eingeweiht – und noch heute kommt diese Wagner-Tradition wieder vor.
Ende der 80er-Jahre wurde eine umfassende Sanierung geplant, die auch nach der Wiedervereinigung planmäßig vollendet werden konnte. Während die historische Fassade bewahrt wurde, überrascht das Haus innen mit einer modernen und hellen Ausstattung, zu der auch moderne Kunst in Form von Gemälden und Skulpturen gehört.
Erst vor wenigen Jahren machte das Haus bundesweit auf sich aufmerksam, als es vier Regisseurinnen einlud, jeweils einen der vier Teile des "Ring des Nibelungen" zu inszenieren. Zuletzt konnte auch "Lohengrin" überzeugen. Das Programm der Opernsparte verlässt sich mit einigen Ausnahmen auf das erprobte Repertoire, deren Inszenierungen gerne mit großen Bildern und einem zeitgenössischen, aber nicht modernistischen Blick überzeugen. Opernfans kommen hier also auf ihre Kosten: Immer wieder machten später erfolgreiche Solist*innen hier ihre ersten Schritte.
Auch das Chemnitzer Ballett ist im Opernhaus beheimatet, das seit 2017 von Sabrina Sadowska geleitet wird. Die Arbeit der Choreografin ist stark geprägt vom klassischen Ballett des 19. Jahrhunderts – mit Spitzentanz und Sprüngen, die die Tänzer*innen fliegen lassen. Doch Sadowska bleibt dabei immer für die Moderne offen: Ihre Märchenstücke besitzen einen zeitlosen Glanz und sie lädt immer wieder Gäste ein, die eine andere Tanzsprache nutzen. Auch das Festival Tanz|Moderne|Tanz richtet sie aus.
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Opernhaus
Theaterplatz 2
09111 Chemnitz
Barrierefreiheit:
Der Zugang zum Opernhaus ist für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen möglich. Es stehen zwei Parkett-Plätze für Menschen im Rollstuhl zur Verfügung. Diese müssen telefonisch oder vor Ort angefragt werden. Menschen mit Hörgeräten können sich über eine Induktionsschleife akustische Signale direkt übertragen lassen.
Figurentheater im Spinnbau: Junges Ensemble, spannende Stoffe
Zu den Städtischen Theatern gehören noch zwei weitere Sparten, die eigentlich auch ihr eigenes Haus bespielen. Das wird aber noch bis 2026 saniert und so lange sind Schauspiel und Figurentheater in einem alten Industriebau untergekommen: dem Spinnbau.
Das Schauspiel kombiniert gerne klassische mit modernen Stoffen. Das Ensemble brachte beispielsweise Paula Irmschlers Chemnitz-Roman "Superbusen" auf die Bühne oder versetzte Shakespeares "Sommernachtstraum" in die Postapokalypse. Auf dem Spielplan stehen auch Texte von Elfriede Jelinek oder Sophokles. Dabei überzeugt das junge Ensemble (darunter auch einige Studierende) mit viel Energie.
Am meisten fällt wohl das Figurentheater heraus. Gundula Hoffmann leitet die Sparte bereits seit 2014. Als Regisseurin findet sie immer wieder interessante Stoffe und spannende Spielweisen für die zu erzählenden Geschichten.
Neben Märchen und Kindergeschichten wagt sich das Ensemble auch immer wieder an Arbeiten für älteres Publikum wie einer Adaption von Storms "Schimmelreiter". Für "So glücklich, dass du Angst bekommst" konnte sie Miriam Tscholl gewinnen, die ehemalige Gastarbeiter*innen aus Vietnam auf die Bühne einlud, wo ihre Geschichten mit Puppen nacherzählt wurden.
Weitere Hinweise (zum Ausklappen)
Spinnbau
Altchemnitzer Straße 27
09120 Chemnitz
Barrierefreiheit:
Der Zugang zum Gebäude ist über eine Rampe möglich. Es sind rollstuhlgerechte Plätze vorgesehen. Auf Anfrage können auch mehr Plätze bereitgestellt werden.
Fritz Theater: Gekonnte Unterhaltung
Das Fritz Theater im Chemnitzer Osten ist der Ort für diejenigen, die leichte Unterhaltung mit Anspruch suchen. Früher war das Haus ein Lichtspieltheater, das für den Bühnenbetrieb umgerüstet wurde. Seit 2010 betreibt das Gründungsteam mit Isabelle Weh, Alica Weirauch und Hardy Hoosmann ein freies Theater, das sich ein festes Ensemble leistet – auch dank einer institutionellen Förderung durch die Stadt Chemnitz. Zum Programm gehören hier vor allem Komödien und Kriminalstücke. Es ist jedoch wichtig, sich rechtzeitig um Tickets zu kümmern, denn die Produktionen sind schnell ausverkauft.
Weitere Informationen (zum Ausklappen)
Fritz Theater
Kirchhoffstraße 34
09117 Chemnitz
Barrierefreiheit:
Das Fritz Theater ist nur eingeschränkt barrierefrei: Die Eingangsstufen können mit einer mobilen Rampe überwunden werden. Eine rollstuhlgerechte Toilette ist nicht vorhanden. Weitere Maßnahmen sind in Planung.
Theater KOMPLEX: Neue Perspektiven
Theater hat immer auch viel mit Glauben zu tun, doch besonders trifft das auf die Off-Bühne KOMPLEX in Chemnitz zu, die in dem ehemaligen Versammlungsraum einer Freikirche untergekommen ist. Dabei ist der Sonnenberg vielleicht nicht der Ort, wo man Theater vermuten würde, da er gemeinhin als etwas verrufen gilt. Genau deswegen hat das Viertel ein Theater wie das KOMPLEX gebraucht, das Leerstand belebt und Theater für eine andere Zielgruppe machen möchte.
Die Leiterin der kleinen Bühne, Heda Bayer, ist nach ihrem Studium in Chemnitz geblieben und beobachtete, dass hier Theater für Publikum gemacht wurde, das schon dazu gehört, sich mit Opern auskennt und die Witze über die Chemnitzer Stadtgeschichte auf Anhieb versteht. Sie wollte Theater ermöglichen für diejenigen, die erst später in die Stadt, vielleicht sogar ins Land gekommen sind.
Das Theater KOMPLEX und der dazugehörige Verein Taupunkt e.V. holen verschiedene Gastspiele aus der Freie Szene Sachsens und der ganzen Welt nach Chemnitz. So zeigt das in Leipzig gegründete Festival Off-Europa beispielsweise einen Teil seines Programms auf der kleinen Bühne. Aber der Verein ermöglicht auch eigene (Ko-)Produktionen.
Mit Unterstützung verschiedener Residenzprogramme laden sie zum Beispiel deutsche und internationale Theaterschaffende ein, die Stadt kennenzulernen und neue Stücke zu entwickeln. Die gezeigten Arbeiten gehören vorrangig in die Kategorien Performance und Tanztheater. Es werden meist gesellschaftlich relevante und auch junge Themen mit gewagteren Formen als dem klassischen Drama verarbeitet.
Weitere Informationen (zum Ausklappen)
Off-Bühne KOMPLEX
Zietenstraße 32
09130 Chemnitz
Weltecho: Alternativ, bunt und einzigartig
Das Weltecho ist vielleicht der wichtigste Ort für junge und alternative Kulturangebote in Chemnitz. Regelmäßig treten hier junge und gefragte Bands, Solo-Acts und DJs auf. Außerdem werden in dem ehemaligen Zeitungshaus regelmäßig Ausstellungen und auch Theaterprojekte gezeigt.
Dabei verfolgt das Team keine feste Programmatik, sondern arbeitet mit anderen Akteur*innen der Freien Szene zusammen und bietet unterschiedlichen Produktionen eine Bühne. So findet jedes Jahr das kleine Festival "Kammermachen" statt.
Weitere Informationen (zum Ausklappen)
Weltecho
Annaberger Straße 24
09111 Chemnitz
Barrierefreiheit:
Alle Bereiche des Weltecho sind mit geringen Barrieren für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen erreichbar. Der Innenhof ist mit Mosaikpflaster ausgelegt, der Echogarten mit Kopfsteinpflaster. An diesen Orten befinden sich rollstuhlgerechte Toiletten. Kleinere Treppen können mit Rampen überwunden werden.
Die oberen Etagen sind mit Hilfe der Security über einen Aufzug erreichbar.
Das Café, wo vor allem Theaterveranstaltungen stattfinden, ist ebenerdig erreichbar.
Die Freie Szene: Bespielt die Stadt
Die Freie Theaterszene in Chemnitz würde vermutlich den kleinsten Saal nicht füllen, aber ist umso mehr daran interesssiert, in die Stadt zu wirken. Dazu gehört beispielsweise Gabi Reinhardt. An Chemnitz schätzt sie, dass im Gegensatz zu Leipzig oder Berlin die Mieten noch erschwinglich sind und sie so Freiräume bespielen kann.
In ihren Arbeiten beschäftigt sie sich oft mit feministischen Themen. So hat sie in ihrem "Balkonballett" mit Bewohner*innen eines Chemnitzer Plattenbaus verschiedene Nummern erarbeitet, die auf den eigenen Balkonen inszeniert wurden.
Ein wichtiger Akteur ist auch der ASA-FF e.V. mit dem Projekt "neue unentd_ckte narrative 2025". Dabei sollen neue Erzählräume geschaffen werden, die sich vor allem für eine weltoffene und demokratische Gesellschaft und gegen Rechtsextremismus einsetzen. So entstand zuletzt eine Arbeit auf der digitalen Bühne: ein interaktiver Comic über Gastarbeiter*innen aus Vietnam. Der Verein war aber auch maßgeblich an dem Stück "So glücklich, dass du Angst bekommst" beteiligt.
Fast zeitgleich mit der Nominierung von Chemnitz zur Kulturhauptstadt 2025 haben sich die Theatermacher*innen im Verein Verband der Freien Darstellenden Künste in Chemnitz organisiert, der aktuell von Frauke Wetzel vom ASA-FF geleitet wird. So wollen sie die Zusammenarbeit weiter verstärken und mehr Einfluss auf die Stadtpolitik nehmen, um mehr Förderung zu erhalten.
Für sie ist das Kulturhauptstadtjahr 2025 auch mit vielen Hoffnung verbunden: dass sich neben Gastspiel-Ensembles auch die Freie Szene vor Ort präsentieren kann und die Menschen in und um Chemnitz feststellen, wie vielfältig die "graue" Stadt ist.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 30. Januar 2023 | 08:40 Uhr