Lesezeit | 14.10. bis 17.10. 2024 Corinna Harfouch liest "Eine Frau" von Annie Ernaux
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14. Oktober 2024, 04:00 Uhr
Eindringliches Porträt einer Frau, ihrer Zeit und ihres Milieus
1986 stirbt die Mutter von Annie Ernaux. In allen Bereichen des Alltags wird die Tochter in den Tagen danach mit diesem Verlust konfrontiert. Im Schreiben geht sie schließlich auf die Suche nach der Wahrheit über ihre Mutter, denn Wahrheit kann laut Ernaux "nur durch Worte gefunden werden". Die Schriftstellerin bewegt sich dabei an den Grenzen von Geschichtsschreibung, soziologischer Betrachtung und eigener Biografie. Im Klappentext von "Eine Frau" ist die Rede von einem "Requiem" – "voller Zärtlichkeit und Abscheu und Schuldgefühl".
Ernauxs Mutter, um die Jahrhundertwende in der Normandie geboren, war erst Arbeiterin, dann Ladenbesitzerin, wurde Ehefrau und zweifache Mutter. Es gab eine Zeit, in der sie lebenslustig und offen war, bis Alzheimer Körper und Geist zerstörten. Die Beziehung zur Tochter Annie war grob und gleichzeitig liebevoll. Sie sollte alles haben, was die Mutter selbst nicht hatte – den resultierenden Stress aber bekam die Tochter ebenfalls zu spüren. Mit zunehmender Bildung entfernt sich die Tochter schließlich von der Mutter. Ihr gelingt es, was die Mutter Zeit ihres Lebens versuchte: den eigenen sozialen Status überwinden.
Über die Schriftstellerin Annie Ernaux
Annie Ernaux bezeichnet sich als "Ethnologin ihrer selbst". Sie ist eine der bedeutendsten französischsprachigen Schriftstellerinnen unserer Zeit, ihre zwanzig Bücher sind von Kritik und Publikum gleichermaßen gefeiert worden. 2022 erhielt sie den Nobelpreis für Literatur 2022. Das Nobelkomitee würdigt Ernaux "für den Mut und die klinische Schärfe, mit der sie die Wurzeln, Entfremdungen und kollektiven Beschränkungen der persönlichen Erinnerung aufdeckt."
Ernaux wurde 1940 in Lillebonne in der Normandie geboren und wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Ihr Vater war einfacher Arbeiter und ihre Kindheit geprägt vom frühen Tod ihrer älteren Schwester. Nach dem Studium der Neueren Literatur wurde sie zunächst Lehrerin an einem Gymnasium. Im Jahr 1974 erschien ihr erster Roman "Les armoires vides" ("Die leeren Schränke"). Als sie sich 1980 scheiden ließ, war sie Mutter von zwei Kindern. Vier Jahre später erschien "La Place" ("Der Platz"), für den sie den Renaudot-Preis erhielt. Der Roman handelt von ihrem Vater und ihrem eigenen sozialen Aufstieg. In "Eine Frau" dagegen ruft sie Erinnerungen an ihre Mutter ab. Ihr bedeutendstes Werk schuf sie 2008 mit "Les Années" ("Die Jahre"). Annie Ernauxs Bücher sind bei Suhrkamp erschienen.
Über die Schauspielerin Corinna Harfouch
Corinna Harfouch, geboren am 16. Oktober 1954 in Suhl/Thüringen, studierte von 1978 bis 1981 an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Heiner Müller holte sie als Nachwuchstalent an die Berliner Volksbühne. Ihre erste Hauptrolle übernahm sie 1988 im DEFA-Film "Die Schauspielerin".
An der Volksbühne machte sie Furore in Frank Castorfs Inszenierung von Zuckmayers "Des Teufels General". Für ihre Darstellung des Generals Harras wurde sie mit dem Gudrun Eysold-Ring ausgezeichnet und von der Zeitschrift "Theater heute" zur Schauspielerin des Jahres gewählt. Sie hatte Auftritte in Kinofilmen wie "Der Untergang" (2004), "Elementarteilchen" und "Das Parfüm" (beide 2006). 2019 spielte sie die Titelrolle im preisgekrönten Filmdrama "Lara", 2022 war sie zu sehen in der Literaturverfilmung des Bestsellers von Mariana Leky "Was man von hier aus sehen kann". Sie wurde vielfach geehrt, u. a. mit dem Bayrischen Filmpreis, dem Adolf-Grimme-Preis und zuletzt mit dem Deutschen Filmpreis für ihre Hauptrolle in dem Spielfilm "Sterben" von Matthias Glasner.
Bei MDR KULTUR stand Corinna Harfouch 1996 im Radiostück "Medea" nach Christa Wolf vor dem Mikrofon. Sie wirkte in verschiedenen Hörspielen mit, unter anderem in "Das Büro am Ende des Brückenbogens" (2003) von Wolfgang Krause Zwieback, in Yasmina Rezas "Der Gott des Gemetzels" (2008) und in "Gespräch mit meiner Mutter" von André Herzberg. Zuletzt trat sie auf in dem zweiteiligen Hörspiel "Werktage", die Arbeitsbücher von Volker Braun.
Angaben zur Sendung
MDR KULTUR Lesezeit
14.10. - 17.10. 2024
Eine Frau
Von Annie Ernaux
Es liest: Corinna Harfouch
In der Übersetzung von Sonja Finck
(4 Folgen)
Produktion: DAV 2023
Sendung im Radio: 14.10. - 17.10. 2024 | Montag bis Freitag 9:05 Uhr und in der Wiederholung: Montag bis Freitag 19:05 Uhr
Die Lesung steht hier bis zum 12. November 2024 zum Hören bereit.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR Lesezeit | 14. Oktober 2024 | 09:05 Uhr