Zeichnung einer Zitrusfrucht aus dem 17. Jahrhundert
Das Werk "Hesperides" über Zitrusfrüchte ist eines der rund 50.000 Bücher, die bei dem Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar zerstört wurden. Bildrechte: imago images/Artokoloro

Großbrand am 2. September 2004 Weimar: Diese Bücher wurden beim Brand der Anna Amalia Bibliothek zerstört

02. September 2024, 10:54 Uhr

Vor 20 Jahren brannte die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar. Einige der von Flammen und Löschwasser geschädigten Bücher konnten zwar aufwendig restauriert werden, doch rund 50.000 Werke sind unwiederbringlich verloren. Es sind nicht einfach nur Bücher, sondern kulturelle Schätze. Dazu zählen etwa barocke Liebeslieder, das erste deutsche Fachbuch über Schach, das 1616 in Leipzig erschien, ein Buch über Zitrusfrüchte oder ein Werk des berühmten Gelehrten Galileo Galilei. Sieben kostbare Bücher, die bei dem Brand zerstört wurden:

1. Liebeslieder und -lyrik von Kaspar von Stieler

Es wurde lange gehofft, das Buch "Die Geharnschte Venus" oder "Liebes-Lieder im Kriege" (Hamburg, 1660) doch noch unter den Aschebüchern (aus dem Brandschutt gerettete Buchblöcke und Fragmente) zu finden. "Die Geharnschte Venus" enthält 70 barocke Liebeslieder, mit denen Stieler dem Dreißigjährigen Krieg zeitkritische Liebeslyrik entgegensetzt. Es gehörte zu einer sehr seltenen Auflage aus der Sammlung der Fruchtbringenden Gesellschaft (1617–1680).

Die Fruchtbringende Gesellschaft war die erste deutsche Sprachakademie, die wichtige Grundlagen für die Herausbildung einer deutschen Literatursprache schuf. Im Umkreis der Gesellschaft entstanden im 17. Jahrhundert bedeutende Arbeiten zur Sprach- und Literaturtheorie und einige der schönsten Gedicht- und Liedersammlungen des Barock. Durch den Brand wurden etwa 20 Prozent des Bestandes zur Fruchtbringenden Gesellschaft zerstört.

2. Erfindungen von Johann Ernst Elias Bessler

Der aus Sachsen stammende Johann Ernst Elias Bessler (1681–1745), der sich Orffyreus nannte, war für seine als Besslerräder bezeichneten Perpetuum mobile bekannt, die, wie man weiß, nur mehr oder weniger gut funktionieren. "Das neu erfundene orffyreische Schiff" (1738) war in einen Sammelband eingebunden, der noch weitere Titel zu Erfindungen der damaligen Zeit enthielt, beispielsweise aus gedrucktem Papier neues Papier herzustellen oder aus allen Eisen Stahl zu machen. Insgesamt waren es elf Erfindungen, die man nur noch auf einem Mikrofiche ansehen kann.

Blick auf das Titelblatt eines alten Buches mit verschiedenen altdeutschen Schrifttypen.
Diese Buch voller Erfindungen liegt nur noch als Kopie vor. Bildrechte: Klassik Stiftung Weimar

3. Reiseberichte von Schifffahrten von Levinus Hulsius

Die Buchreihe "Schifffahrten" (Frankfurt a. M., 1602-1629) mit Reiseberichten von 26 Schifffahrten in verschiedenste Länder wurde von dem holländischen Verleger Levinus Hulsius (1546–1606) publiziert. Unter den Berichten befinden sich die Entdeckungsreisen von Hudson in die Arktis und nach Nordamerika, Harmors Geschichte von Pocahontas oder die Beschreibung von Neuengland durch John Smith. Die einzelnen Schifffahrten sind größtenteils mit Kupfertafeln und Kupferkarten versehen, deren Ausmalungen von Hand erfolgten.

Ein historisches Buch  über Schifffahrten von Levinus Hulsius
Auch dieses Buch über Schifffahrten namhafter Entdecker wie John Smith wurde beim Brand der Anna Amalia Bibliothek in Weimar zerstört. Bildrechte: Klassik Stiftung Weimar/Herzogin Anna Amalia Bibliothek

4. Das erste deutsche Fachbuch für Schach von 1616

Das Buch "Das Schach- oder König-Spiel" von Gustavo Seleno in vier unterschiedene Bücher abgefasset von August von Braunschweig-Lüneburg (Leipzig 1616) könnte man als erstes deutsches Fachbuch über das Schachspiel bezeichnen, denn August von Braunschweig-Lüneburg versucht darin, Schach als wissenschaftliche Disziplin zu verorten. Er stellt Regeln und Figuren vor und zeigt etliche Eröffnungsvarianten. Das Buch ist wegen seiner aufwendigen Gestaltung sehr wertvoll. So stammt der Kupferstich des Titelblattes von dem Augsburger Kupferstecher Lucas Kilian (1579–1637).

5. "Hesperides" – bedeutendes Zitruswerk des 17. Jahrhunderts

Die "Hesperides" von Giovanni Battista Ferrari (Rom 1664) sind das berühmte Zitruswerk des 17. Jahrhunderts. Es behandelt die Kultivierung und Nutzung von Zitrusfrüchten. Das verbrannte Exemplar stammte sehr wahrscheinlich aus der Bibliothek des Breslauer Juristen Balthasar Friedrich von Logau (1645–1702), dessen Bibliothek 1704 von der Herzoglichen Bibliothek angekauft wurde. Die Kupferstiche im Weimarer Exemplar waren nicht koloriert.

Für die Orangerie am Schloss Belvedere in Weimar war das Buch von besonderer Bedeutung: Hunderte Bitterorangenbäume zählten in den besten Zeiten zum Bestand der Orangerie.

Zeichnung einer Zitrone mit Blatt, darunter eine aufgeschnittene Zitrusfrucht
Die "Hesperides" aus dem 17. Jahrhundert widmen sich der Nutzung und Kultivierung von Zitrusfrüchten. Bildrechte: imago images/Artokoloro

6. Buch über Äthiopien mit einzigartigen Randnotizen

Das Buch "Historia Geral De Ethopia A Alta, Ou Preste Joam" von Manuel de Almeida und Balthazar Telles Telles (Coimbra 1660) über die Geschichte Äthiopiens diente dem Begründer der äthiopischen Philologie Hiob Ludolf (1624-1704) als Hauptquelle für seine Äthiopien-Studien. Er hat darin zahlreiche handschriftliche Randbemerkungen hinterlassen. Diese Kommentare waren einzigartig. Der Verlust ist für die Forschung und das kulturelle Erbe gleichermaßen schwerwiegend.

7. Bahnbrechendes Werk von Galileo Galilei zu Sonnenflecken

Mit dem Werk "Istoria E Dimostrazioni Intorno Alle Macchie Solari E Loro Accidenti" (Rom 1613) hat Galilei nicht nur zur astronomischen Forschung einen Beitrag geleistet, sondern auch zur Entwicklung der modernen italienischen Sprache. Es enthält erste bahnbrechende Beobachtungen der Sonnenflecken mit den neuen Möglichkeiten des Teleskops. Der Titel von Galilei befand sich in einem Sammelband zusammen mit fünf weiteren Werken zur Astronomie unterschiedlicher Autoren.

Brandverluste der Herzogin Anna Amalia Bibliothek

Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek ist weiterhin dabei, verlorengegangene Bestände zu ersetzen. Auf der Webseite "Brandverluste" können die Verluste eingesehen werden, für den Fall, dass Bibliotheken oder Einzelpersonen Titel aus dieser Datenbank der Bibliothek überlassen können.

Redaktionelle Bearbeitung: Lilly Günthner

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Nach dem Brand der Anna Amalia Bibliothek 2004 konnten 25.000 Aschebücher geborgen werden. Beschädigte Buchfragmente, die noch in Depots lagen, will der Direktor der Bibliothek nicht verloren geben. Bildrechte: picture alliance / dpa | Martin Schutt

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 16. August 2024 | 09:00 Uhr

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