Gemälde von Caspar David Friedrich, das eine düstere Szene zeigt, ein Mann steht bei Mondschein vor einem Steingrab
Caspar David Friedrich prägte die Romantik mit Bildern wie diesem, in dem die düstere Seite der Epoche zum Vorschein kommt. Bildrechte: imago images / Artokoloro

Empfehlungen Horror, Vampire und Geister: Sechs gruselige Geschichten zu Halloween

30. Oktober 2024, 08:21 Uhr

Wer sich zu Halloween richtig schön gruseln will, sollte einen Blick in die Literatur wagen. Gerade in der Epoche der Romantik entstanden viele Geschichten über Geister und Vampire. In Film-Klassikern wie "Nosferatu" oder Blockbustern wie "Twillight" leben sie auf, selbst aus der Kinderliteratur sind "Der kleine Vampir" oder "Das Schulgespenst" nicht wegzudenken. Inspiriert sind sie durch Werke, die zur Zeit der Romantik auch im heutigen Thüringen und Sachsen entstanden. Sogar Goethe lieferte Horror-Literatur. Sechs schaurige Lese-Empfehlungen.

Johann Wolfgang von Goethe: "Die Braut von Korinth" – eine Geisterballade

Goethe war kein Romantiker. Anders als seine Jenaer Dichterkolleginnen und -kollegen August Wilhelm, Friedrich und Caroline Schlegel, Novalis, Ludwig Tieck, Dorothea Veit und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, die sich im noch heute zu besichtigenden Romantikerhaus trafen. Als Zeitgenosse stand er ihnen ablehnend gegenüber. Dabei waren seine und Friedrich Schillers Werke des Sturm und Drang quasi Vorboten der Romantik, hoben sie doch Subjektivität und die Macht der Empfindung hervor. In Goethes "Braut von Korinth" wird geschildert, wie der Geist der verstorbenen Geliebten ihren Verlobten ins Jenseits holt – allerdings in Form einer klassischen Ballade. So romantisch – im literaturgeschichtlichen Sinne – war der Dichterfürst dann doch nicht.

Eine weiße Büste von Johann Wolfgang von Goethe vor schwarzem Hintergrund
Goethe war nicht gerade ein Romantiker, doch eine Geistererscheinung gibt es in seiner Ballade "Die Braut von Korinth". Bildrechte: picture alliance / dpa | Fredrik Von Erichsen

Buchtipp (Zum Aufklappen)

Goethe Schiller Balladen
Herausgegeben von Karl Eibl
Insel-Taschenbuch
ISBN: 978-3-458-32975-6

Gottfried August Bürger: "Leonore" Inspiration für Edgar Allan Poe und Bram Stoker

Auch Gottfried August Bürgers Ballade "Leonore" gehört eher in die Periode des Sturm und Drang. Doch ihr schauriger Inhalt inspirierte Edgar Allan Poe. In seiner wichtigsten Schauer-Ballade "The Raven" benennt er seine Frauenfigur nach Bürgers Leonore. Bram Stoker entlehnte die Zeile "die Toten reiten schnell" aus Bürgers Ballade für seinen Gruselklassiker "Dracula". Wie in Goethes "Die Braut von Korinth" erfüllte sich auch in Bürgers Ballade die Liebe erst im Totenreich. Der in der Schlacht gefallene Geliebte holt als Geist seine Leonore zu sich ins Grab – allerdings zur Strafe, weil sie an Gottes Willen zweifelte.

Zeitgenössiche Zeichnung von Gottfried August Bürger, dessen Porträt auf einem Sockel steht und von Pfalnzen umrankt ist
Gottfried August Bürgers Ballade "Leonore" inspirierte die Meister des Grusel-Genres Edgar Allan Poe und Bram Stoker. Bildrechte: imago/imagebroker

Buchtipp (Zum Aufklappen)

Gottfried August Bürger: Liebesgedichte und Balladen
Herausgegeben von Klaus Damert
Verlag BoD – books on demand
ISBN: 978-3-7504-3058-7

August Apel und Friedrich Laun: "Das Gespensterbuch" – die dunklen Hausmärchen

In Leipzig erschien in der Hochzeit der literarischen romantischen Epoche eine siebenbändige Sammlung von gespenstischen und übernatürlichen Geschichten, das düstere Gegenstück zu den Hausmärchen der Gebrüder Grimm. August Apel und Friedrich Laun griffen dabei auf heimische volkstümliche Erzählungen, französische Feenmärchen und Motive aus dem Orient zurück. Eine von Apels Gespensterbuch-Geschichten schlug große Wellen und lieferte in leicht abgewandelter Form die Vorlage zum Libretto für eine der wichtigsten Opern der Romantik: Carl Maria von Webers musikalische Bearbeitung des "Freischütz" wurde die erste deutsche Nationaloper.

Historisches Titelblatt der Oper 'Der Freischütz'
August Apel und Friedrich Laun lieferten mit ihrer Gespenstergeschichten-Sammlung auch eine Vorlage für den "Freischütz" von Carl Maria von Weber. Bildrechte: IMAGO / UIG

Buchtipp (Zum Aufklappen)

August Apel und Friedrich Laun: Das Gespensterbuch
Verlag Bookmundo direkt
ISBN: 978-94-036-2166-1

Heinrich Marschner und Wilhem August Wohlbrück: "Der Vampyr" – ein Vampir als Held in der Oper

Nur einige Jahre nach dem "Freischütz" feierte 1828 die Oper "Der Vampyr" in Leipzig Premiere. Komponist Heinrich Marschner und Librettist Wilhem August Wohlbrück sind heute fast vergessen, doch ihr Werk machte damals europaweit Furore. Die Romantik war Zeitgeist geworden als Gegenbewegung zur Aufklärung und deren rationaler Welt-Erklärung. Individualität und Nationalismus, die Faszination fürs Irrationale und die Sehnsucht nach dem Ursprünglichen galten den Romantikern als "modern". Richard Wagners Oper "Der Fliegende Holländer" wurde durch Wohlbrücks und Marschners "Vampyr" beeinflusst – so wie die Moderne des anbrechenden 20. Jahrhunderts durch die Ideale der Romantik.

Szenenfotos der Inszenierung der Oper "Vampyr" an den Landesbühnen Sachsen
Wiederentdeckt an den Landesbühnen Sachsen: In der romantischen Oper wird dem "Vampyr" weitere Lebenszeit auf Erden versprochen, wenn er drei Bräute der Hölle opfert. Bildrechte: René Jungnickel

E.T.A. Hoffmann: "Serapionsbrüder" – Meister des Horrors

E.T.A. Hoffmann gilt als einer der einflussreichsten deutschen Dichter seiner Epoche. Seine Wirkung auf Zeitgenossen und nachfolgende Generationen wird mit der Kafkas verglichen. Die Atmosphäre des Übernatürlichen und Schauerlichen bestimmt seine Geschichten. Erzählungen wie "Nussknacker und Mäusekönig" und "Der Sandmann" faszinieren Leserinnen und Leser bis heute. In Hoffmanns Novellensammlung "Die Serapions-Brüder" erzählen sich die Protagonisten Schauergeschichten und diskutieren davon ausgehend über Grundsätzliches und Endgültiges. Ihre Debatte zum Vampirismus beginnt mit einer echten Vampir-Geschichte, steht aber metaphorisch für einen literarischen Prozess, in dem sich ein Werk von einem vorhergehenden ernährt und letztlich selbst Nahrung für neue Bücher wird. Ein Kreislauf, der sich unendlich fortsetzt.

E.T.A. Hoffmann, digitale Reproduktion einer Originalvorlage aus dem 19. Jahrhundert.
Mit "Nussknacker und Mausekönig" oder "Der Sandmann" gilt E.T.A. Hoffmann als einer der einflussreichsten deutschen Romantiker. Bildrechte: imago images/H. Tschanz-Hofmann

Buchtipp (Zum Aufklappen)

E.T.A. Hoffmann: Die Serapionsbrüder
Gesammelte Werke, Bd. 3
Verlag DeGruyter
ISBN: 978-3-11-121249-4

Mary Shelley: "Frankenstein" – europaweites Gothic Revival

Ein rein deutsches Phänomen war die Vorliebe für Abgründiges und Schauerliches keinesfalls. Wichtige Gothic-Impulse erhielten die Dichterinnen und Dichter der deutschen Romantik aus England. Vor allen Dingen der Kreis um Lord Byron sowie Mary und Percy Shelley wären hier zu nennen. Nach dem Ausbruch des Vulkans Krakatau verbrachten die Freunde das "Jahr ohne Sommer" 1816 am Genfer See, wo ein Klassiker der Grusel-Literatur entstehen sollte: "Frankenstein", verfasst von Mary Shelley.

Buchcover - Mary Wollstonecraft Shelley - Frankenstein or the Modern Prometheus von 1818.
So sah das Buchcover von Mary Shelleys Frankenstein im Jahr 1818 aus. Bildrechte: IMAGO / United Archives International

Doch auch Nikolai Gogol und Alexander Tolstoi verfassten in Russland Vampirgeschichten und griffen damit den Volksglauben aus dem Südosten Europas auf. Das Gespenstische war sozusagen der künstlerische Geist der Zeit, der Übernatürliches über Rationalität, Seele und Gefühl über Verstand und Logik stellte.

Buchtipp (Zum Aufklappen)

Mary W. Shelley: Frankenstein oder der moderne Prometheus
Verlag Bod – Books on demand
ISBN: 978-3-7534-8069-5

Redaktionelle Bearbeitung: ks

Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | 04. November 2023 | 20:05 Uhr

Mehr MDR KULTUR