Welttag des Buches Die fünf spannendsten Bücher im April 2024
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22. April 2024, 13:28 Uhr
Zum Welttag des Buches am 23. April suchen Sie spannende Literatur? Die Auswahl der Tipps von MDR KULTUR-Literaturredakteurin Katrin Schumacher für den April ist da genau das Richtige und verlangt Ihnen emotional einiges ab. Mit dabei: ein 51 Jahre altes Romandebüt über christlichen Fundamentalismus, ein Kinderbuch über Trauer, das auch Erwachsene berührt, und den 13. Krimi aus der Reihe "Zorn". Frühlingsgefühle wecken hingegen der Pariser Liebesroman von Rainer Moritz und Alex Capus' Geschichte über den Beginn seiner Karriere als Schriftsteller.
Joy Williams: "In der Gnade"
Kate und Grady leben in einem schrottigen Trailer im Wald, Kate ist schwanger und hasst es. Dieses heranwachsende Kind, von dem sie nicht weiß, nur ahnt: der Vater ist nicht Grady. Schlimmstenfalls ist es ihr eigener Vater, der brutale und verblendete Prediger, vor dem sie ein bisschen zu spät geflohen ist. Als Grady bei einem Unfall stirbt, muss Kate sich entscheiden, in welche Zukunft sie gehen will. Diese Kate taugt wahrlich nicht zur Identifikationsfigur. Trotzdem folgt man ihrer Weltwahrnehmung atemlos, es schüttelt einen schier beim Miterleben ihrer Verletzungen und ihrer trotzigen Stärke.
Joy Williams ist eine dunkle Zauberin der Erzählung und eine Ikone der US-amerikanischen Literatur, gerade 80 geworden und erst in den letzten Jahren auch hierzulande zu entdecken. Ihre Texte sind so schonungslos wie melancholisch, dabei furchterregend präzise. "In der Gnade" ist schon 1974 in den USA erschienen, wurde damals gefeiert und dann vergessen. In der Übersetzung von Julia Wolf ist dieser verstörende und tolle Text eine Achterbahnfahrt mit hohem Eintrittspreis.
Angaben zum Buch
Joy Williams: "In der Gnade"
Übersetzt von Julia Wolf
dtv, 2024
336 Seiten, gebunden
Preis: 24 Euro
ISBN: 978-3-423-28399-1
Karen Köhler: "Himmelwärts"
Im Zug weinen und sich in den Regentropfenbahnen auf der Scheibe verlieren. Und der Bordrestaurantchef zwischen Wien und Passau schaut einen an, als müsse er sofort Taschentuch und Schokolade bringen. Man muss schon überlegen, wo man dieses traurige und mutige Buch von Karen Köhler lesen mag. Was passiert? Tino Peperonis Mama ist gestorben und sie und ihre Freundin YumYum suchen sie in der Sternennacht mit dem kosmischen Radio. Zwischen Snackeritis und Herzerinnerungen kommt die Astronautin Zanna vorbei. Alle 80 Minuten gibt es philosophische Gespräche mit einem Besatzungsmitglied der Raumstation ISS. Und Tonis Gefühle beginnen langsam wieder aufzutauen. Am Ende steht die Mama in den Sternen und der neue, andere Tag bricht an.
Das erste Kinderbuch der Theater- und Romanautorin Karen Köhler schenkt Trost und Mitleid, erzählt von einem so schlimmen Verlust, dass nur noch das Überirdische helfen kann. Ein Buch für alle Alter und voller warmer Momente.
Angaben zum Buch
Karen Köhler: "Himmelwärts"
Mit Bildern von Bea Davies
Hanser Verlag, 2024
192 Seiten, hardcover
Preis: 19 Euro
ISBN: 978-3-446-27922-3
Stephan Ludwig: "Zorn. Schwarze Tage"
Sie sind wieder da: Kommissar Claudius Zorn und sein Kollege Schröder sind mit ihrem 13. Fall konfrontiert – und diesmal sind es, wie der Titel schon sagt, extrem dunkle Zeiten. Zorns große Liebe ist einem Raser zum Opfer gefallen. Und das genau vor seinen Augen. Sie wird nicht das einzige Opfer bleiben in diesem Thriller, der einmal mehr in diese Stadt führt, die Stephan Ludwigs Geburtsstadt Halle sehr ähnlich ist. In seinem gewohnten lakonischen Ton lässt der Autor seine Figuren durch private und kriminelle Katastrophen segeln, verstrickt sie in kleine Nicklichkeiten unter Freunden und in brutale Verbrechen.
Für Fans der Serie ist wieder alles drin, von ironischen Dialogen bis zu spannenden Wendungen des Geschehens und einem fulminanten Schlussdreh. Für Neueinsteiger*innen ist dieser dreizehnte Zorn ein Grund, sich rückwärts ins Werk zu lesen. So oder so: Genau die richtige Lektüre für ein Frühlingsregen-Wochenende.
Angaben zum Buch
Stephan Ludwig: "Zorn. Schwarze Tage"
Fischer Verlag, 2024
352 Seiten, Taschenbuch
Preis: 13 Euro
ISBN: 978-3-596-70715-7
Rainer Moritz: "Vielleicht die letzte Liebe"
Der Bücherfrühling – was wäre er ohne Romane, die von der Liebe erzählen. Und dieser ist nicht nur Liebesroman, sondern spielt sogar in der Stadt der Liebe: in Paris. Bernard Vautrot ist Witwer, ehemaliger Weinhändler, und wir lernen ihn in dem Moment kennen, in dem er seinen Laden an eine jüngere Generation übergibt und sich ganz neu finden muss. Anfang 60 ist er – und der Weg führt ihn immer wieder auf den legendären Friedhof Père-Lachaise. Er beobachtet die Füchse dort und weist den Touristen die berühmten Gräber. Am liebsten würde er selbst ins Schattenreich einziehen, doch dann lernt er die junge Aurélie kennen.
Rainer Moritz ist nicht nur Literaturkritiker (auch bei MDR KULTUR) und Leiter des Literaturhauses in Hamburg, er führt als Romancier immer wieder in das Flair Frankreichs. "Vielleicht die letzte Liebe" ist ein frühlingsleichter Roman des Findens und des Erfindens eines Protagonisten, der eine Zeit lang denkt, das Leben sei schon vorbei, bevor doch nochmal etwas passiert.
Angaben zum Buch
Rainer Moritz: "Vielleicht die letzte Liebe"
Oktopus Verlag, 2024
192 Seiten, gebunden
Preis: 20 Euro
ISBN: 978-3-311-30060-1
Alex Capus: "Das kleine Haus am Sonnenhang"
Schon die Anfangsseiten dieses Romans führen in ein Paradies, in das man sofort einziehen mag: Dieses kleine Haus am Sonnenhang – ein winziges Bruchsteinhaus in einer genauso göttlichen wie gottverlassenen Gegend in Italien, im Piemont. Der Ich-Erzähler zieht dort saisonweise ein, hat es gekauft als Nest für seine Liebe und auch als Ort, an dem er schreiben kann. Es sind die 90er-Jahre, alles noch ohne Handy und Social Media, wenn der Held mal raus will aus seinem Paradies, dann geht’s per Fahrrad in die nächste Kleinstadt, in die Kneipe, einmal die Woche – und in der Kleinstadt passiert so Einiges …
Eine Sommerlektüre jetzt schon im Frühling ist dieser Roman, der an den Anfang eines Schriftstellerwerdens führt, an einen Schreibort und in eine italienische Gemeinschaft. Von seinem Sonnenhang aus entfaltet Alex Capus eine Geschichte vom Beginnen und vom Loslassen, vom Lieben und Feiern und davon, wie wir uns als Menschen mit der Welt arrangieren. Es ist Capus' eigene Geschichte als beginnender Schriftsteller, an die er sich hier erinnert. Klar: jedes Buch erzählt, aber nur wenige erzählen nebenbei so faszinierend vom Erzählen wie dieses.
Angaben zum Buch
Alex Capus: "Das kleine Haus am Sonnenhang"
Hanser Verlag, 2024
160 Seiten, Hardcover
Preis: 22 Euro
ISBN: 978-3-446-27941-4
Redaktionelle Bearbeitung: Viktoria Adler
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | "Unter Büchern" | 23. März 2024 | 21:00 Uhr