Feministische Bücher - Collage
Unsere Buch-Tipps im April: Diese fünf Bücher tauchen in die Lebenswelten von Frauen ein und sind mehr als lesenswert. Bildrechte: Edition Nautilus / Droemer / Frankfurter Verlagsanstalt / Verlagsgruppe HarperCollins / Leykam

Buchtipps im April 5 großartige Bücher über Frauen – von Mutterschaft bis Gender-Pay-Gap

07. April 2025, 14:49 Uhr

Frauen, Mütter, Töchter und feministische Anliegen – diese Themen durchziehen die zeitgenössische Literatur wie ein roter Faden. Auch Fragen zu Gendergerechtigkeit, Frauenmedizin, Sichtbarkeit, Generationen und den vielfältigen Lebenswelten von Frauen sind heute lebendiger und präsenter denn je. Katrin Schumacher, Literaturredakteurin bei MDR KULTUR, empfiehlt fünf feministische Sachbücher und Belletristik, die tief in das Leben von Frauen eintauchen.

Caroline Kraft und Elisabeth Wellershaus: "Politisch, poetisch, polemisch"

Dieser Sammelband präsentiert eine Auswahl feministischer Gegenwartsgeschichtsschreibung der vergangenen zehn Jahre – so lange existierte die Kolumne "10 nach 8" bei Zeit Online. In diesen Jahren sind 1.500 Texte von 600 Autorinnen entstanden, die sich mit Themen wie Flucht und Familie, Krieg, Rassismus und Sexismus beschäftigen, mit dem Blick auf das "migrantische Ich" oder der Sicht auf den eigenen Körper.

Buchcover: Politisch, Poetisch, Polemisch. Texte zur feministischen Gegenwart, pinkfarbene Schrift auf mintgrünem Hintergrund
In "Politisch, poetisch, polemisch" bieten Caroline Kraft und Elisabeth Wellershaus eine facettenreiche Sammlung von Texten. Bildrechte: Leykam

Radikal persönlich und mit klarem Blick auf gesellschaftliche (Un-)Möglichkeiten schreiben Autorinnen wie Annett Gröschner, Lin Hierse, Tanja Raich oder Karosh Taha. Und es sind nicht nur Texte von deutschsprachigen Autorinnen in dem Band, sondern ganz bewusst auch übersetze Texte versammelt, die Frauen in Krisengebieten und Diktaturen zu Wort kommen lassen, teils unter geändertem Namen, um die Frauen zu schützen. Auch Exilautorinnen sind in dem Band zu hören.

Eine Vielstimmigkeit, die wir bei Zeit Online vermissen werden und die schlussendlich die Frage aufwirft, ob gerade zu viele Räume für feministisches Schreiben wieder geschlossen werden?

Angaben zum Buch (zum Ausklappen)

"Politisch, poetisch, polemisch: Texte zur feministischen Gegenwart"
von Caroline Kraft und Elisabeth Wellershaus (Hrsg.)
Leykam Verlag, Feburar 2025
256 Seiten, 25,50 Euro
ISBN: 978-3-7011-8370-8

MDR KULTUR Literaturredakteurin Katrin Schumacher (rechts) und MDR KULTUR Moderator Carsten Tesch 57 min
Bildrechte: MDR/Olaf Parusel/Hagen Wolf
57 min

Mit Luisa Neubauer geht es um Machtkämpfe hinter der Klimakrise, Roger de Weck macht sich für verantwortungsvollen Journalismus stark und Caroline Kraft blickt mit Lin Hierse auf die Kolumne "10 nach 8" zurück.

MDR KULTUR - Das Radio Mo 31.03.2025 21:03Uhr 57:00 min

https://www.mdr.de/kultur/podcast/unter-buechern/ard-radio-kulturnacht-neubauer-kraft-hierse-de-weck-100.html

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Maren Wurster und Franziska Hauser: "Ost*West*Frau: Wie wir wurden, wer wir sind"

Vom 27. bis 29. April 1990 fand in Berlin der erste organisierte Austausch der Ost- und Westfrauenbewegung statt. Man wollte eine gemeinsame feministische Strategie zum Einigungsprozess ausdiskutieren – doch zunächst einmal musste festgestellt werden, wie unterschiedlich der Feminismus in Ost und West "tickte".

Was ist in nun in den vergangenen dreieinhalb Jahrzehnten geschehen? Diese Frage stellen sich die beiden Herausgeberinnen, die ostdeutsche Autorin Franziska Hauser und ihre westdeutsche Kollegin Maren Wurster und geben sie weiter an Antwortgeber*innen aus unterschiedlichsten Generationen. Neben Charlotte Gneuß und Kenah Cusanit kommen etwa Daniela Dahn und Thomas Brussig zu Wort, Katja Kullmann und Asal Dardan schreiben aus diversen Perspektiven.

Sachbuch: "Ost*West*frau*" 4 min
Die Anthologie "Ost*West*Frau" wurde von Franziska Hauser und Maren Wurster herausgegeben. Bildrechte: Frankfurter Verlagsanstalt
4 min

Wie haben sich die Frauenbilder in DDR und BRD unterschieden? Und welche Unterschiede gibt es bis heute? Die Anthologie "Ost*West*Frau" geht diesen Fragen nach. Eine Rezension von Tino Dallmann.

MDR KULTUR - Das Radio Mi 05.03.2025 07:10Uhr 03:55 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/audio-sachbuch-ost-west-frau100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

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Die Blickwinkel sind denkbar verschieden, wenn Florian Werber darüber schreibt, wie ihm drei ostdeutsche Frauen das Schreiben beibrachten oder Charlotte Gneuß bemerkt, dass ihr im "deutsch-deutschen Identitätenkarussel irgendwie immer so schlecht ist". Ein Kaleidoskop der Beobachtungen und Erfahrungen, das auch davon erzählt, dass Differenz ungemein produktiv ist.

Angaben zum Buch (zum Ausklappen)

"Ost*West*frau*: Wie wir wurden, wer wir sind"
von Franziska Hauser und Maren Wurster (Hrsg.)
Frankfurter Verlagsanstalt, Februar 2025
256 Seiten, 22 Euro
ISBN: 978-3-627-00329-6

Eva Biringer: "Unversehrt. Frauen und Schmerz"

Ausgehend vom Mental Load und der Care-Arbeit ihrer Großmutter nähert sich Eva Biringer dem weiblichen Schmerz: als unklares Empfinden, als monatliche Tortur, als Gewalterfahrung unter der Geburt, Auslöser von Polypharmazie und vielem mehr. Sie seziert die weibliche Strategie des "Schluckens und Schweigens", fragt danach, wie sich ein spezifisch weiblicher Schmerz äußert und verschafft dem gender-pain-gap einen recherchierten Raum.

Buchcover von Eva Biringers Buch "Unversehrt. Frauen und Schmerz", darauf eine sitzende Frau in Strumphosen, BH und Morgenmantel
Eva Biringers Buch "Unversehrt. Frauen und Schmerz" beschäftigt sich mit der komplexen und vielschichtigen Beziehung zwischen Frauen und Schmerz. Bildrechte: Verlagsgruppe HarperCollins

Ja, das ist ein wütendes Buch, dessen Affekt ihm nicht nur gut tut. Trotzdem leistet dieses Buch von Eva Biringer (ihr zweites nach "Unabhängig: Vom Trinken und Loslassen", das von ihrer Alkoholsucht ausgehend ein ähnlich brisantes Thema anfasst) einen längst fälligen Beitrag zur Sichtbarkeit der weiblichen Seite des Schmerzes – sowie dem Paradox der systematischen Instrumentalisierung und der Negierung durch das Patriarchat.

Alles in allem eine beeindruckende Naturkunde eines Zustands, dem eine oft verkannte Prämisse zugrunde liegt: Schmerz ist kein Empfinden, sondern eine Sinneswahrnehmung.

Angaben zum Buch (zum Ausklappen)

"Unversehrt. Frauen und Schmerz"
von Eva Biringer 
Verlagsgruppe HarperCollins, Oktober 2024
256 Seiten, 20 Euro
ISBN: 978-3-365-00798-3

Katrin Schumacher 59 min
Bildrechte: MDR/Hagen Wolf

Franziska Schutzbach: "Revolution der Verbundenheit"

Dass Sisterhood trägt, ist keine neue Idee. Dass sie gesellschaftsverändernd wirkt, auch nicht. Aber es lohnt doch immer wieder zu betonen – und dies in so unaufgeregter Form, wie es die Autorin macht. Franziska Schutzbach erzählt aus der Geschichte, nimmt sich überzeugend einer Archäologie der Frauenfreundschaften an und verquickt sie mit eigenem Erleben, Gedanken über die Mutter, feministischen Theorien und Zukunftsentwürfen.

Buchcover: Franziska Schutzbach: Revolution der Verbundenheit. Wie weibliche Solidarität die Gesellschaft verändert, pinkfarbene und weiße Schrift auf grünem Hintergrund
In ihrem Werk "Revolution der Verbundenheit" zeigt Franziska Schutzbach, wie weibliche Solidarität als transformative Kraft in der Gesellschaft wirkt. Bildrechte: Droemer

Dabei dekliniert sie nicht eine These in mehreren Kapiteln durch, sondern spielt mit der Form: Sie schreibt Briefe an Frauen, mit denen sie selbst verbunden ist, zieht alle Schutzheiligen des postmodernen Feminismus hinzu – von Irigaray bis Cixous und Verena Stefan – und plädiert dafür, (Diskussions-)Räume zu besetzen.

Wie solche Räume jenseits des Internets geschaffen werden können, macht sie selbst vor, indem sie ein traditionelles Medium nutzt und dieses Buch schreibt. Und indem sie zeigt, wie es geht: diplomatisch und ruhig, argumentativ und en passant – es werden zum Beispiel im ganzen Buch nur weibliche Stimmen zitiert.

Angaben zum Buch (zum Ausklappen)

"Revolution der Verbundenheit: Wie weibliche Solidarität die Gesellschaft verändert"
von Franziska Schutzbach
Droemer HC, Oktober 2024
320 Seiten, 24 Euro
ISBN: 978-3-426-27904-5

Katharina Bendixen: "Eine zeitgemäße Form der Liebe. Parentale Prosa"

Und noch ein wenig ungewöhnliche Belletristik: In ihren teils kurzen, teils auch mal zehn Seiten langen Geschichten leuchtet Katharina Bendixen in den Gefühlshaushalt von Müttern kleinerer Kinder, von alten Müttern und Vätern – und das mit allen Mitteln der Literatur: Surreale Wendungen (die Mutter stellt etwa die Kinder vorm Supermarkt ab und sie sind verschwunden, die Mutter geht seelenruhig nach Hause und vergisst, dass da in ihrem Leben Kinder waren), Verknüpfungen von Geschichten durch Erzählerinnenwechsel, Ritornelle, Hausaufgabenblätter, Kindergartenberichte, Chatverläufe, Politikerrede und Thriller. All diese Erzählmöglichkeiten und Textsorten knüpft die Autorin zu einem hinreißenden Buch.

Man mag ein abgegriffenes Wort wie Kaleidoskop benutzen, das hier allerdings zum genauesten wird: Immer wieder ruckeln sich Steinchen zu einem neuen Bild, das sich aber sofort wieder verschieben kann – durch einen Autounfall, einen aggressiven Hund, ein renitentes Kind auf einem Barhocker.

Katharina Bendixen weiß, was sie tut. Sie ist Autorin zwischen den Altern (Kinderbuch, Jugendbuch, Erwachsenenlektüre) und engagiert im Verbund "other writers need to concentrate", der sich für die Sichtbarkeit der Probleme schreibender Eltern einsetzt. Aber halt, dies ist kein Agenda-Buch! Dies sind teils elegante, teils verblüffende, immer trittsichere Texte, die von Gegenwart, Liebe und Weiblichkeit erzählen.

Buchcover: Katharina Bendixen: Eine zeitgemäße Form der Liebe, darauf ein hockendes Kind mit Wolfsmaske auf dem Kopf
In ihrem Buch "Eine zeitgemäße Form der Liebe. Parentale Prosa" beleuchtet Katharina Bendixen die Herausforderungen des Elternseins. Bildrechte: Edition Nautilus

Angaben zum Buch (zum Ausklappen)

"Eine zeitgemäße Form der Liebe. Parentale Prosa"
von Katharina Bendixen
Edition Nautilus, März 2025
184 Seiten, 22 Euro
ISBN:978-3-96054-382-4

Redaktionelle Bearbeitung: Rebekka Adler

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Buchcover von Sachbüchern zum Thema Ostdeutschland mit Audio
Diese fünf Bücher über Ostdeutschland sollte man gelesen haben: Christina Morina – "Tausend Aufbrüche", Annett Gröschner, Peggy Mädler, Wenke Seemann – "Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat", Steffen Mau – "Ungleich vereint. Warum der Osten anders bleibt", Ines Geipel – "Fabelland. Der Osten, der Westen, der Zorn und das Glück", Sascha-Ilko-Kowalczuk – "Freiheitsschock" Bildrechte: Collage: Siedler Verlag / Hanser Verlag / Suhrkamp Verlag / S. FISCHER / Verlag C. H. Beck

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | "Unter Büchern" | 19. März 2025 | 18:00 Uhr

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