Kulturhauptstadt 2025 Kunst aus Chemnitz: Diese Kollektive prägen die Stadt – von der DDR bis heute
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28. Oktober 2024, 12:25 Uhr
Chemnitz hat in Kunst, Musik und Kultur einiges zu bieten. Das ist nicht erst seit der Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt 2025 klar. Dabei zeichnet sich die Stadt auch durch gemeinschaftliches Arbeiten aus. Hier ist eine Auswahl der wichtigsten Kunstkollektive der Vergangenheit und Gegenwart.
Clara Mosch: Autonome Kunst in der DDR
Was nach einer Einzelperson klingt, ist eines der wohl bekanntesten Kunstkollektive samt Galerie aus Chemnitz. Die Gruppe "Clara Mosch" gründete sich 1977 und war das Anagramm aus den Anfangsbuchstaben der Nachnamen von Carlfriedrich Claus (CLA), Thomas Ranft und Dagmar Ranft-Schinke (RA), Michael Morgner (MO) und Gregor-Torsten Schade (SCH).
Allen Mitgliedern gemein: Die Ablehnung des Sozialistischen Realismus. Durch ihr freies bildnerisches Schaffen jenseits der vorgegebenen System-Programmatik und Kunstdoktrin ist die Gruppe bis heute eines der wichtigsten Beispiele für alternatives künstlerisches Schaffen zu DDR-Zeiten.
Neben den Ausstellungen organisierte das Kollektiv Künstlerfeste und eine Reihe von "Pleinairs", bei denen zum gemeinsamen Arbeiten unter freiem Himmel befreundete Künstler aus allen Teilen der DDR zusammenkamen. 1982 löste sich die Gruppierung wieder auf.
AG Geige: Experimentelle DDR-Kultband
Das Künstlerkollektiv "AG Geige" gründete sich 1986 als Band, wie der Name verrät. Der Avantgarde-Act an der Grenze zwischen bizarren Auftritten, dadaistischen Texten, Performance-Kunst und experimenteller elektronischer Musik wurde schnell zu einer der einflussreichsten Bands der DDR-Zeit.
Die AG Geige löst sich nach der Wende im Jahr 1993 auf. Bandmitglied Jan Kummer hat sich seither nicht nur als Bildender Künstler einen Namen gemacht, der den Chemnitzer Klub "Atomino" betreibt, sondern auch als Vater des Kraftklub-Sängers Felix Kummer. Seine Töchter Nina und Lotta traten ebenfalls in seine künstlerischen Fußstapfen und gründeten die Band Blond und 2020 das Kunstkollektiv "Bikini Kommando".
Bikini Kommando: Feministisches Kollektiv
"Wir sind Autodidakten aus dem Osten" heißt es auf der Instagram-Seite des Kollektivs, das aus dem Dunstfeld der Chemnitzer Band Blond (Nina und Lotta Kummer) heraus entstanden ist.
Die Gruppe besteht aus jungen Musikerinnen und Musikern, DJs, Moderatorinnen, Fotografinnen, Designerinnen, aus bildenden Künstlerinnen und Künstlern, Videografinnen, Keramikerinnen und Performance-Künstlerinnen und -Künstlern. Ein Mix aus Genres und Stilen, ein bisschen schräg, ein bisschen Zeitgeist, jung, weiblich, anders. Mit einer ganz eigenen künstlerischen Ausdrucksweise führen sie, aller Unterschiede zum Trotz, doch die Tradition des gemeinschaftlichen Arbeitens in und um Chemnitz fort.
Was sie eint: Eine lange Freundschaft und das gemeinsame Aufwachsen in Chemnitz. "Es gibt hier noch eine Menge Leerräume, die man füllen kann. Auch im kulturellen Sinne. Die Kunst- und Kulturszene ist in Chemnitz zwar klein, aber ziemlich gut vernetzt", kommt als Antwort auf die Frage, warum sie nicht nach Leipzig oder Berlin abgewandert seien. Das Kollektiv will nicht nach Berlin, sondern gibt der Kulturhauptstadt ein neues, junges Selbstbewusstsein. Chemnitz, sagen die Autodidakten aus dem Osten, kann man noch mitgestalten.
Rebel Art: Graffiti und Kunst im öffentlichen Raum
Hier vermischen sich die Grenzen von Bildender Kunst und Urban Art: "Rebel Art" bemalt Fassaden in und um Chemnitz, rebelliert, so heißt es auf der Facebook-Seite, gegen Monotonie und Betongrau und führt auf diese Weise die Tradition des gemeinschaftlichen Arbeitens fort. Um Gründer Guido Günther hat sich ein Kollektiv von mehr als 30 Leuten versammelt, die keine Leinwände bemalen, sondern Mauern.
Zum engsten Stamm gehören Guido Günther, Mark Esche, Simon Rosenow, Martin Tretner, Tino Schneider und eine Größe der Chemnitzer Kunstlandschaft: Dagmar Ranft-Schinke, einst Mitglied der legendären Gruppe Clara Mosch. "Rebel Art" ins Leben gerufen, hat Guido Günther 2003 als Einzelkämpfer, seit 2015 besteht das Kollektiv in seiner jetzigen Form. Eine gleichnamige Galerie gehört auch dazu, mit Sitz auf der Chemnitzer Brühl – einer alten Ladenmeile, die durch Galerien, Cafés und Einzelhandel peu à peu wiederbelebt wird.
Chemnitz habe in den vergangenen Jahren viel Toleranz bewiesen für Urban Art und Kunst im öffentlichen Raum, sagt Günther. Deswegen wolle er auch nicht weg. Stadt und Szene sind klein und überschaubar, mit einer Fülle an kreativem Raum. Für ihn ein klarer Vorteil: "In Chemnitz kennt jeder jeden. Wenn du was gut machst, dann wissen das auch alle." Chemnitz, sagt er, sei eine Stadt der Möglichkeiten. Gerade arbeitet die Gruppe an einer Dauerausstellung im alten Umspannwerk Etzdorf im Striegistal.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 13. Mai 2022 | 18:05 Uhr