Schwarz-weiß-Fotografie des Künstlers Karl Schmidt-Rottluff, mit Brille, Schnurrbart und Bart am Kinn
Karl Schmidt-Rottluff (1884-1976) war ein deutscher Expressionist und Mitbegründer der Künstlergruppe "Die Brücke". Bildrechte: Karl Schmidt-Rottluff - Retrospektive, Bremen/München, 1989, S. 95

Neues Museum Fünf Gründe, das Karl Schmidt-Rottluff Haus in Chemnitz zu besuchen

06. April 2025, 04:00 Uhr

Karl Schmidt-Rottluff (1884-1976), einer der bekanntesten Söhne von Chemnitz, wird in den Kunstsammlungen der Stadt seit Jahrzehnten gewürdigt. Dort sind rund 500 Werke des Expressionisten und Mitbegründers der "Brücke" zu finden. Der Förderverein und die Stiftung setzten sich lange dafür ein, sein elterliches Wohnhaus im Stadtteil Rottluff in ein Museum zu verwandeln. Im Kulturhauptstadtjahr 2025 wird es nun eröffnet. Fünf Gründe, warum sich ein Besuch lohnt.

1) Zeigt den Facettenreichtum von Karl Schmidt-Rottluff

Der Künstler Karl Schmidt-Rottluff ist in seiner Vielseitigkeit im ganzen Haus präsent: Es beginnt im Erdgeschoss mit seinen ersten künstlerischen Versuchen, frühe Zeichnungen und Ölskizzen des Schülers Karl Schmidt aus Rottluff, Landschaftsbildern und Porträts von Familienangehörigen. Gezeigt werden aber auch zahlreiche seiner Druckgrafiken, speziell aus der Zeit der "Brücke", aber auch später, wie etwa ein Holzschnitt aus der bekannten "Christus-Mappe", die 1918 erschienen ist.

Holzkasten mit reliefgeschnitzten Krokodilen, 1921
Auch Schmidt-Rottluffs Holzschnitte und -skulpturen gehören zu seinen herausragenden Werken. Bildrechte: Kunstsammlungen Chemnitz/PUNCTUM/Bertram Kober, VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Karl Schmidt-Rottluff war jedoch nicht nur Maler und Grafiker, sondern widmete sich auch kunsthandwerklichen Arbeiten. Er gestaltete raffinierte Kästchen aus Holz, schnitzte kunstvoll Gesichter und Selbstbildnisse, auch weibliche Akte in Steine, die er gefunden hatte, und für seine engsten Vertrauten fertigte er unikale Schmuckstücke an. Ein Goldarmband, das seiner Frau Emy gehört hat, und eine Silberkette mit blauen Glasperlen, einst getragen von der befreundeten Kunsthistorikerin Rosa Schapire, können in Vitrinen im Obergeschoss bewundert werden.

2) Überraschende Inszenierungen

Die Tour durch das Haus ist eine Entdeckungsreise durch das Leben und das Gesamtwerk von Karl Schmidt-Rottluff, mit originalen Kunstwerken, Faksimiles und Dokumenten – viel Materialität, wenig digital. Im Obergeschoss kann man dem Künstler sogar über die Schulter schauen: Dort wurde in einem Raum eine Wand mit Reproduktionen von Stillleben, die zum Teil in den Kunstsammlungen am Theaterplatz in Chemnitz hängen, nahezu tapeziert.

Fptografie in schwarz-weiß: Karl Schmidt-Rottluff mit Roswita Peters in Rumbke, er sitzt, sie steht neben ihm
Karl Schmidt-Rottluff mit Roswita Peters in Rumbke: Auch persönliche Fotografien werden ausgestellt. Bildrechte: Kunstsammlungen Chemnitz, Archiv

In Vitrinen drumherum sieht man wiederum die originalen Schnitzsteine, besagte Schmuckstücke und andere Artefakte, wie Muscheln oder Leuchter. Und nun sind alle eingeladen zu suchen, wie auf einem großen Wimmelbild, auf welchem Gemälde sich welches Objekt wiederfindet und damit die Perspektive des Künstlers einzunehmen, um nachzuvollziehen, wie Karl Schmidt-Rottluff sie gemalt hat.

3) Exquisite Privatsammlungen

Dass die kunsthandwerklichen Arbeiten von Karl Schmidt-Rottluff in dieser Fülle gezeigt werden können, verdankt sich in erster Linie der Sammlung des Leipziger Sammlerehepaares Dr. Victor und Hedda Peters. 2020 konnte sie für Chemnitz erworben werden, schon in Voraussicht auf eine künftig umfassende Präsentation im Karl Schmidt-Rottluff Haus.

Kunstwerk aus Stein von Karl Schmidt-Rottluff, ovales Steinköpfchen mit Pagenkopf (Kinderbildnis Roswita)
Das Museum zeigt unter anderem die kunsthandwerklichen Objekte Rottluffs, wie dieses Steinköpfchen von 1931. Bildrechte: Kunstsammlungen Chemnitz/PUNCTUM/Bertram Kober, VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Aber auch ein Konvolut mit persönlichen Alltagsgegenständen des Künstlers, das den Kunstsammlungen Chemnitz übergeben wurde, ist im ihm gewidmeten Museum zu sehen: von Tabakbeutel und Pfeife über Pinsel, Farben und sein Schnitzmesser bis hin zum Reisepass. Dadurch kommt man nicht nur dem Künstler nahe, sondern auch dem Menschen Karl Schmidt-Rottluff.

4) Authentischer Ort

Was macht diesen Ort authentisch? Gibt es Spuren des Künstlers im Haus? Schließlich war es das Haus seiner Eltern, das der Vater 1913 hatte erbauen lassen. Zu diesem Zeitpunkt lebte Sohn Karl bereits in Berlin. Allerdings hat Schmidt-Rottluff zwischen 1943 und 1946, nachdem seine Berliner Wohnung ausgebombt war, hier gewohnt und davon gibt es Spuren.

Im Obergeschoss hängt jetzt ein Selbstporträt, von dem bekannt ist, dass es in dieser Zeit in Chemnitz entstanden ist. Sicher ein Balance-Akt damals, denn Karl Schmidt-Rottuffs Kunst galt unter den Nationalsozialisten als "entartet", er war verfemt und mit einem Berufsverbot belegt. Aber er malte weiter und er schnitzte: Steinschnitte und Holzkästen, an deren Entstehungsdaten man ablesen kann, dass sie in dieser Zeit an diesem Ort entstanden – und jetzt ausgestellt sind.

Ein Selbstporträt von Karl Schmidt-Rottluf, schwarze Striche auf weißem Hintergrund
Dieses Selbstbildnis von Schmidt-Rottluff (1904) ist im Obergeschoss des Hauses zu sehen. Bildrechte: VG Bild-Kunst, Bonn 2025

5) Das Ensemble Karl Schmidt-Rottluff

Wenn es um Authentizität geht, dann muss man in einem Atemzug mit dem Karl Schmidt-Rottluff Haus auch die benachbarte Wohnmühle Schmidt-Rottluff nennen. Zusammen bilden sie das Ensemble Karl Schmidt-Rottluff. In der heute denkmalgeschützten Mühle hat der Künstler seine Kindheit und Jugend verbracht. Sein Vater Friedrich August Schmidt hatte das Grundstück 1883 gekauft, 1884 erblickte dort – noch in der alten Wassermühle, die später bei einem Brand zerstört wurde – Karl das Licht der Welt. Eine Fotografie in der Ausstellung zeigt die Familie vor dem Gebäude. Glücklicherweise konnte es vor dem Abriss bewahrt und saniert werden.

Alte Aufnahme von 1897: eine Familie vor einem Wohnhaus mit Mühle in Chemnitz-Rottluff
Familie Schmidt vor dem Wohnhaus mit Mühle in Chemnitz-Rottluff (1897) Bildrechte: Kunstsammlungen Chemnitz/Archiv

Inzwischen engagiert sich dort der Förderverein Karl Schmidt-Rottluff Chemnitz e.V.. Ehrenamtlich kümmern sich die Mitstreiterinnen und Mitstreiter um die nach wie vor erhaltene Technikdenkmal-Mühle in einem Teil des Hauses. Gleichzeitig bieten sie im einstigen Wohnbereich der Familie Schmidt Raum für Veranstaltungen, unter anderem eine kleine Galerie mit wechselnden Ausstellungen. Und im August 2025 soll, dann auf dem gesamten Areal des Ensembles Karl Schmidt-Rottluff, ein großes Expressionismus-Festival gefeiert werden.

Mehr Informationen: Adresse, Eintritt, Öffnungszeiten, Veranstaltungen (zum Ausklappen)

Karl Schmidt-Rottluff Haus
Limbacher Straße 382,
09116 Chemnitz

Öffnungszeiten:
Ab 8. April 2025
Dienstag bis Sonntag, Feiertag: 11 bis 18 Uhr
24. und 31. Dezember geschlossen

Eintritt:
6 Euro, ermäßigt 4 Euro

Öffentliche Führungen:
Sonntags um 14 und 14:45 Uhr

Öffentliche Kuratorinnenführungen 2025
27. April, 18. Mai, 22. Juni, 20. Juli, 24. August, 21. September, 19. Oktober – immer 14 Uhr

Workshop
Samstag, 14. Juni 2025 13 bis 16 Uhr
"Tanzende Buchstaben – Gestalte deine eigene Initiale in der Prägetechnik"

Expressionismus-Festival
am 24. August 2025
Ensemble Karl Schmidt-Rottluff an der Limbacher Straße mit dem Karl-Schmidt-Rottluff-Haus und der Mühle

Redaktionelle Bearbeitung: Rebekka Adler

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | artour – das Kulturmagazin | 03. April 2025 | 21:15 Uhr

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