
Kunst in der Kulturhauptstadt 2025 Zu Fuß durch Chemnitz: Zehn Kunstwerke im öffentlichen Raum entdecken
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05. April 2025, 04:00 Uhr
Die Kulturhauptstadt Chemnitz zwischen Geschichte und Aufbruch: Monumentale Skulpturen, leuchtende Farbsignale und künstlerische Interventionen prägen das Stadtbild und laden ein, die Kunstwerke auf einem Spaziergang zu entdecken. Zu Fuß kann man die vielfältigen Werke erkunden und erleben, wie sich Karl Marx und Urban Art, sozialistische Relikte und spielerische Neuinterpretationen begegnen. Kunst wird zum Spiegel gesellschaftlicher Debatten, zum Zeichen für Wandel und Identität. Ein Stadtrundgang zwischen Erinnerungskultur und Zukunftsvision – und eine Einladung, Chemnitz neu zu sehen.
Inhalt des Artikels:
- 1. Urban Art gegen Betongrau: "Rebel Art" (seit 2003)
- 2. Kunst zum Erinnern: "Eine Bank für Justin Sonder" (2024)
- 3. Auf dem Purple Path: "Oben-Mit" (2024)
- 4. Das Wahrzeichen: Karl-Marx-Monument (1971)
- 5. In Stein gemeißelte Utopie: "Lobgedichte" (1972)
- 6. Kunst und Abkühlung: Der neue Marktbrunnen (2022)
- 7. Besuch vom Südpol: "Pinguinkolonie" (2004)
- 8. Provokante Kunst: "Collateral Sculptures" (2024)
- 9. Historische Kunst: "Vier Tageszeiten" (1868)
- 10. Farbenfroh durch die Energiewende: Die bunte Esse (2013)
1. Urban Art gegen Betongrau: "Rebel Art" (seit 2003)
Seit 2003 setzt "Rebel Art" in Chemnitz Akzente jenseits klassischer Leinwände. Gegründet von Guido Günther, vereint das Kollektiv von über 30 Künstlern die Kunstform der Urban Art mit sozialer Rebellion gegen Monotonie und Betongrau.
In einer Stadt, die Kreativität schätzt, entstehen beeindruckende Wandgestaltungen, die sich über die gesamte Stadt und weit darüber hinaus ziehen. Ostdeutschlands größtes zusammenhängendes Graffito am Hochhaus am Brühl stammt ebenfalls aus den Dosen von "Rebel Art". Ihre Galerie auf dem Brühl trägt zur Wiederbelebung eines ehemaligen Ladenviertels bei – ein Raum für neue Möglichkeiten in der lebendigen Kunstszene von Chemnitz.
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Adressen:
Kunst von "Rebel Art" ist unter anderem in folgenden Orten in Chemnitz zu finden:
Gustav-Freytag-Straße, Limbacher Straße, Fußgängerunterführung am Hauptbahnhof, Hochhaus am Brühl.
2. Kunst zum Erinnern: "Eine Bank für Justin Sonder" (2024)
Mit einer eindrucksvollen Skulptur wird Justin Sonder, ein unermüdlicher Zeitzeuge und Holocaust-Überlebender, in Chemnitz geehrt. Die "Bank für Justin Sonder" lädt die Besucher ein, sich neben der Figur auf einer Bank niederzulassen und in den Dialog mit seiner Geschichte zu treten.
Noch bis weit über sein 90. Lebensjahr hinaus reiste Sonder, um seine Erinnerungen an Auschwitz und den Todesmarsch in Schulen zu teilen. Ein lebendiges Denkmal für einen Mann, der sein Leben der Erinnerung widmete.
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Die "Bank für Justin Sonder" befindet sich auf dem Brühl schräg gegenüber der Rosa-Luxemburg-Grundschule.
3. Auf dem Purple Path: "Oben-Mit" (2024)
Auf dem Chemnitzer Schillerplatz wächst eine verspielte Skulptur 3,60 Meter in den Himmel: Osmar Ostens "Oben-Mit" oder "Ein Denkmal für die guten Geister meiner Heimat". Schmale Natursteinsäulen tragen ein schimmerndes Bündel aus Nussknackern, Engeln und Bergmännern – vertraute Figuren, die durch grobe Gussnähte plötzlich fremd wirken.
Heimatverbunden und zugleich ironisch hinterfragt Osten die Grenze zwischen Tradition und Kitsch. Seine Kunst oszilliert zwischen Ernst und Satire, trifft ins Schwarze – und wechselt im selben Moment die Farbe. Ein Denkmal, das Heimatgefühl und Zweifel kunstvoll ineinander verschränkt.
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Osmar Ostens Plastik "Oben-Mit" steht zwischen den Bäumen auf dem Chemnitzer Schillerplatz.
4. Das Wahrzeichen: Karl-Marx-Monument (1971)
Am 9. Oktober 1971 wurde in Karl-Marx-Stadt ein Monument enthüllt, das Symbol und Statement zugleich war: Sieben Meter hoch, 40 Tonnen schwer, entworfen vom sowjetischen Bildhauer Lev Kerbel, gegossen in Leningrad, montiert in der DDR.
Die Büste sollte Dauerhaftigkeit ausstrahlen – doch nach der Wende stand ihr Abriss zur Debatte. Erst internationale Interessenten bewahrten sie vor dem Verschwinden. Heute ist der "Nischel" ein Wahrzeichen von Chemnitz, Touristenmagnet und Verkaufsargument – Karl Marx als Bestseller der Erinnerungskultur.
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Karl-Marx-Monument
Brückenstraße 10
09111 Chemnitz
5. In Stein gemeißelte Utopie: "Lobgedichte" (1972)
Auf der Brückenstraße in Chemnitz zieht das plastische Ensemble "Lobgedichte" die Blicke auf sich. Drei Reliefwände und eine Stele, gestaltet aus bulgarischem Wratza-Kalkstein, spiegeln die kommunistische Ideologie wider. Inspiriert von Bertolt Brechts Gedichten, thematisieren sie die Vision einer menschlichen Zukunft im Kommunismus.
Die Werke von Martin Wetzel, Eberhard Roßdeutscher und Jo Jastram, die 1972 entstanden, greifen Begriffe wie "Lob der Partei" und "Lob der Dialektik" auf – monumentale Zeugnisse einer vergangen geglaubten Utopie.
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Das Ensemble "Lobgedichte" befindet sich an der Chemnitzer Brückenstraße.
6. Kunst und Abkühlung: Der neue Marktbrunnen (2022)
Der neue Marktbrunnen in Chemnitz, geschaffen von Volker Beier, ist mehr als ein Wasserspiel – er ist eine künstlerische Reflexion über Stadt, Gemeinschaft und Identität. Vier kreiselförmige Elemente, zugleich abstrakt und figürlich, erinnern an Menschengruppen oder Maschinenteile.
Ihre Spiegelungen im Wasser fordern die Wahrnehmung heraus. Der Brunnen wird so zur Installation, die Offenheit, Vielfalt und Dialog symbolisiert – ein Zeichen für ein modernes, reflektierendes Chemnitz.
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Der neue Chemnitzer Marktbrunnen befindet sich auf dem Marktplatz vor dem Alten Rathaus.
7. Besuch vom Südpol: "Pinguinkolonie" (2004)
Seit 2004 tummeln sich 14 niedliche Kaiserpinguine in Chemnitz, ein skulpturaler Gruß des Künstlers Peter Kallfels. Die Pinguine scheinen sich an einem imaginären Längengrad orientiert zu haben, der direkt in die Heimat der Tiere führt.
Der Boden um sie wurde später mit neuer Farbe versehen, und plötzlich offenbart sich eine überraschende Ähnlichkeit: Der Umriss der Antarktis passt zu dem der Stadt Chemnitz. Ein Spiel mit Geografie und Kunst, das Fragen nach der Symbolik und dem Ursprung dieser ungewöhnlichen Besucher aufwirft.
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Die "Pinguinkolonie" befindet sich am Ende der Inneren Klosterstraße.
8. Provokante Kunst: "Collateral Sculptures" (2024)
Sechs beeindruckende Großplastiken prägen seit kurzem das Besucherzentrum der Kulturhauptstadt Chemnitz – ein mutiger Schritt in Richtung künstlerischer Provokation. Unter dem Titel "Collateral Sculptures" hat Unternehmer Udo Pfeifer mit zeitgenössischen Werken die Stadtkulisse verändert.
Die Werke, darunter ein schlafendes Pferd als Gegenentwurf zum klassischen Reiterstandbild, werfen Fragen auf und fordern zum Nachdenken auf. Die Skulpturen sind mehr als Dekoration: Sie sind ein Statement, das die Macht der Kunst und ihre Fähigkeit zur Reflexion in den urbanen Raum trägt.
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Adresse:
Besuchs- und Informationszentrum der Europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz 2025
Fabrikstraße 11
09111 Chemnitz
9. Historische Kunst: "Vier Tageszeiten" (1868)
Die "Vier Tageszeiten" – Johannes Schillings Meisterwerk aus dem Jahr 1868 – fangen das sich stets wandelnde Spiel von Licht und Dunkelheit in Form allegorischer Skulpturen ein. Vom "Morgen" bis zur "Nacht" verkörpern die Figuren die Rhythmen des Lebens.
Ursprünglich in Sandstein gemeißelt, wurde der Zahn der Zeit 1908 durch Bronzeabgüsse bekämpft. Heute stehen die Originale im Chemnitzer Schlossteichpark, wo sie nicht nur der Witterung trotzen, sondern auch immer wieder restauriert werden, um als bleibende Erinnerung an den Zyklus von Aufbruch, Streben, Ruhe und Schlaf zu fungieren.
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Adresse:
Schlossteichpark
Schloßteichstraße 1
09113 Chemnitz
10. Farbenfroh durch die Energiewende: Die bunte Esse (2013)
Die bunte Esse des Heizkraftwerks Nord ragt 301,80 Meter in den Himmel – Sachsens höchstes Bauwerk und ein Farbsignal mit Strahlkraft. 2013 vom französischen Konzeptkünstler Daniel Buren in sieben leuchtende Farben getaucht, verwandelt sie sich bei Nacht in ein faszinierendes Lichtspektakel. Am Besten lässt sich der "Lulatsch" aus der Umgebung des Schlossteichs betrachten. Auch aus höhergelegenen Bereichen wie dem Kaßberg oder dem Rabenstein bietet sich ein beeindruckender Blick auf die bunte Esse.
Ein Gesamtkunstwerk, das die Wahrnehmung herausfordert und neue Perspektiven eröffnet. Seit 2024 ersetzt Gas schrittweise die Braunkohleverbrennung – ein Wandel, den die Esse als Symbol einer sich verändernden Stadt farbenfroh begleitet.
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Bunte Esse
Dammweg 10
09114 Chemnitz
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 18. Januar 2025 | 21:45 Uhr