Mehrere Säulen mit Nussknackern aus Metall
Osmar Ostens "Oben-Mit" auf dem Purple Path ist eines der Kunstwerke im öffentlichen Raum in der Kulturhauptstadt Chemnitz. Bildrechte: Osmar Osten/Johannes Richter

Kunst in der Kulturhauptstadt 2025 Zu Fuß durch Chemnitz: Zehn Kunstwerke im öffentlichen Raum entdecken

05. April 2025, 04:00 Uhr

Die Kulturhauptstadt Chemnitz zwischen Geschichte und Aufbruch: Monumentale Skulpturen, leuchtende Farbsignale und künstlerische Interventionen prägen das Stadtbild und laden ein, die Kunstwerke auf einem Spaziergang zu entdecken. Zu Fuß kann man die vielfältigen Werke erkunden und erleben, wie sich Karl Marx und Urban Art, sozialistische Relikte und spielerische Neuinterpretationen begegnen. Kunst wird zum Spiegel gesellschaftlicher Debatten, zum Zeichen für Wandel und Identität. Ein Stadtrundgang zwischen Erinnerungskultur und Zukunftsvision – und eine Einladung, Chemnitz neu zu sehen.

1. Urban Art gegen Betongrau: "Rebel Art" (seit 2003)

Seit 2003 setzt "Rebel Art" in Chemnitz Akzente jenseits klassischer Leinwände. Gegründet von Guido Günther, vereint das Kollektiv von über 30 Künstlern die Kunstform der Urban Art mit sozialer Rebellion gegen Monotonie und Betongrau.

Eine Hauswand in Chemnitz, auf der das Gesicht einer Frau gemalt ist.
Die Graffiti von "Rebel Art" gehören mittlerweile zum Stadtbild von Chemnitz. Bildrechte: Gustav Freitag

In einer Stadt, die Kreativität schätzt, entstehen beeindruckende Wandgestaltungen, die sich über die gesamte Stadt und weit darüber hinaus ziehen. Ostdeutschlands größtes zusammenhängendes Graffito am Hochhaus am Brühl stammt ebenfalls aus den Dosen von "Rebel Art". Ihre Galerie auf dem Brühl trägt zur Wiederbelebung eines ehemaligen Ladenviertels bei – ein Raum für neue Möglichkeiten in der lebendigen Kunstszene von Chemnitz.

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Kunst von "Rebel Art" ist unter anderem in folgenden Orten in Chemnitz zu finden:
Gustav-Freytag-Straße, Limbacher Straße, Fußgängerunterführung am Hauptbahnhof, Hochhaus am Brühl.

2. Kunst zum Erinnern: "Eine Bank für Justin Sonder" (2024)

Mit einer eindrucksvollen Skulptur wird Justin Sonder, ein unermüdlicher Zeitzeuge und Holocaust-Überlebender, in Chemnitz geehrt. Die "Bank für Justin Sonder" lädt die Besucher ein, sich neben der Figur auf einer Bank niederzulassen und in den Dialog mit seiner Geschichte zu treten.

Bronzeplastik „Bank für Justin Sonder“ in Chemnitz: ein sitzender alter Mann
Die "Bank für Justin Sonder" auf dem Chemnitzer Brühl lädt zum Verweilen und Gedenken ein. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Willnow

Noch bis weit über sein 90. Lebensjahr hinaus reiste Sonder, um seine Erinnerungen an Auschwitz und den Todesmarsch in Schulen zu teilen. Ein lebendiges Denkmal für einen Mann, der sein Leben der Erinnerung widmete.

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Die "Bank für Justin Sonder" befindet sich auf dem Brühl schräg gegenüber der Rosa-Luxemburg-Grundschule.

3. Auf dem Purple Path: "Oben-Mit" (2024)

Auf dem Chemnitzer Schillerplatz wächst eine verspielte Skulptur 3,60 Meter in den Himmel: Osmar Ostens "Oben-Mit" oder "Ein Denkmal für die guten Geister meiner Heimat". Schmale Natursteinsäulen tragen ein schimmerndes Bündel aus Nussknackern, Engeln und Bergmännern – vertraute Figuren, die durch grobe Gussnähte plötzlich fremd wirken.

Mehrere Säulen mit Nussknackern aus Metall
Die Skulptur "Oben-Mit" von Osmar Osten ist ein Kunstwerk auf dem Purple Path. Bildrechte: Osmar Osten/Johannes Richter

Heimatverbunden und zugleich ironisch hinterfragt Osten die Grenze zwischen Tradition und Kitsch. Seine Kunst oszilliert zwischen Ernst und Satire, trifft ins Schwarze – und wechselt im selben Moment die Farbe. Ein Denkmal, das Heimatgefühl und Zweifel kunstvoll ineinander verschränkt.

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Osmar Ostens Plastik "Oben-Mit" steht zwischen den Bäumen auf dem Chemnitzer Schillerplatz.

4. Das Wahrzeichen: Karl-Marx-Monument (1971)

Am 9. Oktober 1971 wurde in Karl-Marx-Stadt ein Monument enthüllt, das Symbol und Statement zugleich war: Sieben Meter hoch, 40 Tonnen schwer, entworfen vom sowjetischen Bildhauer Lev Kerbel, gegossen in Leningrad, montiert in der DDR.

Karl-Marx-Monument im Zentrum von Chemnitz, im Hintergrund ein Wohnblock
Das Karl-Marx-Monument ist das Wahrzeichen der Stadt Chemnitz. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Hendrik Schmidt

Die Büste sollte Dauerhaftigkeit ausstrahlen – doch nach der Wende stand ihr Abriss zur Debatte. Erst internationale Interessenten bewahrten sie vor dem Verschwinden. Heute ist der "Nischel" ein Wahrzeichen von Chemnitz, Touristenmagnet und Verkaufsargument – Karl Marx als Bestseller der Erinnerungskultur.

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Adresse:
Karl-Marx-Monument
Brückenstraße 10
09111 Chemnitz

5. In Stein gemeißelte Utopie: "Lobgedichte" (1972)

Auf der Brückenstraße in Chemnitz zieht das plastische Ensemble "Lobgedichte" die Blicke auf sich. Drei Reliefwände und eine Stele, gestaltet aus bulgarischem Wratza-Kalkstein, spiegeln die kommunistische Ideologie wider. Inspiriert von Bertolt Brechts Gedichten, thematisieren sie die Vision einer menschlichen Zukunft im Kommunismus.

Eine der 3 historischen Reliefwände nach Bertolt Brechts Lobgedichten in Chemnitz.
Das "Lob des Revolutionärs" ist eine von drei Reliefwänden nach Gedichten Bertolt Brechts in Chemnitz. Bildrechte: IMAGO / Hanke

Die Werke von Martin Wetzel, Eberhard Roßdeutscher und Jo Jastram, die 1972 entstanden, greifen Begriffe wie "Lob der Partei" und "Lob der Dialektik" auf – monumentale Zeugnisse einer vergangen geglaubten Utopie.

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Adresse:
Das Ensemble "Lobgedichte" befindet sich an der Chemnitzer Brückenstraße.

6. Kunst und Abkühlung: Der neue Marktbrunnen (2022)

Der neue Marktbrunnen in Chemnitz, geschaffen von Volker Beier, ist mehr als ein Wasserspiel – er ist eine künstlerische Reflexion über Stadt, Gemeinschaft und Identität. Vier kreiselförmige Elemente, zugleich abstrakt und figürlich, erinnern an Menschengruppen oder Maschinenteile.

Vier abstrakte kreiselförmige Elemente aus spiegelndem Metall.
Der neue Marktbrunnen vor dem Rathaus von Chemnitz lädt im Sommer zum Abkühlen ein. Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Ihre Spiegelungen im Wasser fordern die Wahrnehmung heraus. Der Brunnen wird so zur Installation, die Offenheit, Vielfalt und Dialog symbolisiert – ein Zeichen für ein modernes, reflektierendes Chemnitz.

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Der neue Chemnitzer Marktbrunnen befindet sich auf dem Marktplatz vor dem Alten Rathaus.

7. Besuch vom Südpol: "Pinguinkolonie" (2004)

Seit 2004 tummeln sich 14 niedliche Kaiserpinguine in Chemnitz, ein skulpturaler Gruß des Künstlers Peter Kallfels. Die Pinguine scheinen sich an einem imaginären Längengrad orientiert zu haben, der direkt in die Heimat der Tiere führt.

Mehrere bronzene Pinguine auf roter Fläche
Was haben die Antarktis und Chemnitz gemeinsam? Den gleichen Umriss und Pinguinkolonien. Bildrechte: IMAGO / Rainer Weisflog

Der Boden um sie wurde später mit neuer Farbe versehen, und plötzlich offenbart sich eine überraschende Ähnlichkeit: Der Umriss der Antarktis passt zu dem der Stadt Chemnitz. Ein Spiel mit Geografie und Kunst, das Fragen nach der Symbolik und dem Ursprung dieser ungewöhnlichen Besucher aufwirft.

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Die "Pinguinkolonie" befindet sich am Ende der Inneren Klosterstraße.

8. Provokante Kunst: "Collateral Sculptures" (2024)

Sechs beeindruckende Großplastiken prägen seit kurzem das Besucherzentrum der Kulturhauptstadt Chemnitz – ein mutiger Schritt in Richtung künstlerischer Provokation. Unter dem Titel "Collateral Sculptures" hat Unternehmer Udo Pfeifer mit zeitgenössischen Werken die Stadtkulisse verändert.

Skulpturen an der Hartmannfabrik Chemnitz Kulturhauptstadt
Die Werke der "Collateral Sculptures" an der Hartmannfabrik Chemnitz provozieren und regen zum Umdenken an. Bildrechte: Iris Ranzinger

Die Werke, darunter ein schlafendes Pferd als Gegenentwurf zum klassischen Reiterstandbild, werfen Fragen auf und fordern zum Nachdenken auf. Die Skulpturen sind mehr als Dekoration: Sie sind ein Statement, das die Macht der Kunst und ihre Fähigkeit zur Reflexion in den urbanen Raum trägt.

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Adresse:
Besuchs- und Informationszentrum der Europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz 2025
Fabrikstraße 11
09111 Chemnitz

9. Historische Kunst: "Vier Tageszeiten" (1868)

Die "Vier Tageszeiten" – Johannes Schillings Meisterwerk aus dem Jahr 1868 – fangen das sich stets wandelnde Spiel von Licht und Dunkelheit in Form allegorischer Skulpturen ein. Vom "Morgen" bis zur "Nacht" verkörpern die Figuren die Rhythmen des Lebens.

Skulpturen am Chemnitzer Schlossteich, umgeben von einem Park
Die "Vier Tageszeiten" wurden ursprünglich für die Brühlsche Terrasse in Dresden entworfen. Bildrechte: IMAGO / Wolfgang Schmidt

Ursprünglich in Sandstein gemeißelt, wurde der Zahn der Zeit 1908 durch Bronzeabgüsse bekämpft. Heute stehen die Originale im Chemnitzer Schlossteichpark, wo sie nicht nur der Witterung trotzen, sondern auch immer wieder restauriert werden, um als bleibende Erinnerung an den Zyklus von Aufbruch, Streben, Ruhe und Schlaf zu fungieren.

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Adresse:
Schlossteichpark
Schloßteichstraße 1
09113 Chemnitz

10. Farbenfroh durch die Energiewende: Die bunte Esse (2013)

Die bunte Esse des Heizkraftwerks Nord ragt 301,80 Meter in den Himmel – Sachsens höchstes Bauwerk und ein Farbsignal mit Strahlkraft. 2013 vom französischen Konzeptkünstler Daniel Buren in sieben leuchtende Farben getaucht, verwandelt sie sich bei Nacht in ein faszinierendes Lichtspektakel. Am Besten lässt sich der "Lulatsch" aus der Umgebung des Schlossteichs betrachten. Auch aus höhergelegenen Bereichen wie dem Kaßberg oder dem Rabenstein bietet sich ein beeindruckender Blick auf die bunte Esse.

Luftaufnahme eines bunten Schornsteins
Die Bunte Esse in Chemnitz erinnert farbenfroh an die Energiewende. Bildrechte: Chemnitz 2025 gGmbH / Johannes Richter

Ein Gesamtkunstwerk, das die Wahrnehmung herausfordert und neue Perspektiven eröffnet. Seit 2024 ersetzt Gas schrittweise die Braunkohleverbrennung – ein Wandel, den die Esse als Symbol einer sich verändernden Stadt farbenfroh begleitet.

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Adresse:
Bunte Esse
Dammweg 10
09114 Chemnitz

Kulturhauptstadt Chemnitz 2025 entdecken

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 18. Januar 2025 | 21:45 Uhr

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