1943 Stalingrad
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23. November 2016, 11:10 Uhr
1943 endete die Schlacht von Stalingrad - der Wendepunkt in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Keine Schlacht des 20. Jahrhunderts wurde hierzulande so oft und so intensiv von Historikern, Schriftstellern, Filmregisseuren und Überlebenden ins öffentliche und private Bewusstsein gehievt. Zahlreiche Legenden und Mythen um diese Schlacht leben bis heute in den Köpfen der Menschen und immer wieder tauchen neue Dokumente auf, welche die historische Sicht auf die damaligen Ereignisse verändern. Wie sehen wir Stalingrad heute? Wie sahen es unsere Väter? Wie der Osten, wie der Westen? Welche Mythen wurden bewusst in den letzten Jahrzehnten in die Welt gesetzt? Und mit welchem Ziel?
Von der Heldensaga zur Aufarbeitung
Schon zu Weihnachten 1942, kurz vor dem bitteren Ende der 6. Armee im Kessel von Stalingrad, versuchte sich die NS-Propaganda daran, aus dem Desaster eine Heldensaga zu stricken. "Bis zum letzten Blutstropfen kämpfen, sich opfern für das Große, in Nibelungentreue zum Führer…." Jahre später einigte man sich in der jungen DDR auf eine ganz andere Deutung, eine offizielle Interpretation, welche die Niederlage der Deutschen mit dem ruhmreichen Sieg der UdSSR und des sozialistischen Systems in Einklang zu bringen versuchte. Stalingrad mutierte in dieser Legende zu einer Art Katharsis, die Heimkehr aus der Gefangenschaft ins "Neue Deutschland" als glückliches Ende. Die ursprüngliche Gegnerschaft der beiden Völker: ausgeblendet. Die Schuldfrage der Soldaten: verschwiegen.
In der Bundesrepublik war der Widerstand gegen eine vorurteilsfreie Geschichtsbetrachtung ebenfalls gewaltig. Erst die 1968er-Bewegung begann gegen die Lügen der Väter ins Feld zu ziehen. Es folgten Jahre der Analyse politischer und historischer Zusammenhänge. Ab Mitte der 1980er-Jahre dann rückte zunehmend die Perspektive der einfachen Soldaten in den Vordergrund. Die Geburtsstunde des Mythos von der "sauberen Wehrmacht". Erst die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944", die zwischen 1995 und 1999 in mehreren deutschen Städten gezeigt wurde, thematisierte auch die Verbrechen der 6. Armee. Es folgte eine hochemotionale öffentliche Debatte.