Karrieren trotz NS-Vergangenheit

21. November 2016, 15:18 Uhr


Hans Filbinger

Der promovierte Jurist war seit 1933 Mitglied der NSDAP. Er hatte 1943 in Oslo als Ankläger das Todesurteil für den desertierten Matrosen Walter Gröger gefordert, dieses bestätigt und vollstrecken lassen. Als Marinerichter unterzeichnete Hans Filbinger 1945 zwei weitere Todesurteile. Nach 1945 war er in Freiburg im Breisgau als Jurist tätig und trat 1951 in die CDU ein. 1966 wurde Hans Filbinger Baden-Württembergs Ministerpräsident.

CDU Abgeordneter - Hans Filbinger, Mai 1976
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Nachdem ihn Schriftsteller Rolf Hochhuth im Februar 1978 in der Zeit als "furchtbarer Jurist" wegen seiner Vergangenheit betitelt hatte, strengte der Politiker zunächst eine Unterlassungsklage an. Als weitere Akten an die Öffentlichkeit zu gelangen drohten, bekannte sich Filbinger zum Fall Gröger und berief sich darauf, an Weisungen gebunden gewesen zu sein. Mit seiner Bemerkung: "Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein" läutete er selbst das Ende seiner politischen Karriere ein. Akten über zwei weitere Todesurteile gegen desertierte Matrosen markierten im Sommer 1978 das Aus für Filbinger. Am 7. August 1978 legte Filbinger sein Amt nieder, wobei er sich nach wie vor als "Opfer einer Rufmordkamagne" sah. Filbinger starb am 1. April 2007 im Alter von 93 Jahren.


Dr. Werner Best

Als Stellvertreter von Reinhard Heydrich, dem Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes, lenkte Best die "Einsatzgruppen", die nach dem deutschen Überfall auf Polen anfingen, die polnische Führungsschicht zu ermorden. 1940 ist Best nach zweimonatoger Militärausbildung in Frankreich tätig. Dort koordiniert er mit wenig Personal die Zusammenarbeit mit französischen Behörden zur Erfassung jüdischen Besitzes. Von 1942 bis 1945 war Best Reichskommissar in Dänemark. In dieser Funktion forderte er 1943 in einem Telegramm an das Auswärtige Amt für Dänemark die "Lösung der Judenfrage". Nach der deutschen Kapitulation 1945 wird er in Kopenhagen inhaftiert und dort 1948 zum Tode verurteilt. Die Strafe wird 1950 in eine zwölfjährige Haftstrafe umgewandelt. 1952 wird Best begnadigt.

Best beginnt erneut eine juristische Karriere, zunächst als Anwalt einer Essener Kanzlei, später als Justitiar eines Handelsunternehmens. Sein Antrag auf Wiedereinstellung im Auswärtigen Amt wird 1958 abgelehnt und eine Berliner Spruchkammer stuft Best als "Hauptschuldigen" ein. Best wird zu einer Geldstrafe von 70.000 Mark verurteilt.

1972 erhebt die Berliner Staatsanwaltschaft Anklage gegen Best wegen Mordes an an mindestens 8.723 Menschen unmittelbar nach Kriegsbeginn in Polen. Das Verfahren gegen Best wird wegen Verhandlungsunfähigkeit eingestellt. 1989 gilt Best nach einem seiner häufigen Auftritte als Entlastungszeuge in anderen Verfahren wegen NS-Kriegsverbrechen als verhandlungsfähig und wird erneut angeklagt. Doch zu einer Verhandlung kommt es nicht mehr. Best starb im Juni 1989.


Kurt Lischka

Der promovierte Jurist leitete das Judendezernat der Gestapo in Berlin. 1940 wurde er im besetzten Frankreich Polizeichef von Paris. Nach der NS-Zeit lebte Lischka jahrelang unbehelligt in Köln. Zwar hatte ihn ein französisches Militärgericht zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt, doch die deutsche Justiz durfte aufgrund der Pariser Verträge von 1954 niemanden verfolgen, den die Alliierten schon verurteilt hatten. Artikel 16 des Grundgesetzes schützte die im Ausland Verurteilten vor der Auslieferung, bis das 1971 von einem Zusatzabkommen geändert wurde.

Lischka wurde am 11. Februar 1980, 70 Jahre alt, vom Landgericht Köln verurteilt. Er bekam zehn Jahre Haft wegen Beihilfe zum Mord an mindestens 73.000 französischen Juden. 1985 kam Lischka auf Bewährung frei und lebte bis zu seinem Tod im Mai 1989 in Brühl bei Köln.