Hintergrund Der Fall Globke: Adenauer und die Nazis
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19. Mai 2021, 19:36 Uhr
Einst legte er Hitlers Rassegesetze aus, als Adenauers Staatssekretär war er dann 14 Jahre lang einer der mächtigsten Männer der jungen Bundesrepublik - und zugleich einer der umstrittensten: Hans Maria Globke wurde zur Symbolfigur für die unaufgearbeitete braune Vergangenheit des Landes.
Nach dem Krieg setzen die Alliierten einiges daran, Hitlers "willlige Vollstrecker" aus dem öffentlichen Leben im Nachkriegs-Deutschland zu verbannen. In manchen Fällen, wie dem von Reinhard Gehlen oder Hans Maria Globke, ist deren Know-how aber wohl zu wertvoll, um es ungenutzt zu lassen. Bei der Entnazifizierung wird Globke der Status "unbelastet" - Kategorie V zuerkannt. Er tritt in die CDU ein. Schon 1948 wird er in den Aufbau der Bundesverwaltung einbezogen. 1949 holt ihn Adenauer ins Bundeskanzleramt. Bis 1953 steigt er als Staatssekretär zu Adenauers engstem Mitarbeiter auf und ist 14 Jahre lang einer der mächtigsten Männer der Bundesrepublik.
Hans Globkes Karriere in der NS-Zeit
Seine Vergangenheit scheint vergessen: Hans Globke beginnt nach dem Ersten Weltkrieg sein Jura-Studium. Eine steile Beamtenkarriere folgt, die er auch in der NS-Zeit fortsetzen kann: Bis 1945 arbeitet er als Ministerialrat und Referent für Staatsangehörigkeitsfragen in Hitlers Reichsinnenministerium.
In dieser Funktion verfasst er einen von vier Kommentaren zu den Nürnberger Rassengesetzen von 1935, mit denen die Verfolgung der Juden in Deutschland einen rechtlichen Rahmen bekommt.
Hans Globke und die Verfolgung von Juden
Globke verteidigt sich gegen Angriffe wegen seiner braunen Vergangenheit, er habe versucht, im Rahmen seines Amtes, die Gesetze abzumildern. Außerdem habe er gehofft, der gesetzliche Rahmen werde wenigstens der willkürlichen Diskriminierung der Juden ein Ende setzen.
Eine ähnliche Argumentation verfolgt er an anderer Stelle. Als Referent für Fragen der Staatsangehörigkeit schlägt Globke 1938 vor, alle Juden zu zwingen, die zusätzlichen Vornamen "Israel" und "Sarah" anzunehmen. Seine spätere Begründung: Er habe damit nur Vorschlag Hitlers abwenden wollen, nach dem alle Juden als zusätzlichen Familiennamen "Jud" hätten führen müssen. Er stellt sich als frommen Katholiken dar, der Juden wie dem Heidelberger Rechtsprofessor Walter Jellinek und anderen Verfolgten des Naziregimes geholfen und sie in Rechtsfragen beraten habe. Er beruft sich darauf, dass er Mitglied der katholischen Zentrumspartei war und auch Kontakt zu Kreisen des Widerstands hatte.
Schauprozess in der DDR: In Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt
Für viele im In- und Ausland bleibt Globke dennoch eine Symbolfigur für die unaufgearbeitete braune Vergangenheit der jungen Bundesrepublik. Sie werfen Adenauer vor, durch sein unbedingtes Festhalten an Globkes Person, dem Ansehen der Bundesrepublik zu schaden. Selbst Jahre nachdem Globke aus dem Amt geschieden ist - 1963 - und Adenauer 1966 Ben Gurion in Tel Aviv trifft, empfangen ihn Demonstranten, die ihn für seine Haltung Globke gegenüber kritisieren.
Andere revidieren ihre Meinung und führen Gründe der Staatsräson dafür an. Zu ihnen gehört der SPD-Politiker Egon Bahr, ehemals Staatssekretär und enger Berater des späteren SPD-Kanzlers Willy Brandt. Zuerst kritisierte er Globkes Aufstieg als "unausgesprochene Amnestie für hohe NS-Funktionäre", dann revidierte er sein Urteil:
... weil ich erkannte, dass er eine gigantische Aufgabe vor sich hatte, nämlich die Integration des neuen Staates zu machen mit Millionen von NSDAP-Mitgliedern und Millionen von Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten, d.h., das war ja politischer Sprengstoff. Und ich glaube, das ist die größte Tat, die Adenauer geschafft hat, diesen Staat dennoch zu integrieren und Globke war ein Instrument, oder ein Zeichen oder ein Signal dafür.
Die DDR schlachtet den Fall Globke als Beispiel für die personellen Kontinuitäten zwischen der NS-Zeit und der BRD aus. In einem Schauprozess wird Globke in der DDR in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Im selben Jahr, im Oktober 1963, endet seine Karriere mit dem Rücktritt Adenauers.
Die Kontroverse um Globkes Person und seinen Aufstieg in der Nachkriegszeit hält bis heute an.
"Nürnberger Rassegesetze" (1935)
Zur "Reinerhaltung deutschen Blutes" wurden danach etwa Ehen und der außereheliche Geschlechtsverkehr zwischen Juden und "Deutschblütigen" als "Rassenschande" verboten.
Globke, der später immer behauptete, sein Kommentar habe nur der Milderung der NS-Gesetze gedient, hatte in diesem Fall den Tatbestand sogar erweitert.
Strafbar waren nach seiner Interpretation neben dem Geschlechtsverkehr von Juden und Ariern auch schon "beischlafähnliche Handlungen".
Auch wenn der Tatbestand der "Rassenschande" allein nicht die Todesstrafe nach sich zog, so fügten in der Praxis die Richter oft unter fadenscheinigen Vorwänden weitere Tatbestände hinzu, um ein Todesurteil begründen zu können.
Hans Globke - Der Mann hinter Adenauer
Trotz seines Wirkens stieg er unmittelbar nach dem Ende der Nazi-Diktatur in der Bundesrepublik zum "Mann hinter Adenauer" auf. Schon 1946 trat er in die CDU ein. Er koordinierte die Landesverbände der Partei und verteilte die Spendengelder der Industrie. Er wurde Adenauers Mann für vertrauliche Angelegenheiten - nach innen wie außen: Er kontrollierte den neugegründeten Verfassungsschutz und bereitete die Übernahme der Organisation Gehlen als künftigen Bundesnachrichtendienst vor. Er vermittelte die zunächst heimliche Wiederaufrüstung der Bundesrepublik. Er zog sogar die Strippen bei den Wiedergutmachungsverhandlungen mit Israel Anfang der 50er-Jahre.
Eichmann entlarvt Globke
Reinhard Strecker, ein Student, der unter den Nazis einen Großteil seiner Familie verlor, trug als Erster entlarvende Dokumente über Globkes Wirken in der NZ-Zeit zusammen. 1961 veröffentlichte er ein Buch: Dr. "Hans Globke. Aktenauszüge, Dokumente".
Eichmanns Verteidiger brachte es seinem Mandanten, der meinte, es für seine Strategie im Prozess nutzen zu können, sich als reinen Befehlsempfänger darzustellen. Eichmann verfasste einen 40 Seiten langen Kommentar zu dem Buch. Sie galten als verschollen. Jürgen Bevers und Bernhard Pfletschinger fanden sie jedoch im Bundesarchiv.
Darin bekräftigt Eichmann, er sei nur ein Befehlsempfänger des Reichsinnenministeriums, also auch Globkes gewesen. Mit Blick auf Globkes höhere Befugnisse in der Nazi-Zeit beschwert er sich: "Hier Staatssekretär einer Regierung; da zum Tode verurteilt!"
Literaturhinweise:
Reinhard Strecker: Dr. Hans Globke. Aktenauszüge, Dokumente. Ruetten & Loening, 1961
Jürgen Bevers: Der Mann hinter Adenauer. Hans Globkes Aufstieg vom NS-Juristen zur Grauen Eminenz der Bonner Republik. Christoph Links Verlag, Berlin 2009
Erik Lommatzsch: Hans Globke. Beamter im Dritten Reich und Staatssekretär Adenauers. Campus Verlag, Frankfurt/M. 2009
Stephan Reinhardt: Der Fall Globke. In: Neue Gesellschaft - Frankfurter Hefte 5, 1995, S. 437–447