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Gründung am 4. April 1949 Die Nato: Militärbündnis oder auch Wertegemeinschaft?

04. April 2024, 05:00 Uhr

Angelegt ist sie als Verteidigungs-Bündnis – Kritikern gilt sie dagegen als Kriegstreiber: Die Nato ist das einflussreichste Militärbündnis der Welt. Gegründet wurde sie, als sich nach dem 2. Weltkrieg neue Konflikte zwischen den Supermächten USA und Sowjetunion auftaten. Die Vereinigten Staaten wollten ihren Machtbereich vergrößern und in den westlichen Ländern Europas erklang der Ruf nach einer sicheren Verteidigungsstrategie zum Schutz vor dem erstarkenden Kommunismus. Es war die Geburtsstunde des bis heute einflussreichsten sicherheitspolitischen Bündnisses der Welt.

Nach dem 2. Weltkrieg: Konflikt zwischen USA und Sowjetunion

Der 2. Weltkrieg ist zu Ende. Doch kaum ist der Kampf gegen den Nationalsozialismus abgeschlossen, rüsten sich die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten für den nächsten – den Kampf gegen den Kommunismus. Die politischen und ideologischen Differenzen zwischen den neuen globalen Supermächten USA und Sowjetunion scheinen nun unüberwindbar, denn die beide Staaten wollen ihren Einflussbereich ausdehnen. Aus den ehemals Alliierten werden nun Bedrohungen ihrer jeweiligen Systeme. Die Furcht vor der Ausdehnung des Machtbereichs der Sowjetunion verbreitet sich auch in den westlichen Ländern Europas. Ereignisse wie die sowjetische Berlin-Blockade oder die kommunistische Machtergreifung in der Tschechoslowakei schüren diese Ängste. Einige Länder wie Norwegen, Griechenland oder die Türkei scheinen besonders bedroht von kommunistischen Expansionsversuchen. Es keimt der Wunsch nach einer dauerhaften Sicherheit, einer Stabilität, welche der Kommunismus nicht zu Fall bringen kann. Eine gemeinsame Allianz mit der Unterstützung der USA scheint dafür die beste Lösung zu sein – Es ist die Geburtsstunde der Nato.

Verteidigungsbündnis Nato gegründet

Am 4.4.1949 wird in Washington mit einer feierlichen Zeremonie und Vertragsunterzeichnung die NATO (North Atlantic Treaty Organization) ins Leben gerufen.
Am 4.4.1949 wird in Washington DC mit einer feierlichen Zeremonie und Vertragsunterzeichnung die Nato ins Leben gerufen. Bildrechte: picture-alliance / dpa | epa AFP

Am 4. April 1949 unterzeichneten in Washington DC die USA zusammen mit den elf Nationen Kanada, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Dänemark, Island, Norwegen, das Vereinigte Königreich, Italien und Portugal das sogenannte Nordatlantikabkommen, namensgebend für das damit zusammenhängende Bündnis – die Nato ("North Atlantic Treaty Organization"). Am 24. August 1949 trat dieses in Kraft. Das Hauptquartier und damit der Sitz des Nordatlantikrats, des höchsten Entscheidungsgremiums, wurde von London über Paris bis schließlich nach Brüssel verlegt. Die Hauptaufgabe des ursprünglich nur für 20 Jahre ausgelegten Verteidigungsbündnisses bestand in erster Linie in Machtdemonstration und Abschreckung. Die Mitglieder einigten sich darauf im Falle eines Angriffs gegenseitig militärische Hilfe zu leisten. Darüber hinaus verstand sich die Nato aber auch als wirtschaftliche Allianz und als Wertegemeinschaft, die sich gemeinsam für den Ausbau und die Sicherung der freiheitlich, demokratischen Staatsordnung einsetzte. Nachdem sie anfänglich aus jeglichen Beteiligungen ferngehalten wurde, trat 1955 auch die Bundesrepublik der Nato bei – ein Ereignis mit weitreichenden Folgen.

Wettrüsten mit dem Warschauer Pakt

Nur fünf Tage nach dem Nato-Beitritt der Bundesrepublik wurde in Warschau ein Gegenbündnis ins Leben gerufen. Auch die sozialistischen Staaten Europas Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Albanien und die DDR schlossen unter Führung der Sowjetunion einen militärischen Beistandspakt – den sogenannten Warschauer Pakt. Damit wurden die Fronten der beiden Konfliktparteien USA und Sowjetunion abgesteckt und der sinnbildliche "Eiserne Vorhang" teilte Europa.

Eine Demonstration der Friedensbewegung gegen den Staatsbesuch von US-Präsident Ronald Reagan in Bonn.
Eine Demonstration der Friedensbewegung gegen den Staatsbesuch von US-Präsident Ronald Reagan in Bonn. Bildrechte: IMAGO / Sven Simon

Die Vereinbarung der Nato-Mitglieder scheint damit an Bedeutung gewonnen zu haben. Bei einem militärischen Angriff eines der Mitglieder sind die anderen dazu verpflichtet nach eigenem Ermessen alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz des Bündnispartners zu ergreifen – auch mit Waffengewalt. Diese Situation ebnet den Siegeszug der Atomwaffe. Abschreckung wird zur obersten Divise. 1957 wird die Nuklearstrategie der "Massiven Vergeltung" beschlossen. Angriffe auf die Territorien der Nato-Staaten sollen mit einem nuklearen Gegenschlag beantwortet werden. Es ist eine Zeit des intensiven Wettrüstens auf beiden Seiten. Kurze Phasen der Abrüstung werden immer wieder durch Krisen und Resolutionen wie den Nato-Doppelbeschluss von 1979 unterbrochen. Bis zum Ende der Sowjetunion ist die Bedrohung durch einen nuklearen Krieg Realität und die beiden deutschen Staaten werden zum Schauplatz des Kalten Krieges.

Die DDR und der Warschauer Pakt

Die "Warschauer Vertragsorganisation" (WVO) war für die Sowjetunion ein Mittel zur Einflussnahme und Kontrolle über die Bündnisländer beispielsweise durch Truppenstationierungen. Allein in der DDR wurden zwischen 350.000 und 500.000 sowjetische Soldaten stationiert. Unter dem Druck Moskaus verfolgte die SED-Führung eine zunehmende Militarisierung der Gesellschaft unter anderem durch den Aufbau der Nationalen Volksarmee und der Rüstungsindustrie. Die Armee der DDR stand als einzige nicht nur teilweise, sondern vollständig unter dem Oberbefehl des Warschauer Pakts. Im Falle eines Angriffs entschied der Kreml über den Umfang und Zeitpunkt der militärischen Hilfe. Für die DDR war die Unterzeichnung des Warschauer Vertrages aber auch ein Schritt in Richtung Anerkennung und Gleichberechtigung unter den "sozialistischen Bruderstaaten".

Die DDR als Pufferzone zwischen Nato und der Sowjetunion

Graffiti gegen den NATO Doppelbeschluss an einer Mauer, 1985.
Graffiti gegen den Nato-Doppelbeschluss an einer Mauer in Ostberlin, 1985. Bildrechte: IMAGO / Frank Sorge

Durch die Beteiligung am Warschauer Pakt wurde das DDR-Territorium zum Aufmarschgebiet eines möglichen Krieges zwischen WVO- und Nato-Staaten. Aus SED-Propagandaformaten wie dem Schwarzen Kanal ertönten regelmäßig Parolen wie "Der Frieden muss bewaffnet sein". Wer sich dagegen positionierte oder auch nur den Unterschied zwischen sowjetischen und amerikanischen Waffen nivellierte, wurde schnell zum Staatsfeind erklärt. Die Nato war ein "Angriffsbündnis" und westliche Waffen galten als "Angriffswaffen". Nur die östlichen "Verteidigungswaffen" besaßen Legitimität. Das Wettrüsten blieb in der DDR nicht unerkannt. In den 1970er-Jahren wuchs auch hier die Angst vor einem Atomkrieg. Was die Öffentlichkeit aber nicht wusste – bereits 1958 befahl Kreml-Chef Chruschtschow die Stationierung erster atomarer Mittelstreckenraketen in der DDR. Das kleine Land wurde zum wichtigsten geopolitischen Vorposten Moskaus deklariert. Als eine militärstrategische Pufferzone sollte die DDR bei einem möglichen Nato-Angriff als temporärer Rammbock dienen, bis sich die sowjetische Armee im Osten formiert hätte. Der Wunsch nach Frieden war auch hier erstarkt, doch das Organisieren in Friedensbewegungen war in der DDR eine riskante Angelegenheit.

Zwei-plus-Vier-Vertrag

Unterzeichnung  Zwei-plus-Vier-Vertrag in Moskau September 1990
Vertragsunterzeichnung durch die Außenminister am 12. Septmber 1990 in Moskau. Der damalige Außenminister der Bundesrepublik (1.v. l.), Hans-Dietrich Genscher (FDP), setzte sich dafür ein, dass die Verhandlungen unter der Formel "Zwei plus Vier" geführt werden und verwies damit auf die entscheidende Rolle der beiden deutschen Staaten bei der Vertragsausarbeitung. Bildrechte: imago images/Rainer Unkel

Im Februar 1990 beschlossen Vertreter der USA, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion Verhandlungen, um außenpolitische Fragen im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung zu regeln. Am 12. September 1990 wurde der Zwei-plus-Vier-Vertrag im vollständigen Wortlaut "Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland" zwischen den beiden deutschen Staaten und den vier Siegermächten des 2. Weltkrieges in Moskau unterzeichnet und trat am 15. März 1991 in Kraft. Im zehn Artikel umfassenden Vertrag wurde unter anderem die Truppenstärke der Bundeswehr, der Abzug der sowjetischen Truppen bis 1994 aus dem Gebiet der ehemaligen DDR und die freie Bündniswahl der Bundesrepublik vereinbart.

Im Zuge des Ukraine-Kriegs, aber auch schon zuvor gibt es Diskussionen über die Nato-Osterweiterung und den mündlichen Zusagen gegenüber der Sowjetunion bezüglich der Nichterweiterung nach Osten. Im Zwei-plus-Vier-Vertrag wurde jedoch lediglich festgelegt, dass keine ausländischen Streitkräfte oder Atomwaffen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR stationiert werden.

Neudefinition der Nato

Die Nato überdauerte den Warschauer Pakt und die Sowjetunion. Ab den 1990er-Jahren wandelte sie sich im Zuge weiterer Konflikte wie den Balkankriegen oder des Kosovo-Konflikts zu einem Interventionsbündnis, welches seine Einsätze auch außerhalb des eigenen Gebiets ("out of area") ausweiten konnte. Durch die Chance des Beitritts bot die Nato den ehemaligen Ländern des Warschauer Pakts eine attraktive Perspektive, die die Entwicklung und Stabilisierung der jungen Demokratien im ost- und mitteleuropäischen Raum förderte. Dies führte zur Erweiterung des Bündnisses bis an die Grenze Russlands. Die ehemaligen Sowjetstaaten versprachen sich, wie einst die westeuropäischen Nationen, Schutz vor einem möglichen russischen Angriff. Nach der russischen Invasion in die Ukraine traten zuletzt Finnland und Schweden dem aktuell wichtigsten sicherheitspolitischen Bündnis der Welt bei.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Story im Ersten | 03. April 2024 | 22:50 Uhr

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