Prof. Dr. Dr. Dathe Verständiger Zoologe und leidenschaftlicher Zoodirektor
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08. November 2010, 16:00 Uhr
Man kannte ihn nur als Dr. Dr. Dathe. Aus den Trümmern des Weltkrieges schufen er und seine Mitarbeiter 1955 den Tierpark Berlin und das trotz der schwierigen Situation in einer geteilten Stadt. Allein im Eröffnungsjahr kamen 600.000 Besucher. Für Dathe eine große Bestätigung. Mehr noch zählte für ihn aber das internationale Ansehen und die wissenschaftliche Relevanz.
Als Sohn eines Bürovorstehers wurde Heinrich Dathe am 7. November 1910 im vogtländischen Reichenbach geboren. In seinen Jugendjahren siedelte die Familie nach Leipzig um. Hier legte Heinrich Dathe 1926 sein Abitur ab und begann mit dem Studium der Zoologie, Botanik und Geologie. Bei Prof. Karl Max Schneider, seinem lebenslangen Vorbild, erhielt er eine Assistentenstelle im Zoologischen Garten Leipzig. Nach seiner Doktorarbeit "Über den Bau des männlichen Kopulationsorgans beim Meerschweinchen" trat Heinrich Dathe 1944 die Stelle des stellvertretenden Direktors am Zoo Leipzig an.
Von 1932 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges war Dathe Parteigänger der NSDAP, ein biografisches Kapitel, das später für Diskussionsstoff sorgte. Dathe räumte in seiner posthum erschienenen Autobiographie die politische Vergangenheit als Fehler ein. Nach der Teilung Deutschlands hatte der Osten drei renommierte Tierparks vorzuweisen: Halle, Dresden und Leipzig. Da der Leipziger Tierpark der bedeutendste war, sollte Dathe beim Aufbau des Berliner Tierparks helfen. Er stand auf der Liste als neuer Zoodirektor ganz oben - und war zunächst wenig begeistert, aus seiner "geliebten Messestadt in das Häusermeer Berlins überzusiedeln". Doch er erkannte schnell seine große Chance.
Dathe konnte Menschen begeistern
Familie Dathe zog mit den drei Kindern auf das neue Zoogelände in Berlin. Es war der Schlosspark in Friedrichsfelde. Der damalige Zooverein hatte große Pläne: "Es handelt sich darum, für die Werktätigen, namentlich für die in den östlichen und nördlichen Teilen Berlins wohnhafte Arbeiterbevölkerung, einen Tierpark zu erstellen, der volkstümlich gehalten allgemein beliebte und sehenswerte Tiere gegen ein möglichst geringes Eintrittsgeld zeigen soll."
Die Herausforderung, einen neu zu gründenden Tierpark zu führen, war groß. Es gab kaum Gelder, fachlich kompetente Mitarbeiter waren rar, das Berufsbild Zootierpfleger hatte sich noch nicht etabliert. Dathe selbst stellte den weltweit ersten Lehrling der Zootierpflege ein. In den Anfangsjahren des Tierparks herrschte eine nahezu familiäre Atmosphäre. Es gab viele tatkräftige Helfer. Mit Dathes sanfter und gleichsam dominanter Art wusste er die Menschen für seine Ziele zu begeistern. Zur Eröffnung im Jahr 1955 beherbergte der Tierpark 400 Tiere. "Die Menschen hatten Freude etwas zu schaffen für sich, und der Professor hat das nie vergessen", so die Reporterin und journalistische Begleiterin Dathes, Karin Rohn.
Dathe als Marketingstratege
Nach einem ersten Interview mit Karin Rohn, die für den "Berliner Rundfunk" arbeitete, war es Dathes Idee, eine dauerhafte Sendung zu etablieren. Und tatsächlich strahlte bald darauf der Berliner Rundfunk jeden Sonntag die Sendung "Im Tierpark belauscht" aus. 1.774 Gespräche zwischen Reporterin Rohn und Prof. Dr. Dr. Dathe entstanden in 36 Jahren und wurden zu einer der beliebtesten Rundfunksendungen der DDR. Innerhalb kurzer Zeit entwickelte sich der Zoodirektor mit seinen kompetent erzählten Geschichten über Tierarten, Artenschutz und zoologische Forschung zu einem Medienstar. Zuschriften aus Ost und West erreichten regelmäßig die Redaktion, Dathe stand im direkten Kontakt zu seinen Hörern. Auch die Fernsehsendung "Tierparkteletreff" verhalf dem Tierpark zu großer Bekanntheit und traf auf starkes Publikumsinteresse.
Grenzenlose Wissenschaft
Aber sein Wunsch, öffentlich über die wunderbare Welt der Tiere zu sprechen, ging über eine einfache Marketingstrategie hinaus. Denn Dathe war Forscher, seit 1957 trug er den Professorentitel und er wollte sein Wissen und seine Leidenschaft an die nachkommende Generation weiter vermitteln. Unter seiner Leitung gründete sich ein Jugendclub, der diverse Arbeitsgemeinschaften hervorbrachte. Darüber hinaus entstand eine pädagogische Abteilung, die dem Tierpark bis heute erhalten blieb.
Dathes Ansehen ging weit über die Landesgrenzen hinaus. Als Chef des Weltverbandes der Zoologen unternahm er zahlreiche internationale Reisen. Seine wissenschaftlichen Arbeiten waren unter Kollegen bekannt und geschätzt. In der DDR gehörte er zur Prominenz und ließ sich die Vorzüge mit Villa, Dienstpersonal und Chauffeur gern gefallen. Parteimitglied aber war er nicht. Eher versuchte er, den Zoo politisch neutral zu halten. Einschränkungen bekam auch Dathe zu spüren. Beispielsweise scheiterte der Bau eines Aussichtscafés an der Befürchtung der Staatssicherheit, von dort könne man Einsicht nehmen in die benachbarte Bezirksverwaltung.
Dathes Erbe
Zwischen 1958 und 1990 war Heinrich Dathe zusätzlich zu seiner Direktorentätigkeit als Leiter der "Forschungsstelle für Wirbeltierforschung (im Tierpark Berlin)" der Akademie der Wissenschaften der DDR aktiv. Als Herausgeber mehrerer Fachzeitschriften publizierte er zudem nahezu 1.000 wissenschaftliche und populärwissen-schaftliche Artikel. 1991 starb Prof. Dr. Dr. Dathe in Berlin.
Der Tierpark erstreckt sich heute auf einer Fläche von 160 Hektar. Mit über 7.000 Tieren aus 1.000 unterschiedlichen Arten zählt er nach wie vor zu den größten Tierparks Europas. Sein leidenschaftlich und zielstrebig erbauter Landschaftstiergarten sollte Heinrich Dathes eigenen Visionen entsprechen: "Ich mochte als Junge keinen Zoo. Ich hielt ihn für ein Gefängnis, in dem man Tiere einsperrte." Dathe wollte Zooleben neu definieren. Daran arbeitete er sein Leben lang.