Ein Elefant im Fahrstuhl Wie der Leipziger Zoo zu seinen exotischen Tieren kam
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31. März 2021, 14:37 Uhr
Schon zu DDR-Zeiten war der Leipziger Zoo ein Besuchermagnet. Trotz eingeschränkter Reisefreiheit konnte man hier die Lust auf exotisches stillen. Doch woher kamen die seltenen Tiere? Der ehemalige Tierpfleger Freddy Kuschel, der 45 Jahre im Leipziger Zoo gearbeitet hat, erinnert sich.
Freddy Kuschel hatte jahrelang im Leipziger Zoo den sogenannten "Ochsenposten". Der Begriff hatte sich unter den Zoo-Mitarbeitern eingebürgert, weil dieser nur das Betreuen von Rindern und Hirschen beinhaltete. "Andere Tiere gab es nach dem Krieg eben noch nicht", erzählt Kuschel, der 1967 seine Ausbildung zum Tierpfleger in Leipzig begonnen hatte. Doch der "Ochsenposten" wurde schnell aufgewertet. Der damalige Zoodirektor Siegfried Seifert, der von 1964 bis 1993 die Leitung inne hatte, beschaffte Breitmaulnashörner, Anoas und Schneeziegen. "Das waren zu Ost-Zeiten ganz exotische Tiere", so Kuschel. Besonders Nashörner, die von jeher zu Kuschels Lieblingstieren gehören, waren eine Seltenheit.
Sonder-Reiserecht für Zoodirektor
Während es für die meisten DDR-Bürger nur sehr eingeschränkt möglich war, ins Ausland zu reisen, hatte der Direktor ein Privileg: Zur Tierbeschaffung durfte er in den Westen der Bundesrepublik reisen. Dorthin gab es sehr gute Beziehungen zu Tierhändlern. Leipzig hatte zusätzlich noch zu einem holländischen Händler Kontakt und bekam über diesen die ganz exotischen Tiere. "Der Leipziger Zoo galt international schon immer als etwas Besonderes und hatte daher bestimmte Sonderrechte", erinnert sich Pfleger Kuschel. Zu einem dieser Sonderrechte gehörte auch das Reisen nach Amerika. "Der Direktor kam immer recht begeistert wieder und hatte neue Ideen mit im Gepäck. "So zum Beispiel, was den Aufbau der zoologischen Parkanlage anging. Denn die Anlagen in Amerika waren um einiges größer als die in Leipzig.
Exotische Tiere gleich exotische Nahrung?
Während Bananen oder Südfrüchte für viele in der DDR nur schwer zu ergattern waren, hatte der Zoo auch hier Privilegien: Sonderkontingente. Doch auch diese waren beschränkt. Also mussten die Tierpfleger bei der Nahrung für ihre Exoten improvisieren. "Es ist ein Irrglaube, dass exotische Tiere unbedingt besondere Nahrung brauchen", so Kuschel. Die Tiere hätten damals einheimisches Obst bekommen. Erdbeeren. Pfirsiche. Verschiedene Beeren. "Das war ja bei uns in der heimischen Küche auch nicht anders, da mussten wir auch nehmen, was da war", berichtet der geborene Thüringer. "Man glaubt immer, Papageien brauchen unbedingt Orangen oder Bananen, aber das ist nicht so."
Mit dem Tiger in den Kindergarten
Zu DDR-Zeiten sei der Zoo Kult gewesen, weil die Besucher so die Möglichkeit hatten, trotz der eingeschränkten Reisefreiheit seltene Tiere auf engstem Raum zu sehen. Laut Kuschel war auch der Umgang mit den Tieren und Besuchern ein ganz anderer als heute. "Früher konnten sich die Kinder noch über das Gitter beugen und den Rüssel der Elefanten streicheln", erzählt der 69-Jährige. Zum Kindertag am 1. Juni wurden Tiger in die Kindergärten und Schulen gefahren.
"Wir hatten zwei oder drei verschiedene Teams junger Tiger", so Kuschel. "Die haben wir im Laufe des Tages ausgetauscht, weil das echter Stress für die Tiere war." Der ehemalige Leipziger Zoodirektor nahm auch durchaus zu Staatsbesuchen, Geburtstagen oder anderen wichtigen Anlässen ein Zootier mit in die Stadt. Freddy Kuschel erinnert sich, wie einmal der Direktor Elefanten aus Vietnam ins Universitätsgebäude mitnahm und Fahrstuhl fahren ließ.
Geschichte des Zoo Leipzig
Häufig sind die Zoos im Umfeld von Kneipen entstanden. So auch der Leipziger Zoo. Ursprünglich war der "Pfaffendorfer Hof" von Gastwirt Ernst Pinkert ein Kutschertreffpunkt im Leipziger Zentrum. Um Werbung zu machen und weil er gut mit dem Hamburger Tierhändler Carl Hagenbeck befreundet war, hielt sich Pinkert seltene Tiere. Wenige Jahre später, am 9. Juni 1878, entstand daraus ein richtiger Zoo: der Zoo Leipzig.
Der Zoo als unpolitische Institution
Auch als Freddy Kuschel nach 45 Jahren in Rente gegangen ist, hat sich der Kultstatus des Leipziger Zoos nicht geändert. Der Zoo war zu DDR-Zeiten eine "unpolitisch" Institution und musste nicht unbedingt den sozialistischen Leitbildern entsprechen, wie beispielsweise Museen oder Theater. "Daher sind die Leute früher wie heute gerne in den Zoo gegangen", so Freddy Kuschel.
Über dieses Thema berichtete der MDR im SACHSENSPIEGEL: 30.05.2018 | 20:14 Uhr