Deutscher Weltraumbahnhof Vorerst kein deutscher Raketenstart in der Nordsee
Hauptinhalt
30. Juni 2024, 05:00 Uhr
Im Sommer 2024 sollte der erste kommerzielle Raketenstart von deutschem Territorium aus starten. Der Launch wurde nun auf unbestimmte Zeit verschoben. Doch warum soll Deutschland seinen eigenen Weltraumbahnhof bekommen?
Deutschland soll zukünftig einen eigenen Weltraumbahnhof unterhalten; der Raketenstart von der Nordsee aus war eigentlich für den Sommer 2024 geplant. Den wird es vorerst nicht geben, erklärte am Mittwoch (26. Juni) eine Sprecherin des Bremer Raumfahrtunternehmens OHB – das an dem Unterfangen maßgeblich beteiligt ist.
Technisch sei der Start zwar durchführbar, jedoch seien fehlende Unterlagen seitens der Behörden schuld an der erneuten Verschiebung, berichtet das Raumfahrtunternehmen. Über erneute Startmöglichkeiten wurden keine Angaben gemacht.
Was hat es mit dem deutschen Weltraumbahnhof auf sich?
Deutschland soll im internationalen Vergleich konkurrenzfähiger werden, besonders angesichts des steigenden Marktes für Kleinsatelliten. Mit einem eigenen Zugang zum Weltall könnten mit einem deutschen Weltraumbahnhof auch nationale Regierungssatelliten schneller in den Orbit gebracht werden.
Ausgefallene Kleinsatelliten – die beispielsweise durch eine Kollision mit Weltraumschrott zerstört oder beschädigt wurden – könnten dadurch ebenfalls schneller ausgetauscht werden. Vorausgesetzt, es gibt auf der Erde entsprechende Backup-Satelliten von der Bundeswehr oder anderen betroffenen Institutionen, die klein genug sind.
Denn anders als bei bestehenden Startplattformen wie in Cape Canaveral (USA), Baikonur (Kasachstan), Kourou (Französisch-Guayana) oder anderen weltweit verteilten Weltraumbahnhöfen, soll die Startplattform in der Nordsee nur Kleinraketen starten lassen. Diese sogenannten Microlauncher sind ungefähr 30 Meter lang – damit weitaus kleiner als etwa die SpaceX-Rakete Falcon 9 mit ihren etwa 70 Metern Länge. Entsprechend können sie keine riesigen Raumsonden wie etwa das Weltraumteleskop James Webb ins All befördern.
Deutschland bekommt kein Cape Canaveral
Jedoch sollen in den nächsten Jahren immer mehr Kleinsatelliten (Cube Sats) in den erdnahen Orbit (Leo, low Earth orbit) gebracht werden. Das können kleine Erdbeobachtungssatelliten wie die von Planet sein oder Internetsatelliten wie die von Starlink – wobei Elon Musk und SpaceX für den Transport ihres Satellitennetzwerkes weiterhin auf ihre eigenen Raketen setzen werden.
Der Start mit einem Microlauncher soll weitaus kostengünstiger werden als der Startplatz auf einer größeren Rakete. Und auch der Bau von Cube Sats fällt ebenfalls weniger kostenintensiv aus. Dadurch haben weitaus mehr Forschungsinstitutionen die Möglichkeit auf Durchführung von Experimenten oder die Erprobung von Weltraumtechnologien in der Schwerelosigkeit.
Bei der deutschen Startplattform handelt es sich um ein umgebautes Frachtschiff, das von Bremerhaven auf die Nordsee hinausfahren soll. Die Microlauncher würden über unbesiedeltes Gebiet hinweg fliegen. Bei einem möglichen Fehlstart würde somit kein Menschenleben gefährdet. Durch die dichte Besiedlung Deutschlands wäre die Errichtung eines Weltraumbahnhofs beispielsweise in Mitteldeutschland daher unmöglich.
Die Startplattform der Gosa
Die Initiative für das Projekt wurde vor etwa vier Jahren auf der deutschen Weltraumkonferenz des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) vorgestellt. Damals erklärte der BDI, dass die zunehmende Kommerzialisierung der Raumfahrt (New Space genannt) eine große Chance für Deutschland sei.
Durchgeführt wird die Startplattform von der Gosa, der German Offshore Spaceport Alliance. Dieses Konsortium besteht neben der OHB aus dem Seehafen- und Logistikdienstleister BLG Logistics, dem Versicherungsunternehmen Lampe & Schwartze, der Bremer Reedereigruppe Harren Group, der MediaMobil Communication GmbH für Satellitenkommunikation und dem Beratungsunternehmen Tractebel DOC Offshore.
Das umgebaute Spezialschiff ist mit einer Launchbox ausgestattet, in der die Microlauncher bereits vor der Abfahrt des Schiffes untergebracht sind. Das Schiff wird dann zum sogenannten Entenschnabel in der Nordsee aufbrechen, einem nach Nordwesten reichenden Festlandsockelsektor, der die deutsche Wirtschaftszone ausmacht. Anschließend soll die Rakete mit einem Mechanismus senkrecht aufgerichtet werden und darf dann in den Weltraum aufbrechen.
Horizontal- statt Senkrechtstart?
Neben der Gosa und ihrer mobilen Startplattform wird, unabhängig davon, auch an der Ostseeküste in Rostock-Laage an dem Konzept eines Weltraumbahnhofs gearbeitet. Auch von hier wird zeitnah noch keine Weltraumfracht in den Orbit gelangen.
Ohnehin sieht dieses Konzept keine traditionellen vertikalen Raketenstarts vor. Von hieraus sollen Spezialflugzeuge starten, die einen Microlauncher unter dem Flügel angebracht haben. In entsprechender Höhe wird diese Rakete abgeworfen und zündet dann in der Horizontalen auf ins All. Virgin Orbit von Milliardär Richard Branson hätte ein möglicher Kunde sein können. Jedoch ist das Unternehmen bankrott, und alternative Dienstanbieter gibt es gerade kaum.
Das norddeutsche Unternehmen Gaia Aerospace arbeitet zwar an einem Konzept für sogenannte Air-Launchs, wird jedoch zeitnah keine Raketen ins All starten können. Wann die erste kommerzielle Trägerrakete von deutschem Territorium aus starten wird, bleibt somit weiterhin unklar.
Dieses Thema im Programm: MDR+ | Weltall vs. Tiefsee – Debatten auf dem Silbersalz-Festival | 28. Oktober 2023 | 15:00 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/70a814e0-4dec-463d-8e60-c5db89affe4e was not found on this server.