Dienstag, 13.06.2023: Stille Nacht im Juni
Auf meinem Schreibtisch singt ein Weihnachtsengel. Im Juni. Er sitzt da, auf einer winzigen goldenen Bank, hat grüne Flügel, und singt aus einem noch winzigeren Liedblatt ein ganz klein gedrucktes "Stille Nacht". Er singt immer noch, weil er kaputt ist. Von einem Kerzenhalter fiel er ab und wartet nun seit einem halben Jahr darauf, angeklebt zu werden. Ich hab´s einfach nicht geschafft.
Ehrlich gesagt: Ich klebe ihn mittlerweile absichtlich nicht mehr an. Sein Kerzenhalter steht neben ihm und verstaubt. Ich klebe ihn nicht an, weil er mir so losgelöst auf seinem Höckerchen mit seinem Liedblatt und seinem fröhlichen Gesicht einen rießigen Gefallen tut: Er erinnert mich nämlich an zwei Dinge, die mir richtig gut tun.
1. Erinnert er mich daran, dass mir Singen immer hilft. Oder zumindest Musik, wenn die Stimme mal grad nicht mitmacht oder kein Chor in greifbarer Nähe ist. Musik holt mich aus dem Trott, gibt mir Schwung.
Und 2. erinnert er mich daran, dass ich Gott mit einem Lied gut loben kann. Und dass der sich darüber freut. Stille Nacht ist ein Lied, dass davon erzählt, wie Gott als Mensch auf die Erde kommt, um ihr etwas von seinen guten Absichten mitzuteilen. Es gibt unendlich viele andere Lieder, die genau diese Story haben. Lange nicht alle davon sind Weihnachtslieder. Und selbst wenn ein Lied mal keinen Text hat, macht das nichts. Gegen zauberhafte Melodien und gefühlvolle Improvisation, z.B. auf einem tollen Flügel, einem samtenen Saxophon oder auch einem meisterhaft gespielten Schlagzeug hat Gott sicher überhaupt nix.
Musik berührt mich auf eine ganz besondere Art und tut mir gut. Und das Loben ist wie ein Durchatmen. Loben ist am Ende ja nichts anderes als Danke sagen für alles, was heute gut ist. Oder wie das Sprichwort sagt "Wer singt, kann keine Angst haben". Und das stimmt für alle Musik, nicht nur für meinen kaputten Engel und sein "Stille Nacht".