Freitag, 16.06.2023: Am Fluss
Ich wohne am Fluss, an der Zwickauer Mulde. Fast jeden Tag radle ich dran entlang, mit meiner Tochter auf dem Weg zur Grundschule und dann alleine wieder zurück. Ich sehe den Fluss bei jeder Jahreszeit, als schwarze dahinfließende zähe Masse im Sommer mit reichem Grün an der Böschung, als braun-matschiger schneller Strom im Herbst, mit Schnee oder Baumstoppeln im Winter.
In der Sonne glitzernd oder als Spiegelbild eines bewegten Himmels, wenn die Wolken schnell ziehen. Oft bleibe ich kurz stehen, bevor ich meinen Alltag starte und schau mir den Fluss an: So ist dein Leben, denke ich. Es fließt voran, unaufhaltsam. Ein Psalm der Bibel beschreibt das so "Du lässt die Menschen dahinfahren wie einen Strom…".
Das hat was tröstliches, wenn das Leben gerade schwierig ist. Dann sagt mir der Fluss: alles geht vorbei. Manchmal macht mich das aber auch wehmütig: So schnell fließen die Dinge, auch die schönen und ich kann sie nicht halten: die Zeit mit meinen Kindern, meine eigene Kraft und Ideen, meine Lebenszeit, so manche Freundschaft und Begegnung. Alles fließt. Oft sehe ich auch Schwäne.
Neulich sind sie mir besonders aufgefallen. Sie stämmten sich nämlich mit aller Kraft gegen die Fließrichtung. Sie schwammen flussaufwärts und dann Richtung Ufer und wollten irgendwas erreichen, vielleicht Futter oder andere Tiere. Dabei sahen sie aber gar nicht angestrengt aus. Sie waren durchaus elegant. Als wären sie dafür gemacht. Ihr Ziel haben sie dann auch erreicht. Sie kamen ans Ufer.
Ich stand noch eine Weile da und sah, wie sie später wieder ins Wasser stiegen und gemütlich flussabwärts mittrieben, ebenfalls sehr elegant. Beides gehört offenbar zum Leben: Mal schwimmt man gegen den Strom, mal lässt man sich treiben. Hauptsache, man bleibt, wer man eben ist, kämpft nicht gegen seine Bestimmung. Und für mich ist wichtig, dabei Gott zu vertrauen. Er lässt mein Leben dahinfahren wie einen Strom, und damit auch frei.