Dienstag, 16.04.2024: Freier Herr?
Vor 120 Jahren wurde der Verhaltensforscher B.F. Skinner geboren. Er bewies, dass biologische, aber auch soziale Umstände das menschliche Verhalten formen. Seine Experimente zeigen, dass Personen leicht manipuliert werden können, wenn bestimmte Verhaltensweisen positiv verstärkt werden. Jeder, der Kinder hat, weiß, dass Kinder sich eher so benehmen, wie die Eltern es wünschen, wenn sie belohnt werden. Und auch bei Erwachsenen wirkt das: In China wird bestimmtes Verhalten mit Sozialpunkten belohnt.
Doch braucht es keine autoritären Staaten, damit Männer und Frauen jeden Alters scheinbar willenlos werden. In seinem Buch "Jenseits von Freiheit und Würde" erklärt Skinner die Vorstellung von menschlicher Freiheit für eine Illusion. Wir verkennen, sagt er, dass wir auch dann kontrolliert werden, wenn wir tun, was wir tun wollen. Wenn wir uns frei fühlen. Bestes Beispiel sind die elektronischen Medien: Der kleine Glückskick beim digitalen "Daumen hoch" bindet uns immer wieder neu an die jeweilige Plattform. Wer sich an Katzenvideos erfreut, bekommt ständig ähnliche Inhalte angezeigt. Der freie Wille - eingelullt.
"Von der Freiheit eines Christenmenschen" heißt eine der vielleicht brillantesten Schriften evangelischer Theologie. Geschrieben hat sie Martin Luther.
Obwohl 500 Jahre alt, bringt sie auch für mich eine wichtige Erfahrung auf den Punkt: Der Glaube an Gott, das Vertrauen auf Jesus als Gottes Sohn kann einerseits frei machen von Autoritäten, geltenden Normen oder räumlichen Grenzen. Zum anderen beflügelt diese Freiheit, sich anderen Menschen und den Themen unserer Welt immer wieder zuzuwenden. Es klingt ein wenig paradox, wie Luther es formuliert hat: "Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan."
Wer nicht gerade abgeschieden als Eremit oder im Kloster lebt, ist auch als gläubiger Mensch Teil dieser Welt. Und ebenfalls abhängig von ihren Mechanismen. Trotzdem hilft mir die Ausrichtung auf Gott im Gebet, im Gesang, beim Lesen in der Bibel, mich von den kaum spürbaren Zwängen unserer Zeit immer wieder einmal heilsam zu entkoppeln.