Dienstag, 28.02.2023: Geliehenes
Es gibt viele Dinge, die man sich ausleihen kann. Ich schätze sehr die Fahrradleihstationen in den Urlaubsorten. Ich muss nicht mein eigenes Rad mit in die Ferien nehmen, ich leihe mir einfach eins aus. Man muss nicht jedes Buch, das einen interessiert, selber kaufen. Es gibt Bibliotheken, in denen ich mir aussuchen kann, was ich gern lesen möchte. Eine Freundin nutzt begeistert den Verleih von Abendkleidern, wenn sie zu einem Fest eingeladen ist. Das schont zugleich das eigene Portemonnaie und Ressourcen.
Ich nutze eine andere Anleihe. Ich bin froh, dass es Worte gibt, die ich mir borgen kann. Meine eigenen Worte reichen oft nicht. Sie sind karg, zu oft benutzt. Oder die Worte, die mir einfallen, sind nicht so stark, dass sie dem weiterhelfen könnten, der sie dringend braucht. Gut, dass es Worte gibt, die man sich borgen kann.
Da sind die Psalmendichter. Die Worte, die sie gefunden haben, sind tausende Jahre alt. Und dennoch kann ich dort mit meinem Leben andocken, mit meinen Erfahrungen und Gefühlen. Ich fühle mich verstanden und aufgehoben. Und indem ich dort heimisch werde, erweitert sich mein Horizont. In den Psalmen findet sich die ganze Fülle menschlicher Gefühle: Dankbarkeit, Zorn, Verzweiflung, Freude, Hoffnung.
Mein Lieblings-Leihwort steht im Psalm 139. Dort heißt es: "Nähme ich die Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten."