Mittwoch, 28.08.2024: Graue Haare
Vor ein paar Wochen war es soweit: Ich habe das erste graue Haar bei mir entdeckt. Zwei Tage zuvor war ich noch frisch geföhnt, stolz vom Friseur nach Hause spaziert. Auch eine neue Brille musste kurz zuvor das kaputte Gestell ablösen und ich fühlte mich innerlich um mindestens fünf Jahre jünger.
Aber nun war es im Spiegel nicht zu übersehen. Ein komplettes Haar: grau vom Ansatz bis zur Spitze. In der naturbraunen Fülle ging es noch leicht zu verstecken. Aber ich wusste, es ist da. Ist es nun ein Zeichen fürs Älterwerden? Für zu viel Kummer oder zu viel Stress? Oder werde ich im wahrsten Sinne altund weise?
Morgens im Bad wollte ich darüber noch nicht tiefer nachdenken und kämmte es lieber schnell beiseite. Seit vier Wochen treibt es mich aber weiter um. Was heißt es, älter zu werden? Mein Geburtstag erinnerte ich wieder an das graue Haar. Ein Jahr älter, ein graues Haar auf dem Kopf, spätestens jetzt gehe ich doch straff auf die 40 zu.
Der Satz "Man ist so alt, wie man sich fühlt" half mir in diesen Wochen nur wenig weiter. Fühlen würde ich mich doch immer noch wie Ende 20. Oder doch Anfang 30? Fragen über Fragen kamen mir in den Sinn. Wann haben wir eigentlich angefangen, Menschen nach ihrem Alter zu bewerten? Oder das eigene Alter nicht zugeben zu wollen?
Junge Menschen berichten mir oft, dass sie sich nicht ernst genommen fühlen von Älteren. In Gesprächen mit Seniorinnen wird mir immer wieder schnell bewusst: Sie fühlen sich vergessen oder abgeschoben von den Jüngeren.
Ehrlich gesagt finde ich das sehr tragisch. Ich bin mir ziemlich sicher, dass jedes Lebensalter etwas Gutes hat. Mit jugendlicher Leichtigkeit Dinge zu wagen, kann ein tolles Lebensgefühl sein. Ich bewundere die Bereitschaft für Fehler und Neuanfänge.
Mit wachsender Lebenserfahrung beobachte ich bei mir selbst mehr Vorsicht, Zurückhaltung und Überlegung, die für größere Entscheidungen von Vorteil sind. Und wie beneide ich die Älteren, die sich mit einem reichen Lebensschatz zurückerinnern und mir so manchen Rat geben können. Für mich sind alle Phasen gleich wertvoll.
Und vielleicht sagt mir das graue Härchen auch nur, dass ich langsam in eine neue Phase einsteige. Und eigentlich bin ich sogar ein bisschen dankbar, dass es Veränderungen gibt. Das ist sogar ein ganz christliches Motiv, das sich in den meisten biblischen Geschichten wiederfindet. "Seht, ich mache alles neu." (Offb 21,5) ist im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes, eine ziemlich treffende Zusammenfassung.
Gott will Menschen voranbringen und fördert die Neuanfänge. Mit meinen Haaren wurde mir die eigene Veränderung nur besonders sichtbar. Aber eigentlich brauche ich mir keine Sorgen vor dem Neuen oder dem nächsten Abschnitt machen. Es wird nicht schlechter. Nur ein bisschen anders, vielleicht sogar besser.