Mittwoch, 23.08.2023: Eine sichere Brücke
Umsteigen am Bahnhof. Der Zug ist schon ziemlich voll. An zwei gegenüberliegenden Viererplätzen sitzen - jeder auf einer Seite - zwei Polizisten. Die anderen sechs Sitze sind frei, also setze ich mich. Am nächsten Halt steigt ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn ein. Er sieht die Polizisten und meint „Na, hier sitze ich sicher!“. Prompt kommt die Antwort: „Also über diese Brücke würde ich nicht gehen“. „Stimmt“, pflichtet der andere Polizist bei „da setzen Sie sich besser neben mich“.
Er deutet vielsagend auf den freien Sitz neben sich - mir gegenüber - und auf mich. Aha. Bei Nonnen sitzt man sicher. Ich grinse. „Über diese Brücke würde ich aber auch nicht gehen“. Wir lachen und das Gespräch kommt auf anderes. Trotzdem bleibt mir diese Szene hängen. Wieso gelten wir Ordensfrauen immer als mit einem besonderen Draht nach oben ausgestattet? Sicher, unser Leben dreht sich um Gott und unsere Hauptaufgabe ist das Gebet – auch für andere.
Aber ich behaupte: Das Gebet einer Nonne ist weder mehr wert noch wirkungsvoller und auch nicht unbedingt gottgefälliger als das Gebet eines jeden anderen Menschen. Und, nein, es ist auch nicht unbedingt von mehr Gottvertrauen geprägt. Genau wie alle anderen Christen haben wir unsere Schwierigkeiten und Kämpfe mit diesem Gott. Deshalb ist das Vertrauen auf das Vertrauen eines anderen Menschen immer ein Umweg, sozusagen zweite Wahl.
„Besser ist es, sich zu bergen beim Herrn, als auf Menschen zu bauen“, heißt es im Psalm 118. Oder anders ausgedrückt: Der direkte Draht nach oben, der uns geschenkt ist, heißt Jesus Christus. Über diese Brücke würde ich eher gehen! Und zwar direkt.
Dienstag, 22.08.2023: Auf ein Glas Wein
"So ein Blödsinn!" - Es gibt Predigten, bei denen ich das am liebsten dazwischen rufen würde. Predigten, bei denen ich - ganz oder teilweise - überhaupt nicht zustimmen kann. Oft sind das allerdings auch diejenigen, die mich am meisten beschäftigen.
Eine solche Stelle war es, bei der der Prediger behauptete, Jesus und Johannes der Täufer seien in ihrer Lebensführung und in ihren Auffassungen so grundverschieden gewesen, dass sie sicher nie zusammen ein Glas Wein getrunken hätten. Ich ging im Geiste mir bekannte Menschen durch: Da fielen mir spontan eine ganze Menge Leute ein, die grundverschiedene Einstellungen hatten und ich würde trotzdem gerne ein Glas Was-auch-immer mit ihnen trinken!
Ganz zuerst waren da einige Mitschwestern, aber auch Freunde. Ja, und meine Eltern natürlich! Es könnte gar keine unterschiedlichere Lebensführung geben! Je mehr ich darüber nachdachte, desto deutlicher wurde mir, dass es gerade die grundverschiedenen Leute waren, mit denen ich am liebsten zusammen saß. Anderes Alter, andere Herkunft, andere soziale Ecke. Weil man da was zu erzählen und zu diskutieren hat! Das ist spannend. Und es weitet den Horizont. Nun, Johannes war ein Asket. Er lebte in der Wüste und ernährte sich von wildem Honig und Heuschrecken. Vielleicht hätte er deshalb keinen Alkohol getrunken. Aber ich bin mir sicher, auf ein Glas Traubensaft hätte er sich bestimmt mit Jesus zusammen gesetzt!