Dienstag, 10.10.2023: Architekten der Natur

Es war unüberhörbar. Nachts im Gartenhaus rumorte etwas hinter der Wand. Im Halbschlaf war es so, als äße jemand Knäckebrot. Ein Raspeln manchmal, Knistern wie von Papier, ein Klopfen auch, oder ein Plopp so als fiele etwas zu Boden. Im Zimmer rührte sich nichts. Nur hinter der Wand war eine Geschäftigkeit, die einen schwer wieder in den Schlaf kommen ließ. Es gibt offensichtlich Mitbewohner. Nach dem Frühstück kam es zu Tage. Außen flogen Wespen immer um die gleiche Stelle in der Holzverkleidung herum. Auch ohne Fluglotsen einigten sich die Insekten mühelos über die Reihenfolge von Ankunft und Abflug.

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gesprochen von Pfarrer Holger Treutmann

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Di 10.10.2023 05:45Uhr 02:23 min

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Dass Wespen tagsüber ruhelose Gesellen sind, kann man am Apfelkuchen studieren, dass sie aber auch nachts in ihrem Nest noch so geschäftig sind, war mir neu. Andererseits müssen diese runden Papierkunstwerke hinter der Wand ja auch irgendwann gebaut, gepflegt und für den Nachwuchs genutzt werden.

Wespen sind zwar die eher ungeliebten Geschwister der Bienen, beide sind aber unermüdliche Baumeister. Die Biene setzt auf die Stabilität des Sechsecks. Die Wespe verlegt sich eher auf die runde Form. Die Biene arbeitet mit Wachs, die Wespe formt Papier, also eine Mischung aus Holz und Speichel.

Wie oft steht die Natur Modell für die Architektur der Menschen!

Letztes Jahr hat mich die Segrada Familia in Barcelona beeindruckt. Die Pfeiler dieses modernen Gotteshauses sind wie Baumstämme gestaltet. Folgt man ihrem Streben nach oben, fühlt man sich wie unter einem Blätterdach des Urwalds. Warmes Licht strömt ein. Unterschiedliche Farben erfüllen Kuppel und Wände. Immer neue Entdeckungen lassen sich machen wie in der Natur.

Braucht auch unser Glaube wieder mehr Kontakt zum Wald, zu Pflanzen und Tieren, damit wir in der Schöpfung unseren wahren Platz finden. Nicht als Herrscher, sondern als Teil der Natur? Nicht als Ausbeuter, sondern als Bewahrer des Lebens?

Eine Basilika wie ein Wald. Sagrada Familia ist immer noch eine Baustelle, wird aber schon benutzt, auch für Gottesdienste und Konzerte, so wie auch der Glaube immer im Werden ist und sich im Lauf eines Lebens wandelt und entwickelt. Ehrfurcht und stille Freude wehen durch dieses Gotteshaus, egal, wer es besucht. Glaube braucht nicht viele Worte. Auch Architektur kann ein Gebet sein.

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

Kurzbiografie Holger Treutmann

Holger Treutmann

1963 in Springe bei Hannover geboren | verheiratet | 2 Kinder | Studium in Bethel, Göttingen, Berlin | 1989 1. Theologisches Examen in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover | 1989-1993 Pharmareferent bei Astra-Chemicals Wedel/Hamburg | 1993-1995 Vikariat in Bröckel bei Celle | 1995 2. Theologisches Examen in der Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannover | 1995 Wechsel in die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen | 1995-1999 Pfarrer in Eibenberg-Kemtau und Chemnitz-Reichenhain | 1999-2005 Pfarrer in St.-Pauli-Kreuz-Gemeinde Chemnitz | 2006 - Januar 2016 Pfarrer der Frauenkirche in Dresden | Ehrenamtlicher Mitarbeiter der Notfallseelsorge Dresden | seit Februar 2016 Senderbeauftragter der Ev. Kirchen beim MDR und Rundfunkbeauftragter der Ev.-Lutherischen Landeskirche Sachsens

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.