Donnerstag, 02.01.2025: Von der Quelle zur Mündung
Sind Sie schon mal über die Elbe gesprungen? Ich ja, im Riesengebirge, gleich an der Quelle.
Eigentlich ist die Elbquelle keine richtige Quelle. Es ist eine große feuchte Wiese, auf der sich das Wasser sammelt. Weil das so langweilig aussah, haben unsere böhmischen Nachbarn irgendwann mal eine künstliche Anlage gebaut, die etwas festlicher daherkommt.
Ich bin in Dresden an der Elbe aufgewachsen, am Käthe-Kollwitz-Ufer, also in Steinwurfnähe. Und der Zufall wollte es, dass ich fast mein gesamtes Arbeitsleben auch mit Blick auf die Elbe zugebracht habe. Das hat etwas mit mir gemacht. Die Elbe ist mein Schicksalsfluss. Vielen Dresdnern wird es ebenso gehen.
Elbe als Segen, wie auf den Canaletto-Bildern zu sehen, wo der Fluss die grandiose Stadtansicht wie auf einem Silbertablett serviert. Auch als Fluch. Hochwasser 2002 und 2013. Oder die Flutkatastrophe von 1845, längst vergessen.
Und eigentlich müsste die Elbe Moldau heißen, weil beim Zusammenfluss beider in Melnik die Moldau länger und breiter ist. Die Moldau durch Dresden? Damit könnte ich gut leben. Und Smetanas Sinfonische Dichtung hätten wir dann gleich mit vereinnahmen können.
Ich habe schon an bedeutenderen Sehenswürdigkeiten gestanden. Aber die Elbquelle hat mich berührt wie kaum ein anderer Ort. Mein in Dresden riesiger und manchmal wütender Strom ein winziges und fragiles Rinnsal. Wie ein Kind nach der Geburt.
Bei Melnik ist sie aus dem Kinderwagen raus. An der Grenze entwächst sie dem jugendlichen Alter. Wenn ich meine Lebensjahre auf die Elbe projiziere, dann wäre ich jetzt etwa zwischen Magdeburg und Wittenberge. Hoffe ich.
Aber wer weiß das schon. Die Elbe fließt durch ihr Bett. Sie kann nicht anders. Es ist ihr vorgegeben. So wie mein Leben nach Gottes Plan verläuft. Umwege und Schleifen sind eingeplant. Und irgendwann ist Mündung. Für die Elbe wie auch für mich. Mündung in etwas Größeres.