Donnerstag, 04.01.2024: Ganz normal
Heute ist der 4. Januar. Schon der vierte Tag im neuen Jahr. Über Wochen stieg die Spannung im Advent. Dann war Weihnachten. Mit Kerzen, Liedern und der wärmenden Geschichte von Christus in der Krippe. Selbst die Tage zwischen den Jahren sind besonders gewesen. Sie fühlten sich seltsam an, wie in der Schwebe. Und heute, am 4. Januar, fühlt sich alles schon wieder ganz normal an. Arbeiten gehen, einkaufen, kochen, die Post aus dem Briefkasten holen. Einfach ein Donnerstag in einer Woche.
Für viele wird es aber kein normaler Tag. Weil es für sie seit einiger Zeit keine normalen Tage mehr gibt. Die Ladeninhaberin wird im Ausnahmezustand sein, deren Umsätze im Advent nicht ausreichten. Für den Sohn, der am Sterbebett seines Vaters sitzt. Auch die junge Frau, die gerade erschüttert auf ein Ultraschallbild von sich starrt. Je weiter ich denke, desto mehr Menschen fallen mir ein, die diesen Tag ganz und gar nicht normal finden.
Über die Zeit vom ersten Advent bis Neujahr bin ich sensibler für die Ausnahmezustände geworden, mit denen mancher meiner Nächsten leben muss. Ich sorge mich, dass meine Weihnachtssensibilität wieder abebbt, ich wieder zu schnell in meinem eigenen Normal versumpfe.
Zugleich ist mir klar, dass ich Normalität brauche und nicht das ganze Jahr so hochsensibel bleiben kann. Erst recht, wenn ich weiter über den Tellerrand meines kleinen Lebens hinausblicke. Ich habe diese Gedanken einem winzigen Weihnachtsengelchen anvertraut. Es liegt seit einigen Wochen wie zufällig gelandet in der Küche zwischen Herd und Spüle. Gerade drei Zentimeter hoch ist es. Aus dünnem Sperrholz gefertigt und bemalt. Mit allem, was dazu gehört. Einem freundlichen Lächeln, einem Stern in den Händen, mit goldenen Flügeln.
Einmal sind die Kartoffeln übergekocht, da musste ich es retten. Es gehört eigentlich nicht an diesen Ort und steht doch goldrichtig. Ich lasse es erst einmal dort.