Verkündigungssendung Das Wort zum Tag bei MDR SACHSEN | 11. - 17.12.2023

Täglich hören Sie das Wort zum Tag. Montags bis freitags gegen 5:45 Uhr und 8:50 Uhr, am Sonnabend gegen 8:50 Uhr, sonntags 7:45 Uhr. Das Wort zum Tag sprechen in dieser Woche u.a. Sebastian Mutke, Lisa-Marie Eberharter & Simon Hacker, am Sonntag von Kathrin Posdzich.

Sonntag, 17.12.2023: Bin schon auf dem Weg!

"Bin schon auf dem We-heg!" Ich habe Feierabend und steige ins Auto. Schnell hab ich daheim angerufen und mich angekündigt. Wenn ich komme, wird erstmal gelichtelt. Wir haben uns heute noch gar nicht gesehen. Ich freu mich auf die Kerzen, die Plätzchen, den Kaffee, das Räucherkerzchen. Gleich kann ich hören, was die Kinder und mein Mann heute so gemacht haben, unser kleines adventliches Lagerfeuer im Halbdunkel. Schön. „Bin schon auf dem We-heg!“ Der Tag war gut angefüllt: ich habe zugehört und geredet, gelacht und gestaunt, mich gewundert und gesorgt, organisiert und wahrgenommen. Jetzt komm ich heim und kann die Füße unter den Tisch strecken. Allmählich wird mir warm. Von der langsam anlaufenden Autoheizung, aber auch vom Gedanken an zuhause und von der Vorfreude auf die gemütliche Küche. "Bin schon auf dem We-heg!" Ich schalte gedanklich um. Von Gemeindearbeit auf Familie. Wir wollten noch die Sterne zuende basteln, ich muss neue Schuhe im Netz bestellen. Das Bad wär auch mal wieder dran, jede Menge Staub auf den weißen Fliesen. Und heute abend sollte es Pizza geben, haben wir alle Zutaten im Kühlschrank oder muss ich unterwegs noch schnell einen Supermarkt streifen? Ich mach mich auf dem Weg und auf meinem Weg freue ich mich, weil mich Gutes erwartet. Zumindest glaube ich das. Klar, ich könnte die Familie auch genervt antreffen. Das würde mich wiederum nerven. Aber ach, die werden schon alle so idyllisch dasitzen, wie ich es mir erhoffe. Und was da am Aufgaben auf mich wartet, das krieg ich schon gebacken. Schließlich kann ich das alles – ich hab meine Rollen sortiert und beherrsche sie gut.

Im Advent bin ich erwartungsvoll. Weil ich mich im Advent daran erinnere, dass da mal einer gekommen ist, Gott auf die Welt. Und das hat immer wieder Auswirkungen auf mich. Gott macht sich auf den Weg in mein Leben. Ich stell mir vor, dass er sich genauso auf mich freut, wie ich mich in meinem Auto auf dem Weg von der Arbeit nach hause. Gott ruft ganz vertraut: "Ich bin schon auf dem We-heg!" Er freut sich, weil er mich liebt. Er rennt mir in die Arme wie mir meine Kinder im Flur in die Arme rennen, wenn ich heimkomm. Er begrüßt mich freudig wie ein alter Freund nach langer Zeit, klopft mir auf die Schulter und sagt "Endlich, das hätten wir schon viel eher machen sollen!" Er ist einfach froh, dass ich da bin. Ausgerechnet ich. Ihm ist es auch völlig egal, was er bei mir antrifft, ob ich äußerlich vorbereitet bin, ob die Küche warm und die Plätzchen frisch gebacken sind. Während ich mich noch umständlich entschuldige, dass nicht alles so perfekt ist wie bei irgendwelchen anderen, setzt er sich auch ins Kalte, nimmt nen alten Tütenkeks von vor zwei Wochen und krümelt fröhlich noch ein paar mehr Krümel auf den eh schon dreckigen Fußboden. Ihm ist es auch egal, ob er die Familie genervt antrifft. Er weiß genau, wie Menschen sind. Wie aufgeregte Kinder und gestresste Erwachsene, Singles und Ehepaare, Großeltern und Jugendliche sind. Wenn es Streit gibt, wird er sich nicht wundern. Er wird aber deshalb auch nicht aufgeben, nicht zurückzicken – sein Maß wird einfach nicht voll. Einem Gott, der als Arme-Leute-Baby in Gesellschaft von Mindestlohn-Hirten in einem heruntergekommenen Stinke-Stall durch eine schmerzhafte und blutige Menschengeburt auf die Erde kommt, ist das alles Wurst. Er erwartet nichts. Er freut sich nur. Und ich freue mich auch.

Im Advent bin ich erwartungsvoll . Ich erwarte und warte. Warten ist menschlich. Ich warte in meinem Leben auf vieles: auf mehr Zeit, auf die Bahn, auf später, auf den Aufruf vom Arzt, auf die richtige Gelegenheit. Im Advent höre ich: Das Warten ist vorbei. Gott ist da. Na und? Und jetzt Was bewirkt er denn? Die Bibel behauptet, das Folgendes geschieht: Blinde sehen. Gehörlose hören wieder. Tote werden lebendig. Arme erfahren echte Hilfe. Und Jesus sagt zu den Menschen, die scheinbar naiv auf Gott vertrauen: „Herzlichen Glückwunsch! Wenn du mir so vertraust, hast du was wirklich wichtiges verstanden!“ Ist das wahr? Kaum zu glauben. Ich kenne Menschen, die sind sehr traurig – und sehr mutig. Sie sehen etwas gegen den Augenschein. Sie sehen für sich eine Hoffnung, weil das Vertrauen auf Gott ihnen Kraft gibt. So ein Vertrauen ist nicht naiv, es ist ganz schön realistisch: Es wird nicht einfach alles gut, weil Gott bei mir ist. Aber nichts bleibt endgültig. Und Vertrauen bedeutet dann: Ich traue Gott zu, dass er weiter einen Plan für mich hat, einen Platz zum Leben, zum Aufatmen, zum Freuen. Ich bin mit Leuten unterwegs, die sind dankbar für jedes kleine Glück und schaffen sich damit ein Großes. Sie haben einfach für sich beschlossen, nicht zu meckern und strahlen dadurch ganz viel heitere Gelassenheit aus. Das tut so gut. Ich darf mit Leuten arbeiten, die glauben, dass Liebe – zu anderen, zu mir und zu Gott – den Unterschied macht und alles bewegen kann. Wenn jemand so lebt, bewegt mich das.

Kathrin Posdzich 9 min
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9 min

gesprochen von Kathrin Posdzich

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio So 17.12.2023 07:45Uhr 09:20 min

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"Ich bin schon auf dem We-heg!" Gott kommt und Er erwartet nichts. Er freut sich nur: auf mich auf die Welt, auf alle. Äußerlich muss ich deshalb nichts aus dem Weg räumen, da kommt er durch. Wie gesagt, Gott setzt sich auch in die kalte Küche. Und innerlich, na, da siehts auch oft nach kalter Küche aus. Oder nach unaufgeräumter Küche. Da blockieren die Gefühle und Handlungsmuster die guten Ideen. So wie die unausgeräumte Spülmaschine das dreckige Geschirr dazu verbannt, sichtbar neben der Spüle stehen bleiben zu müssen. Berge von Überschätzung türmen sich da auf, weil ich ja alles selber schaffen kann und will und soll. Und auch Stapel tiefer Enttäuschung, weil ichs halt nicht kann und mir deshalb sehr böse bin. Ach nee, das ist alles unschön. Aber auch das ist Gott egal. Der Stinke-Stall-Gott lässt sich davon nicht abhalten. Im Gegenteil, es zieht ihn regelrecht an, mein Chaos. Er ignoriert es liebevoll und traut mir zu, trotzdem ein paar gute Schritte zu machen.

Im Advent bin ich erwartungsvoll, oder noch besser: erwartungsfroh. Weil ich mich daran erinnere, dass da mal einer gekommen ist, Gott auf die Welt. Und das hat immer wieder Auswirkungen auf mich. Seit Jesus Christus als Gott selbst auf der Welt war - echter Mensch unter echten Menschen, ist die Welt nicht mehr wie sie ist. In allem, was kaputt ist, vergesse ich das schnell, aber: Da gibt es noch eine neue, sehr verheißungsvolle Realität. An die kann ich nur glauben, ich kann sie nicht beweisen. Aber wenn ich sie glaube, passiert eine Menge mit meiner Hoffnung. Es ist, als ob Jesus sagt: "Mach die Augen auf! Es gibt mehr, als du sehen kannst." Und an diesem Mehr kann ich mich mit kleinen Schritten beteiligen. Ich kann zuhören. Jemandem, dem sonst keiner zuhören will. Weil er immer das gleiche erzählt. Oder ich kann hinsehen, genauer auf die Leute sehen, die mich umgeben. Nicht nur meine Freunde und Bekannten, sondern auch auf der Straße, an der Supermarktkasse, im Amt, an der Garderobe im Theater. Weil kein Mensch, keine Kassiererin, kein Kellner, kein Passant nur seine Funktion, nur sein Name oder nur sein momentaner Gesichtsausdruck ist. Und dann kann ich lächeln und Danke sagen, oder ein Kompliment machen oder Smalltalk anfangen. Es wird mir nicht immer gelingen. Ich werde scheitern, es vergessen, träge sein. Aber dann höre ich Gottes "ich bin schon auf dem We-heg". Gott kommt und Er erwartet nichts. Er freut sich nur: auf mich auf die Welt, auf alle. Das wundert mich, das bin ich nicht gewohnt. Da muss doch noch ein Haken sein. Noch eine Forderung, noch eine Blockade, noch irgendwas, was ich nicht ahne. Es kann doch nicht so einfach sein. Gott kam in die Welt als ein neugeborenes armes Baby. Er hatte nichts und brauchte Liebe. Er war einfach: Leben. So einfach ist das tatsächlich. Das ist es, was ich mit ihm zu erwarten habe, im Advent und immer: unschuldiges, schönes, verheißungsvolles neues gutes Leben. Klingt gut. Dann lass ich ihn mal rein.

Das Wort zum Tag sprechen in dieser Woche:

Kurzbiografie Kathrin Posdzich

Kathrin Posdzich

geboren 1983 in Zwickau, aufgewachsen in Wildenfels | verheiratet, zwei Kinder | ev.-luth. verwurzelt, ev.-meth. beheimatet | 2002 geboren 1983 in Zwickau, aufgewachsen in Wildenfels | verheiratet, zwei Kinder | ev.-luth. verwurzelt, ev.-meth. Beheimatet | 2002 Abitur am Peter-Breuer-Gymnasium Zwickau | 2002-2009 Theologiestudium in Leipzig | 2009-2016 Gemeindearbeit in Süd-Ost-Thüringen | 2015-2019 Zusammenarbeit mit dem Senderbeauftragten der evangelischen Freikirchen beim MDR | seit 2018 Pastorin der ev.-meth. Kirche in Werdau und Umland | seit 2015 Sprecherin Wort zum Tag und Wort zum Sonntag bei MDR SACHSEN

Kurzbiografie Simon Hacker

Simon Hacker

Simon Hacker OP | geboren 1989 | Dominikaner, Kaplan an der Propstei Leipzig, Schwerpunkt Citypastoral

Kurzbiografie Lisa-Marie Eberharter

Lisa-Marie Eberharter

Referentin für das SachsenSofa bei der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen | Studium der Theologie und Geschichte in Dresden | Vorstandsmitglied des Dresdner Geschichtsvereins | lebt in Dresden

Kurzbiografie Sebastian Mutke

Sebastian Mutke

Studium Katholische Theologe und Sozialpädagogik in Erfurt | Pastoralreferent im Bistum Osnabrück | seit 2022 Studienreferendar des Landes Sachsen in Bautzen | als Autor, Moderator, Seminarleiter aktiv | verheiratet | lebt in Dresden

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.