"Linker Flügel" der Reformation Thüringen erinnert an 500 Jahre Täufer-Bewegung
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19. Januar 2025, 10:00 Uhr
Vor 500 Jahren erhoben sich in Deutschland tausende Bauern gegen Adel und Klerus. Im Februar 1525 verlangten sie die Abschaffung von Leibeigenschaft, Fron und Abgaben. Es kam zum Bauernkrieg, zur Schlacht bei Bad Frankenhausen, angeführt von Thomas Müntzer, niedergeschlagen vom Fürstenheer. Ebenfalls vor 500 Jahren setzte in Zürich parallel zur Reformation von Martin Luther und Huldrych Zwingli eine neue Bewegung ein – die der Täufer, die ebenso blutig verfolgt wurden. Im thüringischen Reinhardsbrunn wird nun an beides erinnert – und das nicht von ungefähr.
"Gefangen, gelitten, gestorben" – eine Gedenktafel mit diesen Worten soll nun an die sechs Menschen erinnern, die am 18. Januar 1530 im thüringischen Reinhardsbrunn hingerichtet wurden. Sie waren Anhänger der Täuferbewegung, die wenige Jahre zuvor in Zürich ihren Anfang genommen hatte.
FAQ: Täuferbewegung und Gedenken in Reinhardsbrunn
- Die Täufer waren Anhänger einer radikal-christlichen Bewegung in der Reformationszeit, parallel zu Martin Luther und Huldrych Zwingli.
- Ihre Kritik richtete sich u.a. gegen die Kindertaufe.
- In Zürich kam es Ende Januar 1525 zur ersten Glaubenstaufe von Erwachsenen.
- Die Bewegung fand auch in reformatorischen Kreisen Thüringens Anhänger.
- Sie traten für eine geschwisterliche Kirche ohne Hierarchie und Klerus ein und wurden von katholischer wie protestantischer Seite verfolgt.
- Vier Täuferinnen und zwei Täufer wurden am 18. Januar 1530 in Reinhardsbrunn hingerichtet, daran erinnert seit 2013 eine Stele, außerdem gibt es die ökumenischen Reinhardsbrunner Gespräche.
- Aus der Täuferbewegung entstanden die Mennoniten, die wegen ihres Einsatzes für Gewaltfreiheit zu den historischen Friedenskirchen gezählt werden.
- Erst im 20. und 21. Jahrhundert kam es zu Dialog und Versöhnung
Quelle: Evangelische Kirche Mitteldeutschlands
Gegen Säuglingstaufe, für mündigen Glauben
Weggefährten des Reformators Ulrich Zwingli trafen sich dort zum gemeinsamen Bibelstudium. Sie lehnten die Säuglingstaufe ab, weil sie der Auffassung waren, die Entscheidung für den Glauben solle bewusst getroffen werden. Und sie stritten über die Frage, ob es Christen erlaubt sei, Kriegsdienst zu leisten. Als Geburtsstunde der Täuferbewegung gilt die erste Erwachsenentaufe am 21. Januar 1525, damals eine so genannte Wiedertaufe, wie Doris Hege erklärt. Sie ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland, die sich als Nachfolger Täufer verstehen, und sie betont die große Bedeutung der "Tauffrage":
"Die Täufer haben ihre Kinder nicht getauft, was strafbar war. Deswegen wurden sie schon sehr von der evangelischen Kirche verfolgt, aus der sie kamen. Sie waren sehr radikal und nicht kompromissbereit, also sehr eins mit dem, was sie glauben."
Bauernkrieg und Täuferbewegung: Hinrichtung 1530 in Reinhardsbrunn
Auch in Sachsen und Thüringen breitete sich die Täuferbewegung aus, zugleich wurden ihre Anhänger verfolgt – von Katholiken wie Lutheranern. Vier Täuferinnen und zwei Täufer wurden am 18. Januar 1530 in Reinhardsbrunn hingerichtet – auf Befehl der lutherischen Obrigkeit. Fünf Jahre zuvor hatte sich Martin Luther schon gegen die Bauern gewandt, die auch in Reinhardsbrunn rebellierten, wie Ute Däberitz vom Waltershäuser Geschichtsverein weiß: "Da hat man die Klosterkirche gestürmt, prunkvolle Altäre herausgerissen, den Klosterschatz geplündert und auch die kostbare Bibliothek."
Die plündernden Bauern von Reinhardsbrunn kamen mit einer hohen Geldstrafe davon. Martin Luther dagegen rief in seiner Schrift "Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern" im Mai 1525 die Fürsten dazu auf, die Aufständischen im Bauernkrieg zu töten.
Fünf Jahre später richtete sich die Gewalt dann gegen die Täufer, in deren Tradition die Mennoniten stehen.
Für Gewaltlosigkeit und hierarchiefreie Kirche
Gewaltlosigkeit und eine hierarchiefreie Kirche seien ihnen auch heute noch wichtig, stellt deren Vertreterin Doris Hege heraus, betont zuvor aber, dass "der Glaube an Gott, an Jesus Christus, den Heiligen Geist und die Bibel die Grundlage all der Kirchen" sei: "Wir können gut miteinander sein", sagt sie und meint, die Vielfalt zeige doch nur den Reichtum Gottes. "Wir haben nicht so viel Hierarchie, uns ist die Gemeinschaft wichtig, uns ist die Tauffrage, die Mündigkeit wichtig, aber miteinander."
Versöhnung erst vor 15 Jahren, Gottesdienst zum Festwochenende in Waltershausen
Erst vor 15 Jahren kam es zur Versöhnung zwischen Lutheranern und Mennoniten. Bei der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes baten Vertreter der evangelischen Seite in einem Bußgottesdienst um Vergebung für die grausame Verfolgung der Mennoniten. Damit begann auch im thüringischen Reinhardsbrunn das Gedenken an die hingerichteten Täufer. 2013 wurde eine Stele im Klosterpark aufgestellt, die jetzt um einen Gedenkstein an der Hinrichtungsstätte ergänzt wurde.
Dürfen Christen Gewalt üben für Freiheit und Gerechtigkeit? Das sind Fragen, die Mennoniten und Lutheraner inzwischen gemeinsam beschäftigen. Die Folgen der Ausmerzung fremden Gedankenguts seien verheerend, sagt Friedrich Kramer, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und Friedensbeauftragter der EKD, der Evangelischen Kirche in Deutschland. Gott habe die Welt sehr bunt geschaffen. Es gehe es darum, gewaltlos die Vielfalt der Meinungen zu leben und einander zuzuhören. Und darum, das Evangelium und das, was in der Heiligen Schrift steht ernst zu nehmen.
"Wir können von den Täuferkirchen viel lernen", findet Kramer, gerade in ihrer Friedfertigkeit, in der unbedingten Nachfolge leben zu wollen "so wie Jesus Christus, der keine Waffe in die Hand genommen hat, der den Menschen die Waffen aus der Hand genommen hat." Insofern gelte es, das Gespräch weiterzuführen.
Wir können von den Täuferkirchen viel lernen, gerade in ihrer Friedfertigkeit.
In diesem Jahr erinnern Mennoniten und evangelische Kirche gemeinsam an die Ursprünge der Reformation – auch in der Täuferbewegung. Geplant sind gemeinsame Gottesdienste und Gebetswochen. Für die Zukunft ist versöhnte Vielfalt das Motto. Am Sonntag gab es im thüringischen Waltershausen einen ökumenischen Gottesdienst mit Friedrich Kramer.
FAQ: Täuferbewegung und Gedenken in Reinhardsbrunn
- Die Täufer waren Anhänger einer radikal-christlichen Bewegung in der Reformationszeit, parallel zu Martin Luther und Huldrych Zwingli.
- Ihre Kritik richtete sich u.a. gegen die Kindertaufe.
- In Zürich kam es Ende Januar 1525 zur ersten Glaubenstaufe von Erwachsenen.
- Die Bewegung fand auch in reformatorischen Kreisen Thüringens Anhänger.
- Sie traten für eine geschwisterliche Kirche ohne Hierarchie und Klerus ein und wurden von katholischer wie protestantischer Seite verfolgt.
- Vier Täuferinnen und zwei Täufer wurden am 18. Januar 1530 in Reinhardsbrunn hingerichtet, daran erinnert seit 2013 eine Stele, außerdem gibt es die ökumenischen Reinhardsbrunner Gespräche.
- Aus der Täuferbewegung entstanden die Mennoniten, die wegen ihres Einsatzes für Gewaltfreiheit zu den historischen Friedenskirchen gezählt werden.
- Erst im 20. und 21. Jahrhundert kam es zu Dialog und Versöhnung
Quelle: Evangelische Kirche Mitteldeutschlands
Redaktionelle Bearbeitung: ks
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 19. Januar 2025 | 09:15 Uhr