Paragraf 218 Evangelische Kirche uneins beim Thema Schwangerschaftsabbruch
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23. Februar 2024, 12:00 Uhr
Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland noch immer strafbar. Bis zur 12. Schwangerschaftswoche bleibt die Abtreibung straffrei, wenn die Frau eine Pflichtberatung nachweisen kann. Das will die Bundesregierung nun ändern. Auch die Kirchen wurden um eine Stellungnahme gebeten. In der evangelischen Kirche ist man sich uneins.
Der Paragraf 218 soll geändert werden. Nach entsprechender Pflichtberatung sollen Abtreibungen künftig straffrei sein – bis zur 22. Schwangerschaftswoche. So lautet ein Statement des Rates der EKD, der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Die Erfurter Regionalbischöfin Friederike Spengler hält nichts von der Position der EKD. Ihrer Meinung nach sollte die Kirche dafür eintreten, "dass jedes Leben von Anfang an ein von Gott gewolltes Leben ist".
Das sieht Eske Wollrad vom Evangelischen Zentrum Frauen und Männer anders. Sie plädiert für die Abschaffung des Paragrafen 218: "Der Dachverband evangelischer Frauen in Deutschland hat die Haltung, dass es sich im Grunde genommen um eine Kriminalisierung von Schwangeren handelt und um nichts Anderes als ein Gebärzwang", meint die Christin.
Mögliche Kriminalisierung droht
Auch Friederike Spengler weiß, dass bei der jetzigen Gesetzeslage über Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, immer das Damoklesschwert einer möglichen Kriminalisierung schwebt. Aber, so sagt sie: Ohne Gesetz, ohne Strafandrohung könne man keine Pflichtberatung durchsetzen.
Der Erfurter Regionalbischöfin geht es auch darum, das Lebensrecht des Ungeborenen in Relation zum Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren nicht zu schwächen. Dem hält Eske Wollrad entgegen:
Der Embryo existiert nicht ohne die Schwangere, er ist abhängig von ihr, und deswegen sagen wir, indem die Rechte der schwangeren Person gestärkt werden, werden auch die Rechte des Embryos gestärkt.
Gegensätzliche Haltungen innerhalb der evangelischen Kirche
Hinter der Auseinandersetzung verbirgt sich ein grundsätzlicher Dissens. Wer darf darüber entscheiden, wie man auf den Fötus blickt? In dieser Frage ist die evangelische Kirche gespalten. Eske Wollrad vom Dachverband Evangelischer Frauen in Deutschland sagt:
Der Stellenwert des Embryos wird bestimmt durch die schwangere Person: die entscheidet, welchen Stellenwert der Embryo hat, das kann kein Staat machen, kein Gesetz und keine Kirche.
Die Regionalbischöfin Spengler beruft sich dagegen auf eine kirchliche Position, die besagt:
Das ungeborene Kind hat eine Würde von Anfang an.
Die Erfurterin Friederike Spengler weiß, dass die Haltung zum Paragraphen 218 gerade in den ostdeutschen Landeskirchen ambivalent ist. Bis heute wirkt die Rechtsauffassung der DDR nach. Dort erhielten Frauen 1972 das Recht, innerhalb der ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft selbst über einen Abbruch zu entscheiden.
"Individuelle Gewissensfreiheit" in den Vordergrund rücken
Der Rat der EKD spricht sich für eine Liberalisierung des § 218 aus, aber will die Pflichtberatung noch ausweiten – bis zur 22. Schwangerschaftswoche.
Kritiker der EKD-Position werfen dem Rat vor, seine Position nicht theologisch untermauert zu haben. Eske Wollrad hält entgegen: "Meines Erachtens nützt es nichts, sich Bibelstellen an den Kopf zu werfen, sondern nachzudenken, was die evangelische Theologie wesenshaft prägt, und das ist für mich die Bedeutung der individuellen Gewissensfreiheit.“
Nun soll eine Arbeitsgruppe der EKD die unterschiedlichen Positionen zum Schwangerschaftsabbruch zusammenführen und eine theologisch fundierte Beschlussvorlage liefern.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Religion und Gesellschaft | 25. Februar 2024 | 09:05 Uhr