Geschlechtsidentität der Gottesboten Sind Engel queer?
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21. Dezember 2023, 10:52 Uhr
Weihnachtszeit ist Engelzeit. Nicht nur in den Kirchen, auch in der Werbung haben sie Hochkonjunktur. Aber was sind Engel überhaupt? Sind sie männlich, weiblich oder vielleicht divers? Und warum sind sie so beliebt – selbst bei Menschen, die sich als nichgläubig empfinden.
In der Weihnachtszeit spielen Engel eine entscheidende Rolle: Im Neuen Testament verkünden sie Maria, dass sie schwanger sei. Und sie kommen zu den Hirten auf das Feld und verkünden, dass Jesus geboren wurde.
Der evangelische Theologe Harald Lamprecht, Weltanschauungsbeauftragter des Landeskirche Sachsen erklärt, dass Engel als Gottesboten in der Bibel keine Flügel haben. Aber wie sind die Engel in der Kirchengeschichte dann zu den Flügeln gekommen?
"Diese Hauptgestalt des Engels, wie wir sie kennen als hauptsächlich weibliches Wesen mit Vogelflügeln, stammt aus der griechischen Mythologie, die Gestalt der Göttin Nike, der Siegesgöttin, die dann eingewandert ist in unsere Bildwelt", so der Theologe.
Männlich, weiblich oder doch divers?
Die Engel der jüdischen Bibel wie der Erzengel Michael treten in der Ikonographie eher männlich mit Schwert und Helm auf; der Erzengel Gabriel, der Maria die Schwangerschaft verkündet, wird dagegen oft weiblich gezeichnet. Allerdings:
Engel haben kein Geschlecht. Wir erfahren im Neuen Testament, dass sie nicht heiraten, sie sterben auch nicht.
Für den katholischen Theologen und Engelforscher Uwe Wolff sind Engel weder männlich noch weiblich, sondern transzendieren in allen Fragen der Geschlechtlichkeit. Es sei eine andere Dimension, in die sie uns entheben wollten. Sind also Engel richtig queer?
Also mit queer meine ich: Sie gehen quer durch alle Geschlechter, durch alle Ethnien.
Damit entsprechen Engel einem aktuellen Bedürfnis vieler Menschen, nämlich patriarchale Strukturen – auch in der Theologie – in Frage zu stellen. "Insofern sind Engel eine Möglichkeit, geschlechtsplural ein transzendentes Gegenüber zu erleben und vielleicht auch darauf zu projizieren", weiß der Religionspsychologe Sebastian Murken.
Doch egal, ob männlich, weiblich oder divers: kein Engel ist so beliebt wie der eigene Schutzengel.
Positive Botschaft der Engel: "Fürchtet euch nicht"
Kein Wunder, dass bei Engeln auch das Merchandising so erfolgreich funktioniert: Als Schutzengel in jeder Form und Farbe, aber auch als Lichtsymbol, vor allem in der lichtarmen Jahreszeit.
Und dass die Engel in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden sind, hat ebenfalls seine Gründe. Das liegt zum einen an der schwindenden Anziehungskraft der Kirchen, denn die "Mittlerwesen" werden immer dann wichtig, wenn der Abstand zwischen Gott und den Menschen größer wird: "Dann stellt man sich einen Engel vor, der ist dichter dran, dem kann man was sagen", so Theologe Harald Lamprecht.
Die Attraktivität der Engel hat aber auch mit dem gegenwärtigen Krisenmodus zu tun. Denn gerade in düsteren Zeiten verkünden sie ganz antizyklisch ihre Botschaft: "Fürchtet euch nicht".
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Religion und Gesellschaft | 17. Dezember 2023 | 10:00 Uhr