Weihnachtsklassiker "Es ist ein Ros’ entsprungen" - Auf den Spuren eines Weihnachtsliedes
Hauptinhalt
18. Dezember 2023, 11:00 Uhr
In einem katholischen Gesangbuch aus dem Jahr 1599 findet sich erstmals das weltweit bekannten Weihnachtslied "Es ist ein Ros’ entsprungen“. Doch weder der Komponist noch der Textdichter sind bekannt. Den daraus hervorgegangenen vierstimmigen Chorsatz schuf der Protestant Michael Praetorius und verhalf dem Lied damit zu Weltruhm.
Der Name Michael Praetorius wäre sicherlich nur Musikwissenschaftlern ein Begriff, gäbe es dieses Weihnachtslied nicht. Doch mit "Es ist ein Ros’ entsprungen", das von Praetorius weder gedichtet noch komponiert, sondern lediglich umgeschrieben und neu arrangiert wurde, schuf der Musiker einen echten Weihnachtachtsklassiker.
Um 1600 ist der gebürtige Thüringer Michael Praetorius ein hochangesehener Musiker und Komponist, Kapellmeister am Hof in Wolfenbüttel.
Sein Dienstherr, Fürst Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel ist gebildet und kunstinteressiert und holt Musiker und Theaterleute an seinen Hof. Praetorius wird zunächst Kammerorganist, später – da ist er Anfang 30 – zudem Hofkapellmeister. Mit seinen Sängern und Instrumentalisten ist er zuständig für die Musik bei Gottesdiensten, für Tafelmusik und für Tanzmusik bei höfischen Festen. Entsprechend fällt sein kompositorisches Werk aus. Neben weltlichen Tänzen sind es vor allem Messen, Motetten, Hymnen und Kirchenlieder.
Unter den weit mehr als 1.000 von Praetorius bearbeiteten Kirchenliedern befindet sich jedoch nur eins, das bis heute populär ist. Das Lied hatte er in einem katholischen Gesangbuch des Bistums Speyer, dem "Speyrer Gesangbuch" gefunden.
Wie aus "Reis", "Ros" wird
Doch singt uns das Lied tatsächlich von einer Christrose, die mitten im Winter im kalten Schnee erblüht? Wohl eher nicht. Richtigerweise müsste es nicht "Ros", sondern "Reis" heißen, was sich aus den weiteren Versen der ersten Strophe erschließt.
Die ganze erste Strophe des Lieds beziehen sich nämlich auf einen Vers aus dem Alten Testament, in dem der Prophet Jesaja das Erscheinen des Messias vorhersagt. Dort heißt es, er werde aus dem Geschlecht des Königs David kommen, dessen Vater Jesse hieß: "Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Jesse und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen“. Da aber "Es ist ein Reis entsprungen" nicht ganz so originell klingt, ist es wohl der künstlerischen Freiheit des unbekannten Dichters zuzuschreiben, dass aus "Reis" einfach "Ros" wurde.
Und es gibt noch eine weitere textliche Freiheit: So schmuggelt der Verfasser in die zweite Strophe Maria, die Muttergottes, die beim Propheten Jesaja gar keine Rolle spielt. Daran stören sich nun die lutherischen Gläubigen, die das Lied auch gern in ihren Kanon aufnehmen wollen.
Daher hat Praetorius - als er das Lied im Jahr 1609 in einem seiner Gesangsbücher publiziert - diese kleine Textstelle korrigiert. Aus "Das Röslein, das ich meine, davon Jesaja sagt, ist Maria, die Reine, die uns das Blümlein bracht" wird in der dritten und vierten Zeile "hat uns gebracht alleine Marie, die reine Magd": aus dem Röslein Maria wird so das Röslein Jesus. Das Lied existiert seitdem - Praetorius sei Dank - in zwei Textversionen, einer katholischen und einer protestantischen.
Die unbestätigte Geschichte von Laurentius
Im Zusammenhang mit dem beliebten Weihnachtslied wird immer wieder von der Legende um den Mönch Laurentius und einer Christrose berichtet. Auch wenn sich diese schöne Geschichte bei genauerer theologischer Interpretation des Textes nicht halten lässt, sei sie doch wegen ihrer Bekanntheit kurz erzählt.
In der Weihnacht entdeckt der Trierer Mönch Laurentius bei einer Waldwanderung eine Pflanze im Schnee, die vor ihm weiß erblüht. Diese soll ihn zu dem Weihnachtslied inspiriert haben. In einer ähnlichen Version hört Laurentius aus der Kirche die Prophezeiung des Jesaja, als er die blühende Christrose erblickt. Er gräbt sie aus, stellte sie auf den Marienalter und dichtet in Anlehnung an den gehörten Gesang den Text des beliebten Weihnachtslieds.
Apropos Christrose: Tatsächlich erblüht das weiße Blümlein hierzulande auch mitten im Winter unter dem Schnee. Doch botanisch sitzt der Dichter einem Irrtum auf: Die schöne Christrose nämlich, die tatsächlich ein wenig an eine Heckenrose erinnert, ist gar keine Rose, sondern eine Nieswurz. Aus deren Wurzel kann man Niespulver herstellen und es wirkt in homöopathischer Dosierung bei zu hohem Blutdruck, bei Fieber oder Durchfall.