Widerstand gegen NS-Regime Dietrich Bonhoeffer: Von Hoffnung in Todesnähe
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30. Dezember 2024, 10:30 Uhr
Zum Jahreswechsel wird es in vielen Gottesdiensten wieder gesungen: das Lied "Von guten Mächten treu und still umgeben". Der Text stammt von Dietrich Bonhoeffer. Die Zuversicht, die er ausstrahlt, scheint auf den ersten Blick nicht zur momentanen Situation zu passen: Krieg in der Ukraine, Krieg im Nahen Osten. Aber auch nach dem Anschlag in Magdeburg ist der Schock noch immer groß. Unter solchen Bedingungen ist es nicht gerade leicht, von Hoffnung zu sprechen. Doch selbst in noch viel düstereren Zeiten war Hoffnung möglich.
Friedrichsbrunn im Harz ist seit über 150 Jahren ein beliebter Ferienort. In der Gemeinde gibt es eine Dietrich-Bonhoeffer-Kirche und auch ein Dietrich-Bonhoeffer-Haus. Im Ferienhaus der Familie verbrachte der spätere Theologe und Widerstandskämpfer gegen Hitler die Ferien seiner Kindheit und Jugend. Seit rund 20 Jahren ist das Haus eine Begegnungsstätte. Es gibt einen Förderverein im Ort und eine lebendige Erinnerungskultur, sagt Max Zehnpfund vom Bonhoeffer-Verein.
Für viele Jahrzehnte war das Haus zwar bewohnt, aber es war keine Gedenkstätte, keine Begegnungsstätte. Es gab draußen eine kleine Tafel, die darauf hinwies, aber sonst war da nicht allzu viel.
Das hat sich mittlerweile geändert. Viele Friedrichsbrunner kennen heute den Erinnerungsort.
Aktiv im Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Dietrich Bonhoeffer war ein entschiedener Gegner der Nationalsozialisten, und das schon von Anfang an. Trotz mehrfachen Aufenthalts in England und den USA blieb er nicht im Exil, sondern stellte sich aktiv gegen den Nationalsozialismus. Er nutzte seine internationalen Kontakte, um den Widerstand in Deutschland zu unterstützen.
1943 wurde Bonhoeffer verhaftet. Dennoch behielt er seine Zuversicht. Im Advent schrieb er aus dem Gefängnis Tegel an seine Eltern:
Ihr habt uns durch Jahrzehnte hindurch so unvergleichlich schöne Weihnachten beschert, dass die dankbare Erinnerung daran stark genug ist, um auch ein dunkleres Weihnachten zu überstrahlen.
Bonhoeffers Hoffnung blieb trotz widriger Umstände ungebrochen, berichtet Max Zehnpfund. Im christlichen Sinne sei für Bonhoeffer die Hoffnung quasi das Stück zwischen der Realität und dem Glauben an Gott gewesen. Ohne die Hoffnung könne der Glauben in keinem Fall bestehen. Zehnpfund verweist auf ein Zitat Bonhoeffers: "Der Mensch wächst mit seiner Hoffnung." Bis zu seinem Tod sei der Theologe voller Hoffnung gewesen. "Die Hoffnung war für ihn das Lebenselixier“, so Max Zehnpfund.
Ist uns die Hoffnung abhanden gekommen?
In der deutschen Gegenwart ist Hoffnung derzeit nicht sonderlich gefragt. Der Blick auf die großen Herausforderungen scheint eher einen Fatalismus zu fördern als ein Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten. Auch der Glauben ist für viele Menschen keine Kategorie mehr, aus der sich Kraft schöpfen ließe. Das zumindest ist die Beobachtung von Max Zehnpfund.
Es wird persönlich viel infrage gestellt und es wird immer weniger miteinander gesprochen. Ich habe das Gefühl, der Dialog wird nicht mehr großartig gesucht, und ich denke, auch dadurch geht ein wenig Hoffnung verloren.
Worte des Trosts und der Hoffnung
Im evangelischen Kirchengesangbuch findet sich ein Lied, das heute zu beliebtesten Kirchenliedern in Deutschland gehört. Ein vertontes Gedicht, dessen Text Dietrich Bonhoeffer am 19. Dezember 1944 verfasste, vor fast genau achtzig Jahren. Bonhoeffer ist nach wie vor inhaftiert. Im Gefängnis, mitten in einem Krieg, der ganz Europa in ein Trümmerfeld verwandelt, findet er Worte des Trostes und der Hoffnung:
Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.
Ein zeitloser Text, findet Max Zehnpfund vom Bonhoeffer-Verein in Friedrichsbrunn. Er hat noch eine andere Leseempfehlung parat, um sich Leben und Werk des engagierten Christen zu nähern:
„Es reicht, wenn man jetzt zur Weihnachts- oder Nachweihnachtszeit sich mal das Buch "Weihnachten im Hause Bonhoeffer" anguckt. Da findet man unglaublich viel Hoffnung und auch ein bisschen Ermutigung," so Zehnpfund.
Kurz vor Kriegsende, wenige Monate nachdem er das Lied von den "guten Mächten" verfasst hat, wird Dietrich Bonhoeffer hingerichtet. Mit seinem Leben steht er für die tiefe Hoffnung, dass schwierige Zeiten auch einen gewissen Trotz benötigen: die Überzeugung, dass das letzte Wort anderswo gesprochen wird.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Religion und Gesellschaft | 29. Dezember 2024 | 08:15 Uhr