Die Milliardenjagd
Die Milliardenjagd Bildrechte: MDR

MDR | 07.12.2023 „Die Milliardenjagd“nach dem SED-Vermögen: MDR-Doku-Serie ab sofort exklusiv in der ARD Mediathek

Es wirkt wie ein skurriler Agententhriller – die Suche nach dem Parteivermögen der SED. Da gibt es dubiose Stroh- und Mittelsmänner, Geldbündel in Plastiktüten und spätere Kronzeugen, die bei Unfällen aus dem Leben scheiden. All das ausgelöst durch die Frage: Wie rettet man sechs Milliarden DDR-Mark, hunderte Immobilien und Firmen für vermeintlich bessere Zeiten? Die MDR-Dokumentation „Die Milliardenjagd“ geht den Aktivitäten auf den Grund und rekonstruiert ein atemloses Katz- und Mausspiel.

Bis heute fehlt von einem dreistelligen Millionenbetrag jede Spur… Zu sehen ist die Serie exklusiv und ab sofort in der ARD Mediathek. Zudem widmet sich die neueste Ausgabe des MDR-Podcasts „Mittendrin“ den Recherchen zur Doku und fragt, warum die Story heute immer noch aktuell ist.

„Die Redaktion Geschichte und Dokumentationen des MDR knüpft mit der vierteiligen Serie ‚Die Milliardenjagd‘ an den Erfolg von ‚ZERV‘ an. Beide Stoffe der Regisseurin Heike Bittner widmen sich der wilden Zeit der frühen 1990er Jahre, in der in einem atemberaubenden Tempo Weichen gestellt wurden, die die Gesellschaft bis heute prägen. Wir freuen uns, für das Publikum der ARD Mediathek einen visuell, dramaturgisch und erzählerisch spannenden Plot erzählen zu können, der sich durch aufwendige historische Recherchen und modernes Storytelling auszeichnet“, so Anais Roth, Redaktionsleiterin Geschichte und Dokumentationen beim MDR.

Zum Inhalt

Die Milliardenjagd (Sendereihenbild)
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Dezember 1989: Der Untergang der DDR ist besiegelt und damit auch das Ende der SED, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Doch was in den kommenden Monaten und Jahren passiert, gleicht einem Wirtschaftskrimi, der bis heute teilweise ungelöst ist. Es geht um sehr viel Geld: um fast 6,2 Milliarden DDR-Mark, über 1700 Immobilien, Verlage, Parteibetriebe im In- und Ausland und um ein Devisenvermögen im mehrstelligen Millionenbereich. Nichts weniger als das Parteivermögen der SED steht auf dem Spiel.

Beim außerordentlichen Parteitag der SED im Dezember 1989 werden die Genossen unruhig. Wohin mit dem Parteivermögen? Es gilt zu retten, was zu retten ist. Ein erheblicher Teil wird durch Transaktionen in die Hände von Privatpersonen und Unternehmen gelangen. Als Ende Mai 1990 die Volkskammer der DDR beschließt, das Vermögen der Parteien unter treuhändische Verwaltung zu stellen, versucht die nun in PDS umbenannte Partei ihr Vermögen zu sichern. Es beginnt eine jahrzehntelange Jagd nach den SED-Milliarden.

Der SPIEGEL-Journalist Peter Wensierski, Gregor Gysi, Dietmar Bartsch, die Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe, der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier und Rechtanwältin Barbara Erdmann geben Einblicke in die Jahre nach dem Mauerfall und erzählen ihre Sicht auf die Jagd nach dem SED-Vermögen.

Peter Wensierski hat als West-Journalist viele Jahre aus der DDR berichtet. Plötzlich war er mittendrin in einem der größten Kriminalfälle der deutschen Geschichte: „Eines Tages bekam ich einen Anruf und es wurde ein Treffen vereinbart. Plötzlich stand da ein großer Koffer auf dem Tisch. Als ich dann das Material in diesem Koffer sah, dachte ich: Das kann nicht sein! Da ging es um Milliarden!“ Wensierskis journalistischer Jagdinstinkt war geweckt. Bis heute verfolgt er die illegalen Geldströme und versucht, die Machenschaften der SED aufzudecken. Er ist einer der wichtigsten Zeitzeugen dieser Doku-Reihe.

Folge 1: „Einer unter Milliarden“

Gregor Gysi
Zeitzeuge Gregor Gysi Bildrechte: MDR/dokfilm

Der ehemalige Leiter der Finanzverwaltung der SED (später: PDS) kommt 1998 bei einem Autounfall in Lugano ums Leben. Peter Wensierski, Journalist für den SPIEGEL und erfolgreicher Buch-Autor, bekommt nach dessen Tod einen Koffer mit brisantem Material zugespielt: Listen, Quittungen, Kassenbücher, aus denen klar wird: Das Geld der ehemaligen SED ist auf unfassbare Weise gesichert worden, um der Nachfolgepartei PDS zur Verfügung zu stehen.

Zwar übernimmt Gregor Gysi als neuer Hoffnungsträger die Partei und wagt mit den Genossen einen Neuanfang. Doch Peter Wensierski kommt aufgrund der ihm zugespielten Unterlagen zur Auffassung, dass vieles beim Alten geblieben ist und sich eine „Vermögensverschieberei“ in unglaublichen Dimensionen zugetragen habe.

Folge 2: „Wie werde ich 6 Milliarden los“

Gregor Gysi übernimmt ein milliardenschweres Erbe, von dem kaum einer etwas gewusst hat. Stück für Stück wird der neue Chef der alten/neuen Partei erfahren, wie sich in 40 Jahren Misswirtschaft die SED selbst bereichert hat. Noch gehört alles der SED und ihrer Nachfolgepartei, doch wie lange das so bleiben wird, weiß keiner. Zuviel verändert sich in der DDR. Die ersten freien demokratischen Wahlen stehen bevor. Es gilt, von dem Vermögen so viel wie möglich und so schnell es geht, zu sichern.

Im Dezember 1989 beginnen Transaktionen in unglaublichen Dimensionen; Geld, Devisen und Vermögenswerte werden breitflächig verteilt, Koffer voller Bargeld, Kredite und Darlehen an Genossen gereicht, teilweise in Millionenhöhe. Die SED-Erben verteilen das Geld mit vollen Händen. Etliche Geschäftsmänner aber auch eine islamische Religionsgemeinschaft werden später die Ermittler weltweit beschäftigen, ebenso wie die Österreicherin Rudolfine Steindling, „Die rote Fini“. Sie schafft es als Treuhänderin einer Ostberliner SED-Firma, Spuren des Geldes auf globalen Wegen zu verwischen. Doch am 1. Juni 1990 wird diesen Transaktionen ein Riegel vorgeschoben.

Folge 3: „Sag mir, wo die Milliarden sind“

Nach den ersten freien Wahlen in der DDR ist die PDS nur noch in der Opposition. Von einem Tag auf den anderen werden ihre Finanzen unter Kontrolle einer unabhängigen Kommission, der UKPV, und der Treuhandanstalt gestellt. Für die PDS heißt das im Klartext: Was bis zum 31. Mai nicht verteilt werden kann, ist für die Partei verloren. Noch immer versuchen alte Genossen, das Vermögen ihrer Partei zu retten und für künftige Zeiten zu sichern. 107 Millionen D-Mark sollen in Windeseile ins Ausland verschoben werden, als Tilgung von Altschulden einer Moskauer Scheinfirma – doch der Deal fliegt auf. Der sogenannte Putnik-Deal zwingt Gregor Gysi fast zum Rücktritt und wird zum riesigen Image-Problem für die PDS mit weitreichenden Folgen.

Die UKPV geht indes ihrer Arbeit nach und entdeckt weitverzweigte Auslandsverflechtungen der SED – ein weltweites Imperium mit Firmen, Unternehmensbeteiligungen, Strohmännern. Die ehemalige Kommerzielle Koordinierung – kurz: KoKo – unter Alexander Schalck-Golodkowski hat dabei eine gewichtige Rolle gespielt.

Folge 4: „Wer wird Milliardär?“

Gesucht: DDR-Parteivermögen. Finderlohn: fünf Millionen D-Mark. Auf der Suche nach dem ehemaligen SED-Vermögen schalten UKPV und Treuhand eine verzweifelte Anzeigenkampagne. Noch immer ist die große Frage: Wo sind die Milliarden geblieben? Der Kreis der Milliardenjäger wird erweitert. Zusätzlich zur Kommission wird die ZERV – die Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität – einbezogen.

Derweil kämpft die PDS auch an anderer Front: Als das Berliner Finanzamt 1994 Steuerforderungen in Höhe von 67,5 Millionen D-Mark an die PDS stellt, treten mehrere Mitglieder der Parteiführung in den Hungerstreik. Die kalkulierte Forderung hätte das Ende der PDS bedeuten können. Eine Woche später jedoch entscheidet das Verwaltungsgericht zugunsten der Partei.

1994 wird für alle Beteiligten ein besonderes Jahr: Es kommt zu einem lange verhandelten Vergleich zwischen PDS und UKPV. Trotzdem ermittelt die UKPV im Auftrag der Bundesregierung weiter und sucht die Milliarden der alten SED. Alles was gefunden werden kann, kommt dem Aufbau der neuen Bundesländer zugute. 2020 endet der letzte Rechtstreit mit einer Schweizer Bank. Die Bank muss das ihr anvertraute Geld zurückzahlen. Doch bis heute bleibt ein großer Betrag verschwunden. Insider gehen von einem dreistelligen Millionenbetrag aus, die exakte Summe wird man wohl nie erfahren. Aber die Jagd ist noch nicht vorbei…

„Mittendrin – der MDR-Podcast“

Peter Wensierski
Zeitzeuge Peter Wensierski Bildrechte: MDR/dokfilm

Die neueste Ausgabe des MDR-Podcasts widmet sich ebenfalls der „Milliardenjagd“ und lässt die Macher zu Wort kommen: Der Zeitzeuge Peter Wensierski, die MDR-Redakteurin für Geschichte und Dokumentation, Ina-Katrin Hüttig, sowie Producerin Laura Mühlenmeier erklären im Gespräch mit Mittendrin-Host Maja Fiedler die Jagd nach dem SED-Vermögen, die als „Mutter aller Wirtschaftskrimis“ in die deutsche Geschichte eingegangen ist – zu hören ab sofort in der ARD Audiothek.

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