MDR-Intendant Ralf Ludwig, Moderatorin Caren Miosga und Kay Siering, Geschäftsführer Spiegel TV, stehen in einer Gruppe Schüler
MDR-Intendant Ralf Ludwig, Moderatorin Caren Miosga und Kay Siering, Geschäftsführer Spiegel TV, mit Schülern und Schülerinnen, die mit Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel diskutierten. Bildrechte: MDR/X21/Reiner Freese

MDR | 21.01.2025 MDR und SPIEGEL TV: Wie aus jungen Männern Mörder wurden – Schülerinnen und Schüler im Dialog über Verantwortung und Erinnerung mit der Bundeskanzlerin a.D.

Am 27. Januar 2025 jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers von Auschwitz zum 80. Mal. Aus diesem Anlass haben der MDR und SPIEGEL TV für diesen Dienstag rund 400 Gäste zu einer Filmvorführung in den Berliner Delphi Filmpalast eingeladen. Anschließend diskutierte Bundeskanzlerin a.D., Dr. Angela Merkel über Verantwortung und Erinnerung mit Schülerinnen und Schülern aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Berlin.

200 Schülerinnen und Schüler aus Leipzig, Halle/Saale und Berlin haben sich mit ihren Lehrerinnen und Lehrern intensiv darauf vorbereitet, an diesem Dienstag in den Dialog mit Bundeskanzlerin a.D. Dr. Angela Merkel zu treten. Moderiert von Caren Miosga diskutierten sie mit der ehemaligen Bundeskanzlerin darüber, wie in der NS-Zeit aus jungen Männern Mörder werden konnten und wie sich eine Wiederholung der Geschichte heute verhindern lässt.

Angela Merkel, Bundeskanzlerin a.D.:

„Sich mit dem Nationalsozialismus auseinanderzusetzen, ist Voraussetzung dafür, eine menschliche Zukunft zu gestalten. Jede Generation muss dies aufs Neue tun. Nur so können wir immer wieder Lehren für die Zukunft ziehen. Deshalb freue ich mich, dass sich Schülerinnen und Schüler dieser Auseinandersetzung stellen.“

Dr. Stefan Hördler mit Album an Schreibtisch
Dr. Stefan Hördler untersuchte das Fotoalbum und entschlüsselte damit die Karrieren von NS-Cliquen auch aus Mitteldeutschland. Bildrechte: Thomas Krüger / Spiegel TV

Die Veranstaltung stand unter dem Titel „Demokratie und Erinnerung heute: Dialog zur NS-Tätergeschichte“. MDR und SPIEGEL TV nahmen den 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum Anlass, die ARD-History-Dokumentation „Das vergessene Fotoalbum der SS“ zu zeigen. Die Koproduktion von MDR und BR, realisiert von SPIEGEL TV, wirft ein neues Licht auf die Forschung zu NS-Tätern in Mitteldeutschland – anhand eines bisher unveröffentlichten Fotoalbums der nationalsozialistischen Schutzstaffel (SS), dessen Bilder der weltweit anerkannte Historiker und NS-Forscher Dr. Stefan Hördler entschlüsselt hat.

Das analysierte Fotoalbum war viele Jahrzehnte verschollen und zeigt 206 Aufnahmen, von fast ausschließlich Männern. Bilder aus einer Zeit, in der das Fotografieren teuer war. Bilder, die harmlos daherkommen und beweisen, wie stark die mitteldeutsche SS Einfluss auf die Personalentwicklung des KZ-Systems insgesamt nahm.

NS-Cliquen aus Mitteldeutschland

Ein Fotoalbum wird zum Zeitdokument über das KZ-Lichtenburg, einen Ort in Sachsen-Anhalt, der die Lebensläufe tausender SS-Männer prägte

Ein Fotoalbum mit Bildern aus der NS-Zeit
Ein Fotoalbum wurde zum Zeitzeugnis und enthüllte KZ-Karrieren von Männern aus Mitteldeutschland Bildrechte: Thomas Krüger / Spiegel TV
Ein Fotoalbum mit Bildern aus der NS-Zeit
Ein Fotoalbum wurde zum Zeitzeugnis und enthüllte KZ-Karrieren von Männern aus Mitteldeutschland Bildrechte: Thomas Krüger / Spiegel TV
Dr. Stefan Hördler mit Album an Schreibtisch
Akribische Untersuchung. Erst die Details verraten dem Historiker Dr. Stefan Hördler die Zusammenhänge. Bildrechte: Thomas Krüger / Spiegel TV
Dr. Stefan Hördler Motivsuche KZ Lichtenburg
Das KZ Lichtenburg in Prettin, heute Sachsen-Anhalt. Historiker Hördler auf Motivsuche für den Film. Bildrechte: Michael Bader / Spiegel TV
Eingangstor des KZ Lichtenburg im November 1934 – abgebildet die Führungsriege des KZ – zweiter von rechts Egon Zill, links Arthur Rödl
Führungsriege des Konzentrationslagers Lichtenburg (heute Prettin, Sachsen-Anhalt) vor dem Eingangstor des Lagers vermutlich am 9. November 1934. In der Mitte der amtierende Kommandant Bernhard Schmidt. Mit ihm bekleiden fünf der abgebildeten Männer im Verlauf der NS-Zeit den Posten eines Lagerkommandanten (in den KZ Auschwitz-Birkenau, Groß Rosen, Flossenbürg, Herzogenbusch, Hinzert, Natzweiler und Sachsenburg) Bildrechte: Dr. Stefan Hördler
SS-Wachmannschaften im KZ Lichtenburg
Zusammenkunft von SS-Wachmannschaften im KZ Lichtenburg, vermutlich Weihnachten 1934. 3.v.l. Kurt Schreiber mit Otto Reinicke. Beide dienten gemeinsam in den KZ Lichtenburg, Buchenwald und Flossenbürg und lebten in der Bundesrepublik erneut in unmittelbarer Nähe des früheren KZ Flossenbürg Bildrechte: Dr. Stefan Hördler
Kurt Schreiber zu Besuch in seinem Heimat-Ort Flemsdorf 1933.
Kurt Schreiber zu Besuch in seinem Heimat-Ort Flemsdorf 1933. Die Recherche ergab: er ist hier nur wenige 100 Meter entfernt vom Gehöft seiner Eltern. Der Kragenspiegel zeigt die Zugehörigkeit zur 26. SS-Standarte und den Rang als SS-Unterscharführer. Bildrechte: Dr. Stefan Hördler
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Anaïs Roth, Leiterin MDR-Redaktion Geschichte und Dokumentationen:
„In der Dokumentation werden Netzwerke deutlich, die fast vergessen waren. Allein 16 spätere KZ-Kommandanten haben in Mitteldeutschland ihre Karriere begonnen. Männer, die später in Buchenwald, Auschwitz oder Flossenbürg das Kommando über Tausende hatten, und deren Karrieren nach Kriegsende oft nicht zu Ende waren. Ein historisches Narrativ, das unbedingt bekannt sein sollte.“

Ralf Ludwig, MDR-Intendant:
„Als öffentlich-rechtliches Medienhaus gehören Information, Bildung und der gesellschaftliche Dialog zu unseren Kernaufgaben. Mit akribischen Dokumentationen wie dieser machen wir einen erschütternden Teil deutscher Geschichte anschaulich und ermöglichen die wichtige Auseinandersetzung mit selbiger. Ich freue mich sehr, dass die Schülerinnen und Schüler aus Leipzig und Halle mit ihren Lehrkräften unserer Einladung gefolgt sind.“

Kay Siering, Geschäftsführer Spiegel TV:
„Die Dokumentation zeigt auf erschreckende Weise, wie leicht junge Menschen durch Propaganda zu brutalen NS-Tätern werden. Diese Mechanismen jungen Menschen deutlich zu machen, ist unsere journalistische Aufgabe. Es freut mich sehr, dass Bundeskanzlerin a. D. Dr. Angela Merkel dazu in den Austausch mit Schülerinnen und Schülern gegangen ist.“

Der Film „Das vergessene Fotoalbum der SS“ ist in einer Langfassung in der ARD Mediathek und als 45-Minuten-Stück auf dem YouTube-Kanal von SPIEGEL TV und SPIEGEL abrufbar. In der ARD Audiothek finden Sie einen achtteiligen begleitend entstandenen Podcast der Funktionsweisen, Strukturen und Netzwerke innerhalb der SS vertiefend beleuchtet. Aus dem Projekt sollen künftig Handreichungen für Lehrkräfte entstehen, die den Film im Unterricht einsetzen wollen.

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