Nahost-Krieg Netanjahu warnt Hisbollah vor "Fehler ihres Lebens"

22. Oktober 2023, 20:07 Uhr

Angesichts wiederholter Gefechte im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon hat die israelische Führung die Hisbollah gewarnt, ihr militärisches Engagement auszuweiten. Dies wäre "der Fehler ihres Lebens". Unterdessen will Israel 14 weitere Ortschaften im Norden des Landes evakuieren. Syrische Staatsmedien meldeten israelische Raketenangriffe auf die Flughäfen von Damaskus und Aleppo. Die USA wollen ihre militärische Präsenz im Nahen Osten weiter verstärken.

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hat die im Libanon operierende Hisbollah gewarnt, einen Krieg gegen sein Land zu beginnen. Damit würde die Schiitenmiliz "den größten Fehler ihres Lebens" begehen, sagte Netanjahu. Israel werde mit unvorstellbarer Kraft zuschlagen, die für den Libanon verheerend" sein werde.

Zuvor hatte der zweite Mann an der Spitze der Hisbollah, Naim Kassim, eine noch größere Beteiligung seiner Bewegung am Konflikt mit Israel nicht ausgeschlossen. Man sei in der "Mitte der Schlacht" angekommen und mache Fortschritte, sagte Kassim in einer vom Fernsehsender Al-Majadin übertragenen Rede: "Wir versuchen, auf eine Weise zu arbeiten, die die israelische Armee schwächt."

Israel kündigt Evakuierung von Orten im Norden an

Israel will angesichts der Angriffe durch die libanesische Hisbollah-Miliz weitere Ortschaften im Norden des Landes räumen. Verteidigungsminister Joav Galant habe die Evakuierung 14 weiterer Gemeinden nahe der israelischen Grenze zu Syrien und zum Libanon gebilligt, teilte sein Büro mit. Vor einer Woche hatte Israel bereits eine Vier-Kilometer-Sperrzone im Grenzgebiet zum Libanon erklärt.

Die Hisbollah ist die einzige libanesische Gruppierung, die ihre Waffen nach dem Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 behalten hat und nun über ein größeres Arsenal verfügt als die Armee. Die vom Iran unterstützte Miliz lieferte sich 2006 einen verheerenden Krieg mit Israel, bei dem im Libanon mehr als 1.200 Menschen, zumeist Zivilisten, starben. Auf israelischer Seite starben 160 Menschen, die meisten von ihnen Soldaten.

Zwei syrische Flughäfen nach Angriffen aus Israel außer Betrieb

Syrische Staatsmedien haben indes israelische Raketenangriffe auf die internationalen Flughäfen von Damaskus und Aleppo gemeldet. Dabei sei ein ziviler Flughafenangestellter getötet und ein weiterer verletzt worden, hieß es in den Berichten. Die Flughäfen seien wegen erheblichen Schäden an den Start- und Landebahnen außer Betrieb. Nach Angaben des Verkehrsministeriums werden Linienflüge nach Latakia umgeleitet.

Während des mehr als ein Jahrzehnt andauernden Bürgerkriegs in Syrien hat Israel hunderte Luftangriffe auf das Nachbarland geflogen. Die Angriffe galten vor allem der vom Iran unterstützten und mit der syrischen Regierung verbündeten Hisbollah-Miliz sowie syrischen Armeestellungen.

USA weiten Präsenz im Nahen Osten aus

Die USA werden ein Raketenabwehrsystem THAAD und zusätzliche Patriot-Luftabwehrraketenbatallione in den Nahen Osten schicken. Damit reagierten die USA auf die jüngsten Angriffe auf US-Truppen in der Region, hat das Pentagon mitgeteilt. Nach ausführlichen Gesprächen mit Präsident Joe Biden über die jüngsten Eskalationen durch den Iran und seine Stellvertreter im gesamten Nahen Osten habe er eine Reihe zusätzlicher Schritte angeordnet, um die Position des Verteidigungsministeriums in der Region weiter zu stärken, sagte Verteidigungsminister Lloyd Austin. Er werde auch zusätzliche Truppen in Bereitschaft versetzen. Er sagte aber nicht, wie viele. Zuvor hatten die USA bereits mehrere Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer verlegt, darunter zwei Flugzeugträger. Auch Luftwaffengeschwader wurden in die Region geschickt.

Israel verletzt ägyptische Soldaten

Ein israelischer Panzer hat nach Angaben der Armee "versehentlich" eine ägyptische Stellung im Nachbarland beschossen. Ein ägyptischer Kontrollturm sei von Splittern einer Granate getroffen worden, sagte ein Armeesprecher. Von ägyptischer Seite hieß es, dabei seien einige ägyptische Soldaten leicht verletzt worden. Die israelische Seite habe sich aber sofort entschuldigt. Israel betonte, man bedauere den Vorfall. Es werde eine Untersuchung eingeleitet.

Israel will Angriffe in Gaza verstärken

Israel hat unterdessen verstärkte Angriffe im Norden des Gazastreifens angekündigt und die Bewohner zur Flucht nach Süden aufgefordert. Die Angriffe im Gebiet von Gaza-Stadt würden fortgesetzt, es werde mehr Angriffe geben, sagte ein Militärsprecher. An die Bewohner gerichtet, fügte er hinzu: "Gehen Sie für Ihre eigene Sicherheit nach Süden."

Palästinensische Medien berichteten am Sonntag, bei einem israelischen Angriff auf das im Süden des Gazastreifens gelegene Chan Junis seien mindestens elf Menschen getötet worden. Nach Informationen aus Medizinerkreisen wurden bei israelischen Luftangriffen in dem Küstenstreifen insgesamt mehr als 50 Palästinenser getötet. Eine offizielle Bestätigung oder Stellungnahme des israelischen Militärs zu diesen Angaben lag zunächst nicht vor.

UN: Viele Hilfsgüter im Gazastreifen notwendig

Zur Versorgung der notleidenden Zivilbevölkerung im Gazastreifen sind nach Ansicht von UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths pro Tag mindestens 100 Lastwagen mit Hilfsgütern nötig. Die Vereinten Nationen begrüßten den ersten Konvoi mit humanitärer Hilfe, der am Samstag in den unter Dauerbeschuss stehenden Gazastreifen fahren konnte. Man betrachte die 20 Lastwagen aber als Tropfen auf den heißen Stein. Am Sonntag blieb der Grenzübergang nach Angaben eines Sprechers des UN-Welternährungsprogramms wieder geschlossen.

Die Vereinten Nationen haben eine humanitäre Feuerpause gefordert, um den mehr als zwei Millionen Menschen helfen zu können. Im Gazastreifen gibt es nach UN-Angaben kaum noch Nahrungsmittel, Trinkwasser und Medikamente, seit Israel nach den Hamas-Terroranschlägen vom 7. Oktober die Belieferung eingestellt hat. Unter den verheerenden sanitären Bedingungen im Gazastreifen würden sich Fälle von Windpocken, Krätze und Durchfallerkrankungen häufen. Eine Ursache sei, dass die Menschen wegen des Trinkwassermangels in ihrer Not aus unsauberen Quellen schöpfen müssten. Das UN-Büro nannte keine konkreten Zahlen.

Kanada: Israel hat Krankenhaus in Gaza-Stadt nicht angegriffen

Menschen neben ausgebrannten Pkws
Ausgebrannte Pkws auf einem Parkplatz vor dem Al-Ahli-Krankenhauses in Gaza-Stadt. Bildrechte: IMAGO/APAimages

Das kanadische Verteidigungsministerium hat mitgeteilt, eine unabhängige Analyse des kanadischen Nachrichtendienstes habe ergeben, dass Israel mit großer Sicherheit nicht für die Explosion vor einem Krankenhaus im Gazastreifen verantwortlich sei. Israel habe das Krankenhaus am 17. Oktober 2023 nicht angegriffen hat, heißt es in einer Erklärung des Verteidigungsministeriums. Die Explosion sei wahrscheinlich durch eine aus dem Gazastreifen abgefeuerte Rakete verursacht worden. Zu ähnlichen Schlussfolgerungen waren zuvor auch Israel, die USA und Frankreich gekommen.

Reuters/AFP/dpa(das)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 22. Oktober 2023 | 06:11 Uhr

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