Rumänien und Bulgarien: Nachbarn auf unterschiedlichem Kurs bei Russland-Frage

07. Juli 2016, 12:54 Uhr

Bulgarien und Rumänien gehören seit 2004 zur Nato. Die Nachbarstaaten könnten als regionale Verbündete auftreten, denn die beiden Länder ähneln sich stark. Doch in der Russland-Frage sind sie grundverschieden.

Seinen Staatsbesuch in Sofia Mitte Juni 2016 wird Rumäniens Präsident Klaus Johannis wohl nicht vergessen. Mit seinem bulgarischen Amtskollegen Rossen Plevneliev verkündete er damals eine gemeinsame "Marine-Initiative im Schwarzen Meer". Es waren diplomatische Worte für einen konkreten Vorstoß: Rumänien drängt im Schwarzen Meer auf eine verstärkte Militärpräsenz, Bulgarien will es dabei als Verbündeten.

Jachten statt Kriegsfregatten

Doch Rumäniens Staatschef hatte die Rechnung ohne den bulgarischen Premier Boiko Borissov gemacht, der nach Johannis’s Abreise vor der Presse verkündete, er wolle im Schwarzen Meer Segelboote, Jachten und Touristen sehen statt Kriegsfregatten. Im Klartext: Einen gemeinsamen Vorstoß für eine Schwarzmeerflotte wird es nicht geben.

Doch warum hatten die Staatenführer ihre Differenzen in der Frage nicht hinter den Kulissen diskutiert, sondern in der Öffentlichkeit ausgetragen? "Man hätte erst gar nicht nach Sofia reisen müssen", schrieb die rumänische Tageszeitung Adevarul über den diplomatischen Eklat, "um zu erfahren, dass Bulgarien Russland nicht verärgern will." Rumänien und Bulgarien sind seit 2004 Nato-Partner, sie sind Anrainerstaaten am Schwarzen Meer, doch was ihre Beziehung zu Moskau angeht, könnten sie unterschiedlicher nicht sein.

Befreier oder Besatzer

Die Bulgaren haben die Russen in ihrer Geschichte als Befreier erlebt, die Rumänen als Besatzer. Sofia pflegt weiter enge Wirtschaftsbeziehungen mit der rohstoffreichen Ex-Sowjetrepublik. Rumänien sieht hingegen in Moskau eine Bedrohung, die seit der Krim-Eingliederung gefühlt immer näher rückt. 390 Kilometer Luftlinie trennen das nun russische Sewastopol und die rumänische Hafenstadt Konstanza - für das politische Bukarest Grund genug, künftig verstärkt auf dem Schwarzen Meer patrouillieren zu lassen. Schon jetzt sind rumänische, bulgarische und türkische Marinekräfte auf dem Meer präsent, würden sie sich als Nato-Flotte verbünden, könnte es zusätzliche Gelder von der Allianz geben.

Teil eines starken Militärbündnisses wie der Nato zu sein, ist für Bulgarien ebenso wichtig wie für Rumänien. Beide haben Berufsarmeen, deren Ausrüstung weitgehend veraltet ist. Das drückt auf die Moral der Truppen, die nur bei Auslandseinsätzen gut bezahlt werden. In Meinungsumfragen hält knapp die Hälfte der Rumänen die Nato für die vertrauenswürdigste Militärorganisation, von der sie hofft, im Ernstfall auch verteidigt zu werden. Permanente Nato-Truppen im südosteuropäischen Land würden deshalb viele begrüßen, auch wenn man damit Russland brüskiert.

Keine Konfrontation mit Russland

Im bulgarischen Nachbarland ist die Stimmung eine andere. Auf Facebook schrieb der damalige Premier Borrisov nach dem rumänischen Staatsbesuch, "es scheint, dass viele Leute vergessen haben, was Krieg bedeutet. Ich glaube nicht, dass Bulgarien von Russland angegriffen werden kann". Er spricht damit vielen seiner Landsleute aus dem Herzen, die derzeit die Angst vor einer kriegerischen Auseinandersetzung umtreibt - und vor Terroranschlägen. Auf Konfrontation mit Russland zu gehen, ist in Bulgarien alles andere als populär.

Rumänien geht da anders vor. Im Mai 2016 wurde das von den USA finanzierte Raketenabwehrsystem in Deveselu für operationsbereit erklärt - sehr zum Missmut des Kremls. Es steht inzwischen unter Nato-Schirmherrschaft. Außerdem ist Rumänien an der US-Operation "Atlantic Resolve" beteiligt - tausende Soldaten, die zwischen mehreren osteuropäischen Staaten rotieren. Dass hier sein Land nicht leer ausgeht, ist dem rumänischen Politikexperten Valentin Naumescu wichtig. Im Blogportal "Contributors" schrieb er im Juni 2016, man dürfe Moskau keinesfalls den Eindruck vermitteln, dass die Ostflanke der Nato im Süden schwächer werde.

Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im: Radio | 12.05.2017 | 08:25 Uhr

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