Grenzgebiet Polen verweigert EU Auskunft über Situation an Grenze zu Belarus

23. Januar 2022, 08:44 Uhr

Nach Monaten starker Migrationsbewegungen von Belarus an die Grenze Polens sollen weiterhin Hunderte Geflüchtete in polnischen Auffanglagern sitzen. Warschau ignoriere Aufforderungen der EU nach mehr Transparenz und Kooperation und schirme die Migrantinnen und Migranten ab.

Selten wurde in einem EU-Land die Arbeit europäischer Politiker so offen boykottiert. Die polnischen Behörden seien kaum auskunftsbereit und versuchten die Migrantinnen und Migranten systematisch zu isolieren, berichtet Cornelia Ernst. Die Europapolitikerin sitzt für die Linken im Innenausschuss des EU-Parlaments.

Die polnische Regierung habe es geschafft, dass Ernst keine Migrantinnen und Migranten zu Gesicht bekommen habe: "Sie verweigerten den Zugang zur Sperrzone und auch in Haftlager. Was wir aber wissen ist, es kommen immer noch Menschen von Belarus nach Polen und viele verharren in den Wäldern, ausgehungert, völlig durchgefroren und ohne medizinische Hilfe. Die polnische Regierung hat rechtsfreie Räume geschaffen. Die EU kann hier gar nichts kontrollieren."

Kein Zugang zum Grenzgebiet

So weigert sich Warschau bisher auch hartnäckig, der EU-Grenzschutzbehörde Frontex Zugang zum Grenzgebiet zu gewähren. Das sieht auch EU-Innenkommissarin Ylva Johansson kritisch. Doch dürfe man der polnischen Regierung auch nicht einfach unterstellen, beim Schutz der EU-Außengrenze unzulässige Mittel anzuwenden: "Ich denke, wir haben da einige Lektionen gelernt. Wir erlebten, dass der Diktator Lukaschenko Migranten einfliegen ließ, um sie in die EU zu schleusen und uns unter Druck zu setzen. Wir haben diese Krise gelöst, indem wir entschlossen reagiert haben, beim Außengrenzschutz flexibler waren, und intensiv beispielsweise mit den Herkunftsländern verhandelten. Über 5.000 Migranten wurden in ihre Länder zurückgeschickt und die Zahl der Grenzübertritte bewegt sich auf sehr niedrigem Niveau", sagt Johansson.

Gewaltsames Zurückdrängen der Migranten

Dafür aber würden die Grundrechte missachtet, klagt die sächsische EU-Parlamentarierin Cornelia Ernst. Es gäbe Berichte über Pushbacks, bei denen Migrantinnen und Migranten gewaltsam zurückgedrängt wurden. Außerdem werde Warschau nun erlaubt, die europäischen Asylregeln aufzuweichen und Geflüchtete beispielsweise bis zu 20 Wochen de facto zu inhaftieren.

Cornelia Ernst wurde berichtet, dass es in Polen sieben Lager gebe, in denen Menschen unter schlimmen Bedingungen leben müssten: "Allein im Lager Wedrzyn, nahe der deutschen Grenze, sitzen mindestens 600 Menschen fest. Sie haben keinen Zugang zu ordentlicher medizinischer Versorgung. Sie haben keine rechtliche Unterstützung. Es gab mehrere Suizidversuche, Isolationshaft ist auf der Tagesordnung. Auch Minderjährige wurden inhaftiert."

Faeser will sich für Koalition der Willigen einsetzen

Der Schutz der EU-Außengrenze sei eine Gratwanderung, meinte Bundesinnenministerin Nancy Faeser, bei ihrem Antrittsbesuch in Brüssel Mitte Dezember. Natürlich bräuchten besonders belastete Staaten wie Polen die Solidarität aller: "Für mich ist es aber auch wichtig, dass rechtliche Standards eingehalten werden an der Grenze, deswegen wäre ein Einsatz von Frontex dort gut. Ebenso wichtig ist für mich, dass auch die Hilfsorganisationen jederzeit Zugang zu den Menschen bekommen", erklärt Faeser.

Die Situation an der polnischen EU-Außengrenze zeige, dass die EU endlich ein effizientes und krisenfestes Asylsystem brauche. Bisher scheiterte dies aber immer an der mangelnden Aufnahmebereitschaft zahlreicher EU-Mitgliedsstaaten, weshalb die neue Bundesinnenministerin sich nun für eine Koalition der Willigen einsetzen will.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 22. Januar 2022 | 06:35 Uhr

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