Russlands Angriffskrieg Ukraine: Wie Frauen Ausrüstung für ihre kämpfenden Männer beschaffen
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11. März 2023, 05:00 Uhr
Ukrainische Männer zwischen 18 und 60 Jahren können jederzeit zur Armee eingezogen werden. Zu Hause bleiben meist Frauen, die sich um ihre Kinder sowie ihre betagten Eltern kümmern, nebenbei arbeiten, um Geld zu verdienen. Jede freie Minute nutzen viele Ukrainerinnen außerdem dafür, ihre Männer an der Front mit Ausrüstung zu versorgen.
Viktoria Krawtschenko ist verheiratet und hat einen kleinen Sohn. Ihren Alltag meistert die Militärpsychologin zurzeit ohne ihren Mann, denn der ist als Minensucher in ehemaligen Kampfgebieten im Einsatz. Viktoria hat derzeit als berufstätige Alleinerziehende genug zu tun, doch jede freie Minute verbringt sie damit, Spenden zu sammeln, um Geräte für das Bataillon ihres Mannes zu kaufen. "Fundraising-Aufrufe werden oft direkt an mich gerichtet. Anfragen kommen von Soldaten oder von Korps selbst, die zum Beispiel ohne Ausrüstung oder ohne Schutzkleidung zurückgelassen worden sind. Da für eine Anfrage durch große Wohltätigkeitsvereine oder das Verteidigungsministerium meist keine Zeit bleibt, ist es schneller, Spenden zu sammeln und die Ausrüstung selbst zu kaufen.”
Dem ukrainischen Staat fehlten seit Beginn des Krieges die Mittel, seine Armee umfassend auszustatten. Viktoria Krawtschenko sagt, dass Geld für das Notwendigste gesammelt wurde: für Militäruniformen, die jede Woche beschädigt wurden oder bei denen die Größen nicht gepasst haben, für kampftaugliche Winterstiefel, für Helme oder Ferngläser sowie Kampfmesser. Die Soldaten hätten alles selbst gekauft – und das ginge häufig nur durch die Hilfe der zu Hause gebliebenen Frauen. "Und trotz alledem kenne ich viele Frauen, die sich am Ende ihres anstrengenden Tages fragen: Tue ich genug? Kann ich mehr tun, um den Sieg näher zu bringen?", sagt die Militärpsychologin.
Pflicht an der Waffe (für Männer) Ukrainische Männer zwischen 18 und 60 Jahren können jederzeit zur Armee eingezogen werden, so steht es im Mobilisierungsgesetz. Ukrainer müssen sich dafür in den Rekrutierungsbüros (Wojenkomats) melden. Sie dürfen die Ukraine nicht verlassen. Vor dem russischen Angriff wurden Männer zwischen 18 und 27 Jahren für 9 bis 18 Monate zum Militärdienst eingezogen.
Drohnen werden gebraucht
Spenden werden vor allem in sozialen Medien gesammelt. @cvit_ukraine ist eine rein weibliche Freiwilligenorganisation, deren Ziel es ist, den ukrainischen Soldaten und Soldatinnen zu helfen. Daria Tschernowa engagiert sich in der Organisation seit einer ihrer besten Freunde als Kämpfer des "Asow"-Regiments in russischer Gefangenschaft starb. Daria nutzt vor allem Instagram, Facebook und Telegram, um bekannte ukrainische Blogger für sich zu gewinnen, um so über den Bedarf in der Armee zu sprechen und über Kriegsverbrechen Russlands in ihrer Heimat aufzuklären.
"Der Hauptbedarf sind Drohnen", sagt Daria. "Sie müssen häufig erneuert oder repariert werden." Ebenso würden gepanzerte Westen abgenutzt, da sie beispielsweise häufig von Kugeln getroffen werden. Gerade Westen, so Daria, müssten immer auf Lager sein. "Wir sind alle daran gewöhnt, dass wir immer als Freiwillige arbeiten und helfen. Wir müssen helfen. Wer, wenn nicht wir? Wir versorgen das Militär mit Wärmeanlagen, mit Autos und mit allem, was benötigt wird."
Freiwilligenbataillone statten sich selbst aus
Neben den offiziellen Strukturen des ukrainischen Militärs sind auch viele Ukrainer freiwillig in den Krieg gezogen und haben sich sogenannten Freiwilligenbataillonen angeschlossen. Diese werden zwar auch vom Verteidigungsministerium finanziert, sind aber weiterhin auf Geld- und Waffenspenden aus privaten Kreisen angewiesen.
"Swoboda" ("Freiheit") ist ein solches Freiwilligenbataillon. Viktoria Bilan-Raschtschuk, die Ehefrau des Bataillonskommandeurs von Swoboda, ist in Kontakt mit Freiwilligenorganisationen und Wohltätigkeitsvereinen, die Ausrüstung beschaffen. Auch sie betont, dass gerade Schlagdrohnen und Autos am meisten gebraucht werden. Diese Technik geht entweder kaputt, oder verloren oder muss ständig repariert werden.
Viktoria Bilan-Raschtschuk ist der Meinung, dass die Arbeit der Freiwilligen vielen Zivilisten und Soldaten das Leben gerettet hätte. "Die Ukraine hätte keine drei Tage überlebt. Die Russen wären schon im ganzen Land. Die staatlichen Strukturen waren und sind teilweise nicht in der Lage, die heutigen Herausforderungen rechtzeitig zu bewältigen und auf die Schnelle zu reagieren."
Die Freiwilligenorganisationen kaufen Waffen von Zwischenhändlern aus dem Ausland, das sind Exporteure mit speziellen Lizenzen zum Import von Produkten für militärische Zwecke. Sie sparen so Zeit und Geld beim Kauf und der Lieferung dringend benötigter Waffen. Schließlich gehe es um Leben und Tod, sagt Viktoria Krawtschenko.
Ohne Frauen geht es nicht
Die Frauen der Soldaten versuchen, mit den Anforderungen des Krieges Schritt zu halten: Sie sind auf der Suche nach kugelsicheren Westen und Uniformen in den richtigen Größen ihrer Männer an der Front, sie rufen nebenbei Firmen an, um die besten Preise zu verhandeln. Sie kochen für die Soldaten. Sie verpacken die Ausrüstung, damit sie per Post verschickt werden kann. Sie treffen sich mit anderen Freiwilligen, um zu besprechen, was am dringendsten benötigt wird. "Frauen, die mitmachen, machen es, weil sie ideell dahinter stehen. Sie unterstützen, um unseren Sieg zu beschleunigen, um den Krieg zu beenden. Trotz der Tatsache, dass sie viel Zeit für die Freiwilligenarbeit aufwenden", sagt Daria Tschernowa. "Die Ukrainerinnen wollen sich nützlich machen, auch wenn wir nach einem Jahr unsere Erschöpfung spüren."
MDR (adg)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL | 11. März 2023 | 07:10 Uhr