Rückkehr nach Russland Nawalny zu 30 Tagen Haft verurteilt
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18. Januar 2021, 21:25 Uhr
Der russische Regimekritiker Alexej Nawalny muss vorerst bis zum 15. Februar in Haft bleiben. Das entschied ein Schnellgericht in Moskau. Die Bundesregierung fordert die unverzügliche Freilassung Nawalnys und die Aufklärung der Nowitschok-Vergiftung. Russland streitet erneut ab, dass Nawalny überhaupt vergiftet wurde.
Der russische Regierungskritiker Alexej Nawalny ist nach seiner Rückkehr nach Moskau im Eilverfahren zu 30 Tagen Haft verurteilt worden. Nawalnys Anwalt Wadim Kobsew teilte mit, sein Mandant müsse bis zum 15. Februar in Haft bleiben. Dem 44-jährigen wird vorgeworfen, gegen die Auflagen einer Bewährungsstrafe verstoßen zu haben. Nawalny selbst rief seine Anhänger zu Protesten auf: "Habt keine Angst, geht auf die Straße – nicht für mich, sondern für euch, für eure Zukunft." Russische Medien berichteten von Demonstrationen in mehreren Städten. Das Informationsportal "ovdinfo.org" meldete, dabei seien mehrere Dutzend Menschen festgenommen worden, die meisten von ihnen in Sankt Petersburg.
Bundesregierung fordert Freilassung von Nawalny
Die Bundesregierung forderte unterdessen die "unverzügliche" Freilassung Nawalnys. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, das Vorgehen der russischen Behörden gegen den Politiker sei "völlig unhaltbar". Das betreffende Urteil, gegen dessen Bewährungsauflagen Nawalny verstoßen haben solle, sei vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als "willkürlich" eingestuft worden. Zudem habe Nawalny sich in den vergangenen Monaten "nach dem Mordanschlag gegen ihn hier in Deutschland zur Rekonvaleszenz" aufgehalten. Statt das Opfer eines Mordanschlags zu verhaften, sollten die Behörden "die Umstände des Chemiewaffenangriffs unverzüglich aufklären".
Gysi kritisiert russische Behörden - Grüne fordern Aus für Nord Stream 2
Auch der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Gregor Gysi, kritisierte den Umgang der russischen Behörden mit Nawalny: "Ich finde es völlig daneben, dass Nawalny unmittelbar nach seiner Rückkehr zu 30 Tagen Haft wegen Verletzung von Meldeverpflichtungen verurteilt wurde", teilte Gysi mit. Man dürfe einen Menschen nach einem Mordversuch in Russland und seiner Genesung in Deutschland nicht so behandeln. Er hoffe, dass das Gericht von einem Widerruf der Bewährung absehe.
Die Grünen forderten als Reaktion die endgültige Einstellung des Ostsee-Pipeline-Projekts Nord Stream 2. Das umstrittene Vorhaben müsse "endlich ad acta gelegt werden", sagte der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Omid Nouripour, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
EU-Staaten nennen Russlands Vorgehen inakzeptabel
Auch die EU-Staaten forderten die Freilassung Nawalnys. In einer gemeinsamen Erklärung warnten sie zudem die russische Regierung vor weiteren Repressionen gegen die Opposition und Zivilgesellschaft. "Die Politisierung der Justiz ist inakzeptabel und die Rechte von Herrn Nawalny müssen respektiert werden". Die EU werde bei der weiteren Gestaltung ihrer Russland-Politik die Entwicklungen miteinbeziehen. Zuvor hatte Seibert bereits erklärt, die Bundesregierung werde sich mit den europäischen Partnern über den Fall Nawalny austauschen. Eine Neubewertung von Nord Stream 2 lehnte er ab.
Chodorkowski: Nicht reden, handeln!
Der frühere Oligarch und Langzeit-Gefangene Michail Chodorkowski rief die westlichen Länder auf, nicht zu reden, sondern zu handeln. Nur so könnten sie Druck auf die Führung in Moskau ausüben. Chodorkowski schlug vor, Sanktionen gegen Russen zu verhängen, die am Aufbau russischer Korruptionsnetzwerke weltweit beteiligt seien. Das sei sinnvoller als die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ins Visier zu nehmen.
Über das Vorgehen gegen Nawalny sagte Chodorkowski, das Putin-Regime bediene sich totalitärer Methoden, um die Gesellschaft unter Druck zu setzen." Den russischen Präsidenten nannte Chodorkowski einen "alternden Autokraten", der fühle, dass er zeigen müsse, dass er das Leittier in der Herde sei.
Lawrow: Keine Beweise für Nowitschok-Vergiftung
Russlands Außenminister Sergej Lawrow forderte hingegen erneut Beweise von Deutschland für eine Vergiftung Nawalnys. Russland habe bei dem 44-Jährigen keine Vergiftung mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok nachweisen können. Deshalb leite man auch keine Ermittlungen ein. Zugleich schlug er vor, dass russische Ärzte gemeinsam mit westlichen Kollegen die Proben untersuchen könnten. Die bisherigen Antworten aus Deutschland auf russische Rechtshilfeersuchen im Fall Nawalny nannte Lawrow "unwürdig". Am Freitag hatten die deutschen Behörden mitgeteilt, sie hätten alle russischen Gesuche beantwortet. Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums sagte am Montag, man habe keine medizinischen Befunde übermittelt. Diese unterlägen der ärztlichen Schweigepflicht.
Nawalny war auf im August auf einem Inlandsflug in Sibirien zusammengebrochen und später auf Bitten seiner Familie zur Behandlung nach Berlin geflogen worden. Mehrere Labore, darunter eins der Bundeswehr, hatten im Blut Nawalnys das Nervengift Nowitschok nachgewiesen. Die EU verhängte deshalb auch Sanktionen gegen Vertreter des russischen Machtapparats. Nawalny selbst sieht den russischen Inlandsgeheimdienst FSB unter Befehl des Präsidenten Wladimir Putin hinter dem Attentat. Putin und der FSB weisen die Anschuldigungen zurück.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL FERNSEHEN | 18. Januar 2021 | 19:30 Uhr