Genuss Bulgarien will seinen Joghurt vor Nachahmern schützen

22. Februar 2021, 12:16 Uhr

Bulgarischer Joghurt ist Kult. In Asien ist er so begehrt, dass Jahr für Jahr Tausende Chinesen in entlegene südbulgarische Gebirgsdörfer pilgern, um ihn zu kosten. Und japanische Rentner haben sogar schon ihren Wohnsitz in das südosteuropäische Land verlegt, nur um täglich echten bulgarischen Joghurt zu löffeln. Nun hat offenbar auch die Regierung in Sofia erkannt, wie wertvoll das Sauermilchprodukt ist. Man will den Joghurt, aber auch bulgarischen Salzlakenkäse, als geschützte Ursprungsbezeichnungen anerkennen lassen. Entsprechende Anträge sind vor kurzem bei der Europäischen Kommission eingegangen.

Vessela Vladkova
Bildrechte: Vessela Vladkova

 

Joghurt
Japaner sind verrückt nach bulgarischem Joghurt. Die japanische Firma Meiji hat schon 1973 von Bulgarien die Lizenz erworben, original bulgarischen Joghurt mit den entsprechenden Bakterienkulturen herzustellen. Bildrechte: imago sportfotodienst

Meiji Bulgaria Yogurt ist seit Jahrzehnten die beliebteste Joghurt-Marke in Japan, sagt das Vorstandsmitglied von Meiji Hisashi Nakayama. Meiji stellt täglich 800.000 Becher bulgarischen Joghurts in Japan her, seit 1973 nach bulgarischer Technologie und Lizenz. Auf der Weltausstellung in Osaka 1970 vereinbarten Bulgarien und Japan die Belieferung des japanischen Herstellers mit Bakterien der Joghurtkultur Lactobacillus bulgaricus. Meiji verkauft seitdem den bulgarischen Joghurt auch in Thailand, Singapur und China. Und so entdeckten auch die Chinesen den vermeintlichen Jungbrunnen. In Vor-Corona-Zeiten pilgerten viele Chinesen in das Rhodopen-Gebirge im Süden Bulgariens, um von den Einheimischen zu erfahren, wie man einen der beliebtesten Joghurts in China herstellt. Der Joghurt aus Kuh-, Schafs- oder Ziegenmilch steht bei den Menschen in den Dörfern des Rhodopen-Gebirges täglich auf dem Speiseplan, und sie werden überdurchschnittlich alt. Ob der Joghurt tatsächlich eine lebensverlängernde Wirkung hat, ist wissenschaftlich zwar nicht überprüft, doch er gilt allgemein als besonders gesund.

Joghurt
Bulgarischer Joghurt: Stichfest, frisch und leicht säuerlich im Geschmack Bildrechte: imago images/YAY Images

Was macht den bulgarischen Joghurt aus?

Durchschnittlich 22 Kilogramm Joghurt verzehrt ein Bulgare im Jahr, traditionell gehört er fast zu jeder Mahlzeit. Er ist sehr stichfest, fast schon wie Quark. Im Geschmack frisch, leicht säuerlich, weshalb er auf Bulgarisch kisselo mljako heißt, also Sauermilch. Und im Gegensatz zu allen anderen Joghurtsorten hat der bulgarische keinen Nachgeschmack. Ist der Joghurt ohne Zusätze, nach altbewährter Tradition hergestellt, so, wie jede bulgarische Familie bis in die 1960er-Jahre ihren eigenen Joghurt zu Hause verdickte, ist er gerade mal 48 Stunden haltbar. Als Test gilt: in der Vertiefung, die der Löffel hinterlässt, sammelt sich Wasser. Die Herstellung ist einfach: die Rohmilch wird auf 90 Grad erhitzt, dann abgekühlt, und wenn sie 43 Grad warm ist, mit Bakterien der Joghurtkultur Lactobacillus bulgaricus angereichert und für 5-6 Stunden ruhen gelassen. So bekommt der Joghurt seinen typischen, säuerlichen Geschmack.

Das Wunder Lactobacillus bulgaricus

Die Bakterien der Joghurtkultur Lactobacillus bulgaricus sind es, die für eine gesunde Darmflora sorgen. Wegen des Klimas gedeihen sie besonders gut in Bulgarien. Aus alten Überlieferungen weiß man, dass die Urbulgaren, ein Nomadenvolk aus Zentralasien, als Erste Ziegen-und Schafsmilch fermentiert haben. Die wissenschaftliche Erklärung lieferte Anfang des 20. Jahrhunderts Dr. Stamen Grigorow. 1905 beschrieb er zum ersten Mal das Milchsäurebakterium, das die Milch zum Gären bringt, und gab ihm den Namen Lactobacillus bulgaricus. Zu jener Zeit erforschte der Nobelpreisträger Prof. Ilja Metschnikow die Langlebigkeit in Europa. Dabei stellte sich heraus, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts die meisten Hundertjährigen in Bulgarien lebten. Beide vermuteten, dass vielleicht auch der bulgarische Joghurt dafür verantwortlich war. 1959 gründete Bulgarien ein eigenes wissenschaftliches Institut, um die bulgarischen Ur-Bakterienstämme weiter zu züchten, ihre Reinheit zu bewahren und sie zu exportieren.

Bulgarischer Salzlakenkäse
Bulgarischer Salzlakenkäse: Auch sein Image soll in der EU gestärkt werden Bildrechte: imago images/YAY Images

Bulgarien will seinen Joghurt und Käse schützen

14 Jahre nach dem EU-Beitritt will Bulgarien nun endlich seinen Joghurt und auch gleich noch den typischen Salzlakenkäse des Landes schützen lassen. Darauf hatten vor allem die Milchbauern des Landes gedrängt. Aus ihrer Sicht hat sich Griechenland ein Monopol auf Weißkäse in der EU gesichert, als es 2002 den weißen Salzlakenkäse als Feta in der EU registrieren ließ. Die Aufnahme von bulgarischem Joghurt und Salzlakenkäse in die eAmbrosia-Datenbank der EU, dem Register für geografische Angaben von Lebensmittel, Weinen und Spirituosen, werde zur Stärkung des guten Rufs und der hohen Qualität dieser traditionellen bulgarischen Milchprodukte beitragen, erklärte das Landwirtschaftsministerium in Sofia. 54 bulgarische Weine und sieben andere bulgarische Produkte sind bereits als Erzeugnisse mit geschützten geografischen Angaben oder als garantiert traditionelle Spezialität in das EU-Register eingetragen, darunter das bulgarische Rosenöl, eine Honigart und mehrere Salamisorten. Doch ausgerechnet die zwei Aushängeschilder der bulgarischen Küche sind nicht darunter. Das Landwirtschaftsministerium gibt ungern zu, dass es sich dabei um Schlamperei handelt. Das nationale Patentrecht habe bereits 2008 seine Wirkung in der Europäischen Union verloren. Ein Prüfverfahren soll nun feststellen, ob der bulgarische Joghurt und der bulgarische Salzlakenkäse vor unlauterem Wettbewerb und Missbrauch geschützt werden können. Im Rahmen des Verfahrens haben sowohl die EU-Mitgliedstaaten als auch Drittländer das Recht, Widerspruch einzulegen.

 

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL TV | 14. Februar 2021 | 19:30 Uhr

Mehr aus Land und Leute

Mehr aus Osteuropa